Mülheim. Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen wurde in Mülheim gegen Corona geimpft. Warum die Bereitschaft groß war.

Klientinnen und Klienten des Diakonischen Werkes konnten sich am Donnerstag in der Einrichtung an der Auerstraße gegen Corona impfen lassen. Der Sonder-Impftermin für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in den Räumen der Ambulanten Gefährdetenhilfe an der Auerstraße war gut besucht.

Frisch geimpft sitzen Reinhard und Theo bei einer Tasse Kaffee im Diakonietreff an der Auerstraße. Eine Viertelstunde sollen sie noch warten, um sicher zu gehen, dass nach der Impfung gegen Corona keine unerwünschten Reaktionen auftreten. Sie waren unter de ersten, die sich am Donnerstag im Diakonietreff an der Auerstraße gegen Covid-19 haben impfen lassen. „Wenn man mir das anbietet, nehme ich das doch gerne an“, sagt Theo. Der 64-Jährige ist zwar bei guter Gesundheit, möchte aber sich selbst und andere gerne schützen. „Andere warten sehnsüchtig auf die Impfung, uns wurde sie jetzt endlich angeboten.“

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Rund 80 Menschen hatten sich in Mülheim für die Impfaktion registrieren lassen

Auch Reinhard ist glücklich, dass er durch die Impfung nun wieder mehr Freiheiten haben kann. „Seit über einem Jahr habe ich mich an die Regeln gehalten, immer darauf geachtet, dass ich mich selbst und andere Menschen nicht gefährde“, sagt der 69-Jährige. „Ich bin froh, dass ich durch die Impfung jetzt mich selbst, aber auch andere schützen kann.“

Arzt Jonas Fredebeul-Beverungen impft den Obdachlosen Stefan Bloch, der in der Impfung auch einen Schritt heraus aus der Einsamkeit sieht.
Arzt Jonas Fredebeul-Beverungen impft den Obdachlosen Stefan Bloch, der in der Impfung auch einen Schritt heraus aus der Einsamkeit sieht. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Rund 80 Menschen hatten sich im Vorfeld für die Impfaktion registrieren lassen. In der Beratungsstelle und durch einen Streetworker wurden die Wohnungslosen angesprochen und gefragt, ob sie sich impfen lassen möchten. Die Impfbereitschaft ist sehr hoch, auch wenn es, wie in der gesamten Gesellschaft auch Skeptiker gibt, die sich nicht impfen lassen möchten. Keiner wird überredet oder gezwungen.

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Ambulanten Gefährdetenhilfe des Diakonischen Werkes baut Impfstraße auf

Dass alle diejenigen, die die Impfung gerne in Anspruch nehmen, dann auch verlässlich und pünktlich zum Impftermin gekommen sind, freut besonders Andrea Krause, Abteilungsleiterin der Ambulanten Gefährdetenhilfe des Diakonischen Werkes.

Besondere Impf-Aktion

Der Sonder-Impftermin der Ambulanten Gefährdetenhilfe als Obdachlosenhilfe des Diakonischen Werkes ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und Diakonie.

Der Krisenstab hat den Impfstoff von Johnson & Johnson, bei dem nur eine Impfung für den vollen Schutz nötig ist, bereitgestellt. Ärzte des Impfzentrums haben mit ihrem Fachwissen bei der Einrichtung der „Impfstraße“ unterstützt.

„Als am 20. April 2021 endlich der Erlass kam, dass in der Obdach- und Wohnungslosenhilfe ein Impfangebot gemacht werden kann, haben wir uns sofort mit Mitarbeitern der Stadt und des Impfzentrums an einen Tisch gesetzt und geschaut, wie die Impfstraße einzurichten ist, wie wir dieses Angebot möglichst niederschwellig für unsere Klienten organisieren können“, erinnert sich Krause, die begeistert, aber nicht wirklich überrascht davon ist, dass die Impfaktion so gut ankommt. „Gerade unsere Klienten sind gesundheitlich oft sehr angeschlagen, eine Infektion mit Corona könnte schwere Folgen haben.“

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Verimpft wird das Johnson-&-Johnson-Vakzin, der als Einmal-Impfstoff genutzt wird

Nadine Dörich, Pharmazeutisch-technische Assistentin der Apothekenkammer, sorgt an diesem Tag dafür, dass genug Impfstoff für die Impfwilligen zur Verfügung steht. Verimpft wird das Johnson-&-Johnson-Vakzin. Der Einmal-Impfstoff eigne sich am besten, da es im Obdachlosenmilieu fraglich ist, ob die Menschen auch einen zweiten Impftermin einhalten würden und können. Dörich und der leitende Impfarzt Thomas Franke freuen sich sehr, dass die Impfaktion so gut angenommen wird und alles so gut funktioniert.

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„Das ist auch eine Wertschätzung den Menschen gegenüber, die zu einer kleinen Gruppe gehören, die selten eine Stimme hat und oft vergessen wird“, so Thomas Franke. Eine kleine Gruppe an Menschen, die im vergangenen Jahr auf die wenigen Kontakte verzichten musste, die ihnen in ihrem Leben noch geblieben sind. „Man läuft Gefahr, komplett zu vereinsamen“, sagt Stefan Bloch, zieht seinen Pullover aus und lässt sich die langersehnte Impfung in den Oberarm spritzen. „Für uns ist die Impfung mehr als ein Schutz vor der Krankheit.“ Es sei ein großer Schritt aus der Einsamkeit.