Mülheim. Die Planungen für die Aussichtsplattform am Kahlenberg in Mülheim stoßen auf Unverständnis. Erstmals melden sich betroffene Anwohner zu Wort.

Die geplante Neugestaltung der Aussichtsplattform am Kahlenberg hoch über der Ruhr erhitzt die Gemüter. Sowohl in den sozialen Netzwerken als auch in Form von Leserbriefen äußerten Mülheimer Bürger ihren Unmut über den Vorschlag der Verwaltung, auf der halbrunden Kanzel eine Pergola mit Stahlnetz zu installieren.

Diese Maßnahme soll unter anderem die Bewohner der ehemaligen Jugendherberge vor herabfallenden oder geworfenen Gegenständen schützen. Außerdem soll die bauliche Veränderung, laut Vorlage, Abstürze über die niedrige Brüstung der Plattform verhindern. Letzteres ist für René Mahnke kein Argument. Er wohnt ganz in der Nähe der Aussichtsplattform und geht dort regelmäßig mit seiner Familie spazieren. „Ich fühle mich hier nicht unsicher und habe auch keine Befürchtungen, dass mein Sohn über die Brüstung, die gar nicht so niedrig ist, fallen könnte“, wundert sich der Familienvater und zeigt dann zu der Böschung neben der Plattform. „Da ist es an den Seiten, wo es gar keine Brüstung oder ähnliches gibt, viel gefährlicher.“

Der Blick auf den Fluss soll nicht verbaut werden, argumentieren Mülheimer Bürger

Dem stimmt ein vorbeikommender Spaziergänger zu. „Das ist einer der schönsten Aussichtspunkte hier in Mülheim, diesen Blick kann man doch nicht einfach verbauen“, so der Dümptener, der mit seinem Hund regelmäßig zum Spazierweg am Kahlenberg kommt. „Hier ist in den letzten 100 Jahren niemand runtergefallen.“ Dieses Argument lässt Hansgeorg Schiemer nicht gelten. Nur weil 99 Jahre lang nichts passiert sei, bedeute dies nicht, dass im 100. Jahr dann nicht doch ein schwerer Unfall passieren könne. Und dann würden wieder Verwaltung und Politik in der Verantwortung stehen, so der CDU-Fraktionsgeschäftsführer und Fraktionsvorsitzender der Bezirksvertretung (BV) 1, die die Verwaltung beauftragt hat, ein Konzept zur Neugestaltung vorzulegen und dabei mehrere Alternativen zu berücksichtigen.

„Wir werden keinen Vorschlag annehmen, der den Blick von der Aussichtsplattform verschandeln würde“, sagt Schiemer und betont, dass man seitens der BV 1 nichts gegen eine sachliche Diskussion habe. Es könne aber nicht sein, dass eine Neiddebatte dazu führe, dass jeglicher Schutz für die Anwohner per se abgelehnt würde. „Unsere Aufgabe ist auch die Wahrung der Verkehrssicherheit.

Anwohner fühlen sich nicht nur gestört, sie sprechen auch von realer Gefährdung

Die Neiddebatte, die Schiemer anspricht, richtet sich wohl unter anderem an Sonja Strahl, Ratsmitglied für „Die Partei“. Sie hatte auf ihrer Facebookseite unter anderem gefragt, ob Mülheim Politik für die Bürger oder für Individualisten mit dem richtigen Parteibuch mache, und so für alle Mülheimer zukünftig der noch freie Blick ins Ruhrtal durch ein Gitternetz verschandelt würde, weil ein einzelner Anwohner es so wolle.

Dass ein „edler Spender“ die Kosten für die baulichen Maßnahmen übernehmen würde, habe schon „ein gewisses Geschmäckle“, heißt es auch in einem Leserbrief. „Gestaltungsvorschlag, Prüfung durch die Bauaufsicht und Aussicht auf Baugenehmigung - dass das wie am Schnürchen läuft, lässt befürchten, dass mithilfe Mülheimer Klüngels schnell vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen,“ ärgert sich die Leserin über den Eindruck, den das gesamte Prozedere auf sie macht.

Spaziergänger genießen die Aussicht oberhalb der ehemaligen Jugendherberge in Mülheim. Der freie Blick auf das Ruhrtal soll unbedingt erhalten bleiben, wünschen sich die Bürger.
Spaziergänger genießen die Aussicht oberhalb der ehemaligen Jugendherberge in Mülheim. Der freie Blick auf das Ruhrtal soll unbedingt erhalten bleiben, wünschen sich die Bürger. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Dies bestreitet Hansgeorg Schiemer entschieden. „Derjenige, der wohl gemeint ist, wohnt nicht mehr dort“, so Schiemer. „Wir sind den Bürgern verpflichtet, und wenn dort für die Bewohner durch herabfallende Gegenstände eine Gefahr besteht, müssen wir das ernst nehmen.“ Auch die Bewohner selbst äußern sich erstmals in einem Schreiben, das der Redaktion vorliegt. Sie sprechen von Störungen, die ständig und auch nachts vorkommen und auch die Gefährdung sei real. Sowohl für die Anwohner als auch für auf der Brüstung sitzende und Alkohol trinkende Personen bedeute dies Lebensgefahr. Für viele Spaziergänger eine Argumentation, die sie nur zum Teil verstehen können.

„Das Geländer ist doch so hoch, dass dort eigentlich keiner runterfallen kann“, meint Daniela Bauer, die regelmäßig beim Joggen mit ihrem Mischlingshund an der Aussichtsplattform vorbeikommt. „Dass auf den Terrassen der Anwohner Flaschen und anderer Müll landet, ist natürlich nicht so schön, und da kann ich die Ängste schon ein bisschen verstehen.“ Dennoch lehnt auch sie ein Stahlnetz, das den Blick verbaut, ab. Es müsse doch, so die junge Mülheimerin, eine Lösung geben, die für Spaziergänger nicht direkt sichtbar und störend sei, die Anwohner aber dennoch vor herabfallenden Gegenständen schütze.

Die Mülheimer Grünen lehnen eine Pergola auf der Plattform ab

Dahingehend hat sich nun auch Steffen Tost, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, zu Wort gemeldet. „Die vorgeschlagene Lösung, dort eine Pergola zu bauen, wurde von uns abgelehnt. Über die zweite Vorlage müssen wir noch beraten. Unsere bevorzugte Lösung wäre ein Schutz unterhalb der Plattform.“ In dem gemeinsamen Antrag von CDU und Grüne vom 25. März hat es geheißen: „Die Bezirksvertretung 1 beauftragt die Verwaltung, ein Konzept zur Neugestaltung der Aussichtsplattform oberhalb der ehemaligen Jugendherberge (mit Finanzierungsvorschlag) vorzulegen. Dabei sollten die Gestaltungsvarianten A (Pergola), B (Erklärungstafel auch als Distanz-Schutz) und C (Schutz-Hochzaun unterhalb der Aussichtsplattform/Baumpflanzungen) auf ihre Machbarkeit hin geprüft werden.“

Die nun von der Verwaltung vorgelegte Beschlussvorschlag, so BV-Fraktionsvorsitzender Schiemer (CDU), müsse nun in der Sitzung der Bezirksvertretung am 31. Mai diskutiert werden. „Ich hoffe, dass wir eine Lösung finden, mit der viele Menschen in Mülheim leben können.“