Mülheim. Nach Jahren heftiger Kritik an der Flächenpolitik sieht die Wirtschaft Anzeichen zur Kehrtwende. Mülheims neue Pläne an der Ruhr begeistern.
Der Plan von Stadtverwaltung und ansässigen Unternehmen, 45 Hektar Fläche an der Ruhr zwischen Innenstadt und Styrum zu einem modernen Quartier für Gewerbe und Industrie, für Freizeit, Erholung, Kultur und Event entwickeln, erntet insbesondere dort Beifall, wo die städtische Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit Schmähkritik geerntet hat.
So von der Industrie- und Handelskammer (IHK), die in den Vorjahren Mülheims Anstrengungen zur Stabilisierung und Fortentwicklung des Wirtschaftsstandortes als „ungenügend“ bezeichnet und die wirtschaftliche Talfahrt als hausgemacht kritisiert hatte. In der Kooperation von Stadt, Friedrich-Wilhelms-Hütte, Thyssenkrupp Schulte, Aldi Süd und Rheinisch-Westfälischer Wasserwerksgesellschaft, die für 2022 einen städtebaulichen Wettbewerb zur Entwicklung der 45 Hektar entlang der Ruhr vorsieht, sieht die IHK „einen entscheidenden Impuls“ zur Mülheimer Gewerbeflächenentwicklung.
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IHK: Wir brauchen in Mülheim zeitnah ein breites Angebot mit zusätzlichen Flächen
Die Entwicklung von Wirtschaftsflächen sei „eine der drängendsten Aufgaben“ und müsse konsequent angegangen werden. Daher sei zu „begrüßen, dass durch den Schulterschluss von Stadt und Wirtschaft nun Fahrt aufgenommen wird“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Gerald Püchel.
Die IHK hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach auf die Verschärfung des bestehenden Gewerbeflächenmangels hingewiesen und sieht nun die große Chance, das Angebot in den nächsten Jahren wieder deutlich auszubauen. „Was die am Markt verfügbaren Gewerbeflächen betrifft, haben wir in Mülheim fünf vor zwölf. Wir brauchen zeitnah ein breites Angebot mit zusätzlichen Flächen für die Wirtschaft. Das Projektgebiet bietet ideale Voraussetzungen dafür“, so Püchel mit Verweis darauf, dass die Stadt aktuell zahlreiche Ansiedlungsanfragen nicht bedienen könne, weil passende Gewerbeflächen fehlten. Auch die Erweiterung und Verlagerung von ortsansässigen Unternehmen gerieten zunehmend in Gefahr.
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Unternehmerverband: „Der OB hat geliefert. Das ist richtig gut“
Für die weiteren Planungen im Projektgebiet zwischen Konrad-Adenauer Brücke im Süden und Deutschland-Zentrale von Aldi Süd im Norden fordert die IHK nun, die Flächen zu einem größtmöglichen Anteil für Gewerbe und Industrie zu entwickeln. Püchel warnt vor allzu großen Fantasien fernab davon: „Eine solche Fläche weckt immer Begehrlichkeiten. Deshalb dürfen wir keine Gewerbe- und Industrieflächen mehr für andere Nutzungen aufgeben.“
Ein dickes Lob erntet Mülheims OB Marc Buchholz auch vom örtlichen Unternehmerverband: „Der OB hat geliefert. Das ist richtig gut“, reagierte Hanns-Peter Windfeder als dessen Vorsitzender. Die veröffentlichten Pläne begrüße der Unternehmerverband außerordentlich. Der OB habe in der strittigen Gewerbeflächen-Frage die Kontaktanbahnung zur Chefsache gemacht und zusammen mit dem neuen Chef-Wirtschaftsförderer im Rathaus, Felix Blasch, ein erstes Ergebnis geliefert.
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Windfeder sieht Potenziale auf alter Tengelmann-Fläche, am Flughafen und an der Ruhr
Nun haben laut Windfeder „Spieler zusammengefunden, die dieser Stadt eine dringend notwendige Perspektive in Sachen Gewerbeflächen bieten können“. Natürlich sei die in einem „Letter of Intent“ festgehaltene Absichtserklärung „noch nichts Fixes, aber jede Reise fängt mit dem wichtigen ersten Schritt an und der ist jetzt gemacht. Neben Flughafen und Tengelmann-Gelände gilt es jetzt, für diese Potenzialfläche die Planungen schnellstmöglich voranzutreiben. Der mehr als bedrohliche Notstand bei den Gewerbeflächen lässt Mülheim hier auch gar keine andere Wahl“, so Windfeder. Wie die IHK forderte auch er einen klaren Fokus auf eine wirtschaftliche Nutzung der Fläche.
Seine schwarz-grüne Ratsmehrheit kann Buchholz auch hinter sich wissen. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen CDU und Grüne von einem „Aufbruchssignal für den Beschäftigungsstandort Mülheim“. Das Ratsbündnis sei angesichts der vielfältigen Planungsideen „begeistert“.
Ratsbündnis CDU/Grüne begrüßt Zukunftsperspektive für Wirtschaft – und Freizeit
Die Fraktionsvorsitzenden Christina Küsters (CDU) und Tim Giesbert (Grüne) sehen in den Plänen eine „Zukunftsperspektive für mehr als tausend Beschäftigte am Wirtschaftsstandort“. Es sei zudem „ein gewichtiges Bekenntnis der beteiligten herausragenden wirtschaftlichen Akteure zum Beschäftigungs- und Wirtschaftsstandort Mülheim“. Der städtebauliche Wettbewerb sei darüber hinaus eine neue Chance zur Weiterentwicklung der nach über zehn Jahren immer noch nicht um- beziehungsweise neu gestalteten Ruhrbania-Baufelder 3 und 4, die im Süden das Projektgebiet abschließen.
CDU und Grüne erklärten, dass die Flächenentwicklung „im Einklang mit dem Umwelt- und Naturschutz“ stehen müsse und auch Freizeitnutzungen berücksichtigen solle. So sei zu begrüßen, „dass hier sogar Planungen zur Weiterführung des Ruhrtal-Rad- und Wanderweges zugesagt werden“.