Mülheim. Um Schulen und Kitas über den Corona-Winter zu retten, sollen sich Lehrer und Erzieher selbst testen dürfen. Apotheker würden sich freuen.
Die Corona-Pandemie setzt das Kinderbetreuungs- und Bildungssystem unter Dauerstress. Am Donnerstag galten Quarantäneanordnungen für zwei Kitas in Mülheim, drei Grundschulen und acht weiterführende Schulen. Besonders betroffen ist momentan das Berufskolleg an der Lehnerstraße in Saarn, mit Quarantänen in acht verschiedenen Klassen. Mülheimer Schülervertreter haben sich kürzlich über gesundheitsgefährdende Bedingungen beklagt, die vorgezogenen Weihnachtsferien in ganz NRW sollen etwas Entspannung bringen.
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Jetzt geht das Bundesgesundheitsministerium mit einer neuen Verordnung in die Offensive: Lehrkräfte und Erzieher sollen selber Antigen-Tests bekommen und sich - nach vorheriger Schulung - auch eigenhändig testen dürfen. Wahlweise können die Städte Testpersonal in die Schulen und Kitas schicken. Dies gilt schon ab Freitag, 4. Dezember, und soll auch die Kinder schützen.
Stadt Mülheim: „Wir wissen offiziell von noch nichts“
Die Stadt Mülheim als Trägerin der Schulen und zahlreicher Kitas hat damit ab sofort einen weiteren Auftrag, eine Großbaustelle. Sie muss die Antigen-Tests für Lehrer und pädagogisches Personal zwar nicht finanzieren, aber organisieren, materiell und personell. Am Donnerstag, kurz vor der Sitzung des Corona-Krisenstabs, wirkte die Verwaltung vom Vorstoß des Bundesgesundheitsministers überrascht: „Bislang wissen wir offiziell von nichts, außer, dass die Verordnung angekündigt wurde“, erklärte Stadtsprecher Volker Wiebels nach Rücksprache mit dem Leiter des Gesundheitsamtes. Woher die Schnelltests kommen sollen - eine offene Frage.
Apotheker hat 100.000 Antigen-Tests auf Lager, die er loswerden will
Apotheker Patrick Marx und sicher viele seiner Branchenkollegen würden hier gerne weiterhelfen. „Ich habe 100.000 Stück auf Lager, die möchte ich gerne loswerden“, erklärt Marx, der drei Apotheken in Mülheim betreibt, eine in Oberhausen. „Im Moment ist die Abgabe aber beschränkt auf medizinisches Personal.“
Hunderte von Tests auf dem Markt
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt eine Liste aller Antigen-Tests, die derzeit in Deutschland vertrieben werden und die Mindestkriterien des Paul-Ehrlich-Instituts und Robert Koch-Instituts erfüllen.
Die Liste wird laufend aktualisiert und umfasst momentan (Stand vom 3. Dezember) 287 Produkte . Auch jede einzelne Gebrauchsanweisung findet man hier zum Download.
Allerdings werden nur Schnelltests aufgeführt, die Hersteller oder Vertreiber selber an das Bundesinstitut gemeldet haben. Auf dem Markt sind noch mehr.
Er würde den Kreis gerne erweitert sehen und ist generell ein großer Befürworter der Schnelltests: „Ich halte es für absolut sinnvoll, dass wir als Gesellschaft mit Antigen-Tests arbeiten, um schnell die asymptomatischen Infizierten rauszuziehen. Es gibt auch genügend Tests, was die Politik sagt, stimmt nicht.“ Die Anwendung, so Marx, sei „kein Hexenwerk“ und ohne weiteres praktikabel. Er selber habe sich mit Hilfe eines Videos geschult. Die Hersteller bieten diese Filme an.
Schnelltests im Altenheim in vielen Fällen fehlerhaft
In den Mülheimer Altenpflegeeinrichtungen sind die Schnelltests schon seit einigen Wochen im Einsatz. Hier hat sich allerdings auch gezeigt, dass es doch nicht so einfach funktioniert. Im evangelischen Wohnstift Raadt beispielsweise, das nach einem Corona-Ausbruch seit Samstag komplett unter Quarantäne steht, waren Schnelltests bei 104 Bewohnerinnen und Bewohnern durchgeführt worden. Ergebnis: 17 Senioren positiv getestet. Bei anschließenden PCR-Tests zur Kontrolle hat sich dann aber ergeben, dass wesentlich mehr Personen infiziert sind: 48 Bewohner und Mitarbeiter des Hauses.
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Das irritiert. Apotheker Marx räumt ein: „Bei den Antigen-Tests gibt es sehr große Qualitätsunterschiede.“ Das Ergebnis hänge immer von der momentanen Viruslast im Mund- und Rachenraum ab. Das gelte bei PCR-Tests aber genauso.
Gewerkschaft GEW: Kein Ersatz für ein Hygienekonzept
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die Antigen-Tests für Erzieher und Lehrer am Donnerstag grundsätzlich begrüßt, aber zugleich gemahnt: Sie seien kein Ersatz für ein Hygienekonzept. Der Vorstoß von Jens Spahn zeige, wie überlastet die Gesundheitsämter sind, wie ausgezehrt das Gesundheitswesen. Das gilt mit Sicherheit auch für die Stadt Mülheim.