Mülheim. Der Mülheimer Hotelbranche geht es so schlecht wie noch nie, klagen Branchenkenner. Warum manches an der Hotel-Krise auch hausgemacht ist.

Längst geht es in der Mülheimer Hotelbranche nicht mehr um Gewinne, „sondern nur noch um Verlustminimierung“, bestätigt der Mülheimer Best-Western-Hoteldirektor Moncef Mahmoudi stellvertretend für viele Hoteliers. Auslastungen von gerade einmal zehn oder sogar nur fünf Prozent der Zimmer musste die Branche seit März verkraften. Inzwischen zählt nur noch eines, fasst Mahmoudi nach: „Überleben. Wer etwas anderes sagt, lügt.“

Mancher Hotelinhaber will vielleicht deshalb erst gar nicht öffentlich darüber reden: „Wir möchten uns nicht beteiligen“, heißt es auf Anfrage der Redaktion kurz und höflich am Telefon. Die Dramatik ist angebracht: Denn gut 80 Prozent ihres Geschäfts machen Mülheimer Hotelbesitzer mit Business-Reisen und Messebesuchern. Tourismus spielt kaum eine Rolle. Doch Messen und Reisen sind aktuell und bis auf weiteres passé. Corona hat in beiden Fällen dicke Striche durch die Rechnung gemacht.

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Corona-Reiserestriktionen: Die Unsicherheit bei Geschäftsreisenden ist groß

Und das wenigstens bis ins kommende Frühjahr hinein, denn eigentlich würden jetzt die Buchungen für die Messen zum Jahresbeginn einlaufen, sagt Claudia Thiesmann, die ihr Hotel als Familienbetrieb in der vierten Generation führt: „Es ist ein Trauerspiel, dabei strampeln wir uns ab.“ Die Leitungen aber stehen still, denn die Unsicherheit bei Geschäftsreisenden ist bereits groß und nun umso größer, seit aktuell die Infektionszahlen landes- und bundesweit gestiegen sind. Und damit auch die Reiserestriktionen.

45 bis 55 Prozent durchschnittliche Zimmerauslastung bräuchte Thiesmann als Hotel im gehobenen Bereich für einen gesunden Betrieb. Mit sogar 60 bis 80 Prozent Auslastung war bis zur Corona-Pandemie das mittelpreisige B&B-Hotel geradezu verwöhnt. Hier kommen Geschäftsleute, aber auch Freizeit- und Radtouristen unter.

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Schlagartig brach die Nachfrage Mitte März auf fünf Prozent ein, schildert Hotelier Tanja Rosenbaum. Bessere Monate mit 48 und 30 Prozent erlebte sie erst wieder im September und Oktober: „Es ist schlimm, aber man kann nichts tun außer positiv zu denken.“

Für manche Hotels wie Thiesmanns hat der Restaurantbetrieb die Kosten zum Teil abgefangen. Die Branche fischt weiter nach Lösungen: Hotelräume als Büros, Radtourismus – „jede Biene sticht, das hat meine Oma immer gesagt“, meint die Unternehmerin.

Branche kritisiert: Mülheim hat sich als Kongressstadt nicht etablieren können

Das Grauen für Hotels heißt „Digitalisierung“

Ob die Zukunft besser wird? Wie lange man durchhält, will niemand aus der Branche prognostizieren, das gliche einem Abgesang. Doch es wird nicht nur daran liegen, wann Messen und Business-Reisen wieder stattfinden werden, sondern wie.

Manchem graut es vor der Digitalisierung, die Corona nun angestoßen hat, denn sie könnte einen Trend anstoßen, die Präsenzmessen ersetzen zu wollen. Schon die aktuelle Frankfurter Buchmesse hat Bereiche digitalisiert – noch aus der Not heraus.

Doch wann wird daraus eine ,Tugend’? Best-Western-Hoteldirektor Moncef Mahmoudi vermutet, dass Messemacher und Unternehmen „Blut geleckt“ haben, Reise- und Präsenskosten durch Digitalisierung einsparen zu können. „Für uns Hoteliers wäre eine Virtualisierung von Messen der KO-Schlag. Dann können sie uns vergessen.“

Und doch reicht das nicht aus in einer Stadt, die es nicht schafft, mit ihrer Innenstadt, aber ebenso wenig mit idyllischer Ruhr-Natur und touristisch zentraler Lage etwa zum Niederrhein und ins Bergische zu punkten. „Was sollen die Leute denn in Mülheim?“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Oder gar als Kongressstadt. Die Hoffnung, dass die Stadthalle sich auf dem Gebiet so stark entwickle, dass auch die Hotelbranche gestärkt werde, habe sich für einige nicht erfüllt. Und gerade aktuell noch weniger. Von „massiven Einbrüchen“ bei Veranstaltungen und Kongressen in Corona-Zeiten spricht Marc Baloniak, Tourismusleiter beim Mülheimer Stadtmarketing (MST). Doch auch ein Stadtmarketing könne die auf Geschäftsleute angewiesenen Hotels nicht retten, meint Baloniak, trotz aller Sorge, dass manche die Pandemie nicht überstehen könnten: „Das wäre für den Standort schlecht.“

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Das Stadtmarketing allerdings hatte seit Jahren mehr Hotels gefordert und noch Anfang 2019 mit dem Neubau des Holiday Inn Express im Stadtquartier mehr Zimmer begrüßt und propagiert. Mit dem dann größten Hotel der Stadt, versprach MST-Chefin Inge Kammerichs damals, sei im Kongressgeschäft der MST sicher noch einiges mehr möglich, eine stärkere Präsenz Mülheims gar auf nationaler Ebene drin.

Mancher blickt neidisch auf Oberhausen

Wie hausgemacht ist damit die Hotelkrise? Mancher schaut mit Neid nach Oberhausen, wo das Centro mit Arena, Gasometer, Sealife, Aquapark und Musicals lange Zeit ein starker Magnet für „Touris“ gewesen ist – besonders am Wochenende. „Die machen immer was Neues“, wünscht sich mancher Mülheimer Hotelier so etwas anerkennend auch in der eigenen Stadt.

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Und bislang fiel auch immer etwas an Zimmerbuchungen für sie ab. Oberhausen aber sei inzwischen gewachsen, habe seine Zimmerzahl nahezu verdoppelt, sagt Mahmoudi. Und kannibalisiere gerade seine eigene Branche. Zu viele Hotels sieht mancher deshalb auch in Mülheim, wo nun das hohe Angebot mit auf die Branche drückt – „die Vorstellung, dass wir hier noch mehr Hotels benötigen, hat nur MST-Chefin Inge Kammerichs“, winkt Claudia Thiesmann ab.