Mülheim. Gruppenvergewaltigung, Korruptionsvorwürfe, fahrlässige Tötung einer 18-jährigen Mülheimerin: Das waren die bewegendsten Prozesse 2020.

​Es waren erschütternde Straftaten und ebenso bewegende Prozesse. In diesem Jahr wurden unter anderem die Gruppenvergewaltigung an einer jungen Frau verhandelt, die fahrlässige Tötung einer 18-jährigen Mülheimerin auf der A52 sowie der Wurf einer Hündin von der Brücke in die Ruhr. Ein Überblick.

Prozess nach Gruppenvergewaltigung: Jugendstrafen für drei Jungen

Es ist ein lauer Sommerabend im Juli, als fünf Jugendliche zwischen zwölf und 14 Jahren ein 18-jähriges Mädchen in einem Gebüsch vergewaltigen. Schnell werden die Jungen von der Polizei gefasst, der Haupttäter, der kurz danach 15 Jahre alt wurde, sitzt anschließend Monate in U-Haft.

Auch interessant

Im Frühling dann der Prozess: Die beiden jüngeren Täter sind nicht strafmündig, drei Jugendliche sitzen auf der Anklagebank. Ihre Verteidigung behauptet, der Sex sei einvernehmlich gewesen. Das sieht das Gericht in seinem Urteil letztlich anders: Der Haupttäter wird zu zwei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt, die beiden 14-Jährigen kommen mit Bewährung davon: jeweils ein Jahr und sechs Monate. Zusätzlich müssen sie vier Wochen in den Dauerarrest.

Hündin von der Brücke geworfen: Mann zu Haftstrafe verurteilt

Zwei Passanten trauen ihren Augen kaum, als sie am Abend des 29. Dezember 2018 einen Mann auf der Schloßbrücke in der Mülheimer Innenstadt beobachten: Er entfernt einem kleinen Vierbeiner das Halsband, nimmt den Hund auf den Arm und wirft ihn über das Geländer in das eiskalte Wasser der Ruhr. Das Tier stirbt weil es sich beim Aufprall auf das Wasser schwere innere Verletzungen zuzieht. Der Täter, ein 59-jähriger Mülheimer, wird im Juli zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Auch interessant

Der Tod der Hündin hatte immense Reaktionen ausgelöst, vor allem bei Facebook. Anfang Januar 2019 sucht die Polizei mit Bildern der Hündin nach ihrem Halter – und fasst ihn wenige Tage später. Der Mann wird bedroht und auf der Brücke legen Mülheimer Blumen nieder und zünden Kerzen an.

Prozess wegen fahrlässiger Tötung der 18-jährigen Gina Pfeiffer

Auf dem Bild, das ihre Mutter unserer Redaktion zur Verfügung gestellt hat, lächelt Gina Pfeiffer fröhlich in die Kamera. Die 18-Jährige stirbt bei einem Autounfall auf der A52 im Frühjahr 2019. Ein 24-jähriger Essener steuert den McLaren 570 S Coupe, auf dessen Beifahrersitz Gina sitzt. Der junge Mann verliert die Kontrolle über das Fahrzeug, steuert zunächst auf die linke Betonabsperrung zu, touchiert sie, schleudert dann nach rechts, schießt unter der Leitplanke durch, die Böschung hinunter vor einen Baum. Er bleibt nahezu unverletzt, Gina stirbt.

Auch interessant

Im August fällt das Urteil gegen ihn: 14 Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro sowie 500 Arbeitsstunden. Während der Angeklagte von einem technischen Defekt spricht, wirft die Staatsanwältin ihm einen Fahrfehler vor. Die Mutter der Getöteten äußert sich nach dem Urteil zufrieden. „Ich bin erleichtert und sehr froh, dass er jetzt zwei Jahre hat, um zu sehen, was er getan hat.“

Missbrauch eines Achtjährigen – vier Jahre Haft

Er war ein Freund der Familie: Ein 31-jähriger Mülheimer, ehemaliger Feuerwehrmann, missbrauchte einen Achtjährigen. Das Gericht verurteilt ihn im Juni zu einer vierjährigen Haftstrafe.Zunächst spielerisch habe der Angeklagte das Kind zu sexuellen Handlungen veranlasst, es so dazu gebracht, sich nackt auszuziehen und es zu dulden, dass auch der 31-Jährige sich auszog. Dann habe der Angeklagte das Kind auf verschiedene Weise missbraucht.

Auch interessant

Auf den 31-Jährigen kommen auch schwerwiegende dienstrechtliche Konsequenzen zu: Denn gemäß Beamtenrecht bedeutet eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe automatisch die Entfernung aus dem Dienst und den Verlust der bislang erworbenen Pensionsansprüche.

Mitarbeiter des Autonomen Zentrums angeklagt

Mit Freispruch für eine der beiden Angeklagten des Autonomen Zentrums (AZ) endet ein sechsstündiger Gerichtsmarathon im August – und einem halben. Denn die Maßnahmen der Polizei bei ihrem Einsatz im AZ am 8. Juni 2019, bei der die Beamten mit körperlicher Gewalt die Personalausweise von mehreren AZ-Mitarbeitern einholten, waren in beiden Fällen rechtswidrig.

Auch interessant

Gegen beide Mitarbeiter hatte die Polizei unter anderem wegen Widerstands gegen die Beamten, Versuch der Körperverletzung und Beleidigung Strafanzeige erstattet. Doch in dem wendungsreichen Verfahren kommen nicht nur die Verteidiger, sondern auch die Richterin zum Schluss: „Das hätte so nicht durchgesetzt werden dürfen. Die Maßnahmen der Polizei waren rechtswidrig.“ Übrig von der Anklage bleibt nur in einem Fall die mutmaßliche Beleidigung eines Beamten als „Bullenschwein“ sowie das mutmaßliche Bespucken eines Beamten.

Korruptionsvorwürfe gegen Heinz Rinas: Am Ende bleibt wenig davon übrig

20 Verhandlungstage und rund 50 Zeugenbefragungen hat es seit dem Verhandlungsauftakt im März vor dem Landgericht Duisburg gegeben. Ende Oktober fällt gut sieben Jahre nach der unrühmlichen Entlassung des ehemaligen Chefs der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas, das Urteil. Von ursprünglich 128 Anklagepunkten blieb am Ende wenig übrig, von dem mutmaßlich ausgeprägten Korruptionsnetzwerk, das Rinas in seiner kurzen Zeit als Geschäftsführer der Seniorendienste laut Berichten der LKA-Ermittler aufgebaut haben soll, ist im Urteil nun gar keine Rede mehr, weil es an Beweisen mangelt.

Auch interessant

Letztlich verhängt die Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes eine achtmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen Rinas; aufgrund der langen Verfahrensdauer gelten drei Monate davon bereits als verbüßt.