Mülheim. Die Mülheimer Gustav-Heinemann-Schule hat Stationen zum Distanzlernen eingerichtet. Der Förderverein unterstützt, doch es fehlt weiter Technik.
Seine Schüler sehen Sascha Quade derzeit nur über den Bildschirm: Während seine Oberstufenklasse im obersten Stock der Gustav-Heinemann-Schule in Mülheim an Schreibtischen sitzt, spricht der Geografielehrer mit ihnen von seinem Arbeitszimmer aus. Die Gesamtschule hat drei Stationen zum Distanzunterricht eingerichtet; sie ermöglichen es auch Lehrern, die wegen Corona keine Präsenzarbeit leisten können, Kontakt zur ihren Schülern zu halten.
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Zu den Stationen gehören je ein Smart-Fernsehen, eine Webkamera, ein Mikrofon, ein LTE-Router und ein Rollwagen. Finanziert sind sie durch den Förderverein, für Schulleiter Thomas Ratz ein großes Glück. „Es ist wichtig, dass die Lehrer die Bindung zur Klasse halten können“, sagt er. Derzeit können acht Kollegen nicht in die Schule kommen, weil sie zur Risikogruppe gehören. Die neue technische Ausstattung ermöglicht es ihnen, trotzdem präsent zu sein – nur eben digital .
Digitaler Unterricht an Mülheimer Schule: „Schüler nicht aus dem Blick verlieren“
Während die Elftklässler bei Sascha Quade sich selbst organisieren können, braucht es allerdings bei den Unter- und Mittelstufenschülern für jede digitale Unterrichtsstunde noch eine weitere Lehrkraft, die vor Ort die Stunde begleitet, nicht nur wegen der Aufsichtspflicht, sondern auch, um Arbeitsmaterialien zu verteilen, um gegebenenfalls bei der Technik zu unterstützten. Das erfordert erhöhten personellen Aufwand, doch ist es das wert, meint Thomas Ratz, damit die Kollegen „die Schüler nicht aus dem Blick verlieren“.
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Anfangs habe eine gewisse Skepsis geherrscht, Sorge vor dem richtigen Bedienen der Technik. „Doch jetzt macht es den Kindern richtig Spaß“, sagt Stephan Lapp, Vorsitzender des Fördervereins, der selbst drei Kinder an der Schule hat. Und Thomas Ratz ergänzt: „Es ist ein Lernprozess, sowohl für Schüler als auch für die Lehrer.“
Zu wenige digitale Geräte für Schüler, gar keine für Lehrer
Diese Möglichkeit, nach acht Monaten Corona-Zeit sich zumindest virtuell wieder zu begegnen – ohne den Förderverein wäre sie nicht gegeben. Thomas Ratz will keine Vorwürfe gegenüber der Stadt formulieren, doch die Prozesse bei der Kommune, beim Land haken . Ebenso bei den Endgeräten: Die versprochene Ausstattung für Lehrer ist noch nicht in Sicht und auch kaum Schüler halten bislang Laptops oder Tablets in den Händen.
Auch hier hat der Förderverein unterstützt: 20 Laptops hat er angeschafft für bedürftige Schüler, die über kein Endgerät verfügen. Müssen sie in Quarantäne, haben sie so die Möglichkeit, auf die digitalen Arbeitsmaterialien zuzugreifen. Bei aller Dankbarkeit sei dies trotzdem „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Thomas Ratz. Rund zehn Prozent seiner etwa 1600 Schüler gehöre zu ebenjenen, die zu Hause keinen Zugang zu der nötigen Technik haben. „Und wenn wir von Chancengleichheit sprechen, müsste man ihnen eigentlich auch ein Datenvolumen zur Verfügung stellen“, sagt der Schulleiter.
Gut 100 Schüler der Gustav-Heinemann-Schule in Quarantäne
400 Tablets hatte die Stadt kürzlich geliefert bekommen – damit sind lange nicht alle Bedürfnisse der 22 Grundschulen und 15 weiterführenden Schulen abgedeckt. Aufwändige Ausschreibungen und langwierige Lieferprozesse erschweren eine zügige Anschaffung weiterer Geräte.
Neue Stelle für Digitales
Die Gustav-Heinemann-Schule hat eine neue Studiendirektor-Stelle für digitales Arbeiten eingerichtet. So sollen Lehrer und Schüler im digitalen Prozess unterstützt werden.
„Wir haben viele junge Kollegen, die daran mitarbeiten“, sagt Thomas Ratz. Allerdings arbeiten sie alle auch an ihren privaten Geräten . Der Schulleiter appelliert an Firmen und andere mögliche Sponsoren: „Die Schulen sind der richtige Ort, um zu unterstützen.“
An der Gustav-Heinemann-Schule befinden derzeit gut 100 Schüler in Quarantäne. Das Positive: In der Schule scheint sich kaum jemand anzustecken. Die Infektionen bleiben Einzelfälle, die aus den Familien hereingetragen wurden; sie verbreiten sich bislang nicht weiter im Schulgeschehen. Doch klar ist auch, sagt Schulleiter Ratz: „Von ruhigem, pädagogischem Arbeiten ist derzeit keine Rede.“