Mülheim. Nur etwa die Hälfte der Pflegekräfte in Mülheim möchte sich momentan gegen Corona impfen lassen. Offenbar herrscht große Unsicherheit.
Der Start der Corona-Impfungen am Sonntag nach Weihnachten wurde vielerorts mit Freude und Erleichterung aufgenommen. Es gab aber aus mehreren Städten auch eine irritierende Nachricht: Bestenfalls die Hälfte der Pflegekräfte in den Altenheimen hat sich impfen lassen.
Dies gilt auch für Mülheim, wo mobile Impfteams in den katholischen Seniorenstiften St. Christophorus und Hildegardishaus unterwegs waren, darunter Hausarzt Dr. Stephan von Lackum, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Mülheim. "Viel zu wenig", so lautete sein Kommentar zur Impfbereitschaft des Pflegepersonals. "Schade" sei das.
Auf Nachfrage vermutet von Lackum, viele Altenheim-Mitarbeiter hätten mehr Angst vor der Impfung als vor einer Infektion. "Manche sehen sich wohl selber nicht in einer Risikogruppe, weil sie jung sind und jüngere Menschen oft nur einen milden Verlauf haben. Sie können es aber auf die Senioren übertragen." Da es keine Impfpflicht gibt, müsse man diese Entscheidung akzeptieren, so der Arzt. Die mobilen Teams hätten auch noch immer einige Rationen für Kurzentschlossene in Reserve.
Altenheim-Leiterin: Auch Pflegekräfte sind nicht immer gesund und "impffähig"
Weniger kritisch sieht es Jennifer Lützenburg, Einrichtungsleiterin sowohl im St. Christophorus als auch im Franziskushaus, wo die Impfaktion am 30. Dezember ansteht. Sie sagt über ihr Team im Seniorenstift St. Christophorus: "Alle, die im Dienst waren - insgesamt rund 65 Prozent der Mitarbeitenden - haben sich impfen lassen." Auch Pflegekräfte seien nicht immer alle gesund und „impffähig“ – so gebe es individuelle Grunderkrankungen oder akute Infekte, die einer Corona-Impfung im Wege stehen. Auch im Franziskushaus "will sich eine hohe Anzahl an Mitarbeitenden impfen lassen", berichtet Lützenburg.
Die nächsten Impfungen mit insgesamt 740 Rationen sollen am 30. Dezember stattfinden. Welche Altenheime jeweils an der Reihe sind, wird nach einer Prioritätenliste in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt und der städtischen Heimaufsicht festgelegt. Begonnen wird in Einrichtungen, "die ganz oder fast Covid-19-frei sind", erläutert Stephan von Lackum. In Häusern zu impfen, wo es akute Corona-Infektionen gibt, sei zu riskant für das Impfteam, zu dem ja auch viele Freiwillige gehören. Von Lackum gibt zu bedenken, dass er am Sonntag von einem pensionierten Mediziner begleitet wurde, der selber schon Ende 70 ist.
In fünf Seniorenheimen sind am 30. Dezember Impfungen geplant
Am Mittwoch soll es weitergehen im Wohn- und Pflegezentrum Mülheim (dem früheren Bonifatius-Haus), in der Alloheim-Seniorenresidenz „Stadtquartier Schloßstraße“, im Seniorenstift Franziskushaus und in den städtischen Einrichtungen Haus Auf dem Bruch und Haus Kuhlendahl. So jedenfalls der Planungsstand von Montagmittag. Ursprünglich war laut von Lackum auch eine Impfung im Fliedner-Seniorenheim "Wohnen im Alter" angesetzt. Doch das Haus stehe nach einem erneuten Corona-Ausbruch derzeit unter Quarantäne.
Im Vorfeld wird in den Einrichtungen abgefragt, wer sich impfen lassen möchte, und erneut zeigt sich ein ähnliches Bild wie bereits am Sonntag: "Bei den Bewohnern liegt die Quote fast bei 100 Prozent", erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels, "bei den Mitarbeitern dagegen teilweise unter 50 Prozent."
Nach Einschätzung von Alexander Keppers, Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste, geht es vielen Pflegekräften einfach zu schnell. "Es gibt noch sehr wenige Informationen über den Impfstoff, daher herrscht große Unsicherheit." Er vermutet, wenn die ersten Kollegen und die Bewohner die Impfung gut vertragen haben, werde sich diese Haltung ändern.
Impfstart für die Über-80-Jährigen wird rechtzeitig bekannt gegeben
Wer als Pflegekraft arbeitet oder zum medizinischen Personal zählt, kann sich auch später noch vorrangig impfen lassen, wenn die Impfzentren eröffnen. In Mülheim wird es auf dem Tengelmann-Gelände aber frühestens Ende Januar losgehen. Dann werden auch die Über-80-Jährigen an die Reihe kommen. Der genaue organisatorische Ablauf stehe noch nicht fest, so Stephan von Lackum, werde aber rechtzeitig über die Medien bekannt gegeben.
Erst dann werden über die Nummer der Kassenärztlichen Vereinigung (116 117) Termine vergeben und den betreffenden Personen die notwendigen Unterlagen zugeschickt, die auch einen QR-Code enthalten. Vor Ort im Impfzentrum müssen die Seniorinnen und Senioren dann nachweisen, dass sie tatsächlich über 80 sind. Auch Pflegebedürftige, die zu Hause leben, werden dann geimpft. Organisiert werden soll dies über die ambulanten Dienste.
Einrichtungsleiterin Jennifer Lützenburg kann nur an alle appellieren: "Lassen Sie sich impfen – ich hab's auch getan, es war gar nicht schlimm!“