Mülheim. Zwei Schüler des Mülheimer Gymnasiums Broich können keine Maske tragen. Sie sind vom Unterricht ausgeschlossen – ohne Recht auf Beschulung.

Kein Unterricht, keine Materialien, keine Klausuren: Zwei Schüler des Gymnasiums Broich sind derzeit vom Schulbetrieb ausgeschlossen. Der Grund: Sie können laut Attest keine Maske tragen. Allerdings reiche die Begründung des Arztes nicht aus, sagen Schulleitung und Bezirksregierung. Die beiden gelten somit als Maskenverweigerer . In einem Schreiben hat Schulleiterin Angela Huestegge der Elftklässlerin und ihrem Bruder, einem Neuntklässler, mitgeteilt: Sie werden vom Unterricht befreit, weil sie keine Make in der Schule tragen.

Mülheimer Schüler: Kein Recht auf Unterricht, auch nicht digital

Während „Unterrichtsbefreiung“ noch recht freundlich klingt, macht eine Sprecherin der Bezirksregierung klar, was das bedeutet: Das Kind wird nicht beschult, hat auch kein Anrecht auf Unterricht, auch nicht digital . „Die Nichtteilnahme am Unterricht ist in solchen Fällen als vorsätzliches Fehlen zu bewerten“, so die Sprecherin. Die Fehlzeiten gelten als unentschuldigte Stunden.

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Wie viele Schüler genau in Mülheim nicht zur Schule gehen, weil sie keine Maske tragen können oder sie verweigern, kann die Bezirksregierung als Schulaufsicht nicht beziffern. Die beiden Fälle am Gymnasium Broich belasteten die Schule, wie die Sprecherin übermittelt: „Die Sorge gilt den Betroffenen und welche Auswirkungen die Nichtteilnahme am Unterricht auf die schulische und persönliche Entwicklung haben könnten.“ Aufgrund der hohen aktuellen Belastung hat die Schulleitung die Pressearbeit an die Bezirksregierung abgegeben, möchte persönlich keine Stellung zu dem Thema nehmen.

Attest gegen Maskentragen: „Relevante Vorerkrankungen konkret bezeichnen“

Wohl aber die Mutter der betroffenen Kinder. Andrea Schneider* schildert ihr Dilemma: Sowohl sie als auch ihre beiden Kinder haben Atemwegserkrankungen. Das Tragen einer Maske über mehrere Stunden im Unterricht würde Luftnot, Panik und Kreislaufbeschwerden auslösen. Andrea Schneider hat ein ärztliches Attest sowohl für sich als auch für ihre Kinder. Allerdings sind dort keine medizinischen Gründe aufgeführt. Etwas, das laut Bezirksregierung aber nötig wäre, damit das Attest den Anforderungen entspricht.

Aus dem Attest müsse sich regelmäßig nachvollziehbar ergeben, „welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen“ entstünden, wenn die Kinder eine Maske in der Schule trügen. „Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, sind diese konkret zu bezeichnen.“ Grundlage für diese Anforderungen ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. September 2020.

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Der Arzt von Andrea Schneider allerdings hat ein Attest ohne Begründung ausgestellt – wie es in der Regel bei Attesten üblich ist. Eine Bescheinigung mit Diagnose wolle er nicht ausstellen. Bei den Ärzten gehe die Angst um, als Protegé von Maskenverweigerern und Corona-Leugnern zu gelten. Die ausführlichen Anforderungen an ein Attest, die die Bezirksregierung auf Anfrage dieser Zeitung dargelegt hat, seien der Mutter nie mitgeteilt worden. Sie beklagt fehlende Kommunikation – und dass ihren Kindern der Zugriff auf Schulmaterial verweigert wird.

Mutter wünscht sich, dass Kinder Zugang zu Schulmaterial bekommen

Kurz nach den Herbstferien habe es die mündliche Information seitens der Schulleitung geben, dass die Kinder das Gymnasium nicht mehr besuchen dürfen, wenn sie keine Maske tragen. „Ich habe gesagt, ich kümmere mich, und am nächsten Tag kam per Mail ein Schreiben, dass die Direktorin von ihrem Hausrecht Gebrauch mache: „Ab Montag dürfen Ihre Kinder nicht mehr ohne Maske am Unterricht teilnehmen, es sei denn, Sie erwirken bei mir eine Befreiung von der Maskenpflicht durch die Vorlage eines aussagekräftigen Attests“, heißt es in der Mail. Knapp zwei Wochen später folgt der Brief per Post, in dem die Befreiung vom Unterricht ab dem 10. November angekündigt wird.

Urteil des OVG

Zwei Schüler aus Bocholt wollten vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land NRW eine vorläufige Befreiung der Maskenpflicht erlangen. Beide hatten ein Attest vorgelegt, in dem die gesundheitlichen Gründe für die Befreiung allerdings nicht näher spezifiziert worden waren. Die Schulleitung erteilte keine Befreiung von der Maskenpflicht.

Den Eilantrag der Antragsteller dagegen lehnte das Verwaltungsgericht Münster ab. Die anschließende Beschwerde blieb erfolglos. Das OVG legte dar, dass „es grundsätzlich der Vorlage eines aktuellen ärztlichen Attests , das gewissen Mindestanforderungen genügen müsse“ bedürfe.

Vor den Ferien hätten die Kinder die Schule noch besucht – ohne Maske, aber mit Abstand zu den anderen Kindern. „Warum ist das jetzt nicht mehr möglich?“, fragt Andrea Schneider. Zumindest wünscht sie sich, dass ihre Kinder Zugang zu Arbeitsmaterialien erhalten, dass sie Klausuren schreiben dürfen.

Mülheimer Mutter: „Nicht jeder hat sein Attest erschlichen und erkauft“

Sie hat mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet. Doch weder auf dessen Briefe noch auf ihre Mails und Anrufe gebe es eine Reaktion. „Das finde ich unmöglich.“ Wobei indessen die Bezirksregierung mitteilt, dass sowohl Lehrkräfte als auch die Schulleitung „mehrfach telefonisch per Mail kommuniziert“ haben, sowohl mit den Kindern als auch mit der Mutter.

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Diese fühlt sich allerdings als Maskenverweigerin abgestempelt. Ja, es gebe Pandemie-Leugner, „aber davon bin ich weit entfernt. Nicht jeder hat sein Attest erschlichen und erkauft.“ Ihr Wunsch nach Kommunikation sei weiterhin groß, sagt sie. Sie möchte klären, „wie wir das hinkriegen, dass die Kinder nicht leiden und meiner Tochter nicht womöglich der Schulabschluss verwehrt bleibt“.

*Name geändert

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