Mülheim. In manchen Mülheimer Hotels ist die Auslastung auf unter zehn Prozent gefallen. Laut Statistik waren 2020 rund 55 Prozent weniger Gäste vor Ort.

Die Corona-Pandemie hat den Hoteliers in Mülheim das Geschäft 2020 gründlich verhagelt: Laut aktuellen Daten des Statistischen Landesamtes kamen im vergangenen Jahr fast 55 Prozent weniger Gäste in die Ruhrstadt. Für 2019 weist die Beherbergungsstatistik 104.750 Übernachtungen aus, in 2020 waren es gerade noch 47.522. „Das Gastgewerbe erlebt eine historisch einmalige Krise, die die Beschäftigten mit voller Wucht trifft“, so Adnan Kandemir, Gewerkschaftssekretär der NGG-Region Ruhrgebiet.

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Spricht man Best-Western-Hoteldirektor Moncef Mahmoudi auf die aktuelle Situation an, ringt er um Fassung. Es reiche nicht, die Lage mit „dramatisch“ zu beschreiben, sie sei „superdramatisch“. Belegung und Umsatz seien stadtweit mindestens um 85 Prozent zurückgegangen. „Nur die besten von uns kommen noch auf 15 Prozent. Und wir wissen überhaupt nicht, wie es weitergeht.“

Mülheimer Hotels in der Corona-Krise: Überleben nur noch wenige Monate gesichert

Bis Mitte März 2020 seien die Zahlen gut gewesen, dann kam der Einbruch. Er habe Personal abgebaut, erzählt Mahmoudi, und an allen Ecken und Enden gespart. Schwierig wurde es trotzdem. 51 Zimmer hat seine Herberge im Forum, aber kaum einer checkt noch ein. Erlaubt sind Geschäftsreisen, doch viele bleiben im Homeoffice oder sind in Kurzarbeit.

Und auch für 2021 sind schon alle Tagungen, Messen und andere Veranstaltungen abgesagt. „Von Montag bis Donnerstag haben wir vielleicht noch elf oder zwölf Zimmer vermietet, am Wochenende sind es ein bis zwei.“ Noch halte er sich, auch wegen der staatlichen Hilfe, über Wasser. Ein, zwei Monate, schätzt Mahmoudi, sei das Überleben des Hotels noch gesichert – und dann? „Ich habe Angst, diese Frage zu beantworten. Ich habe schon Angst, nur an sie zu denken.“

„Gäste aus dem Ausland haben wir fast gar nicht mehr“

Besucher verweilten im Schnitt 2,1 Tage in der Stadt

„Sowohl die Zahl der Gäste als auch die der Übernachtungen im NRW-Tourismus fielen im Jahr 2020 auf ein historisches Tief“, schreibt das Statistische Landesamt, das viele Daten ausgewertet hat.

Ein weiterer ernüchternder Fakt für die Hoteliers: Laut Behörde waren 2019 noch 16.154 Ausländer zu Gast in den Mülheimer Hotels. 2020 zählte man dagegen nur noch 6058, macht ein Minus von 62,5 Prozent.

Die Besucher Mülheims verweilten 2020 im Schnitt 2,1 Tage in der Stadt (2019 waren es 1,9). Alle Übernachtungen zusammen addierten sich auf 102.013 (2019 waren es 199.213).

Zehn Prozent Auslastung: Mehr geht zurzeit nicht. Das weiß auch die Leitung eines anderen Mülheimer Hotels, die namentlich nicht genannt werden möchte. In den ersten drei Werktagen der Woche seien noch einige Gäste in der Stadt, danach herrscht tote Hose. „Und Gäste aus dem Ausland haben wir gar nicht mehr.“ Das sei bis vor zwölf Monaten ganz anders gewesen.

Für derart wenige Menschen müsse man „einen Riesenaufwand“ betreiben. Pacht, Strom, Wartungen, all das sei zu bezahlen. „Selbst für ein leerstehendes Haus fallen hohe Kosten an. Hätten wir vorher gewusst, wie lang das alles dauert, hätten wir vielleicht ein halbes Jahr zugemacht.“ Auch der Blick in die Zukunft ist wenig rosig: „Wir werden garantiert noch zwei harte Jahre haben.“

Abhilfe schaffen kann einzig das zügige Impfen der Bevölkerung

Abhilfe schaffen kann einzig das zügige Impfen der Bevölkerung, glaubt Claudia Thiesmann, Chefin von Hotel Thiesmann an der Dimbeck. „Nur so kriegen wir das in den Griff.“ Im Februar sei ihr Haus mit 44 Zimmern – zehn davon kürzlich runderneuert – gerade noch zu 8,3 Prozent belegt gewesen. 2020 musste sie einen Umsatzverlust von mindestens 80 Prozent hinnehmen. Die Leere im Hotel sei schwer auszuhalten: „Es macht mich traurig, es geht ans Gemüt.“ Der Alltag fühle sich oft an wie: „Man macht und tut – aber keiner will es haben. . .“

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Zum Glück sei sie „Optimistin“, sagt Thiesmann. Sie glaubt nach wie vor, dass sie die Krise überstehen wird. Was die Politiker sagen, mag sie allerdings kaum mehr anhören. „Ich muss ja doch alles hinnehmen, was kommt.“ Sie versteht nicht, dass ihre Branche „so stark beschnitten“ wird; „im Supermarkt steckst du dich viel schneller an als bei uns“. Ein wenig Geld bringt das Außer-Haus-Geschäft des Restaurants ein. Dass sie dort noch Kontakt zu Gästen hat, ist gut. „Ich liebe meinen Job, ich brauche die Arbeit.“

Thiesmann soll ein Businesshotel bleiben

An den Preisen für ihre Zimmer hält Thiesmann fest, obwohl sie weiß, „dass Low-Budget-Betriebe besser dastehen“. Im Straßenbau gebe es viel zu tun und die Arbeiter, die oft von auswärts kommen und auf Mülheimer Baustellen eingesetzt werden, bräuchten ein günstiges Dach überm Kopf. Thiesmann aber hält an ihrer Ausrichtung als Businesshotel fest, „wir wollen da bleiben, wo wir sind, sonst fehlen uns später die Kunden“. Die Hotel-Chefin rechnet mit einer „Marktbereinigung“ nach der Krise, Hotels werden schließen.

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Christian Noertersheuser, Eigentümer vom Gartenhotel Luisental und vom Hotel Friederike, ist „zuversichtlich, dass bald wieder gute Geschäfte möglich sind“. Auch er habe einen „harten Einbruch“ der Zahlen erlebt. Es habe 2020 aber auch erfreuliche Phasen gegeben, zum Beispiel im Sommer, als viele Radler vom Ruhrtalradweg in seinen Häusern einkehrten. „Der August war bombig.“

Mit Rücklagen lassen sich ein, zwei schlechte Jahre überstehen, sagt der Hotelier

Wer vor der Pandemie Rücklage gebildet habe, könne „ein, zwei schlechte Jahre“ überstehen, glaubt der Hotelier. Doch es könne in den kommenden Monaten noch heftig werden. Er denke dabei nicht nur an seine Zunft, sondern zum Beispiel auch an Gastwirte. „Wenn wir weniger Gäste haben, haben auch die Lokale weniger zu tun.“ Dass in Deutschland nur schleppend geimpft wird, missfällt ihm. Man müsse jetzt alle Bedenken beiseite schieben und die Bevölkerung schnell versorgen. „Dann sind Lockerungen möglich. Und dann können wir Selbstständigen endlich wieder richtig arbeiten.“