Beim Besuch des NRW-Innenministers in Mülheim ging es nicht um die jüngsten Skandale, nur um Einbruchsprävention. Zumindest im öffentlichen Teil.
Mülheim. Wenn NRW-Innenminister Herbert Reul und der für Essen und Mülheim verantwortliche Polizeipräsident Frank Richter in diesen Tagen gemeinsam vor die Öffentlichkeit treten, hat wohl jeder die aktuellen Wirren um rechtsextreme Chats und die Suspendierung etlicher Beamter im Hinterkopf. Beim Ortstermin am Montagmorgen im Wohnhof Fünte ging es aber um ein anderes Thema: Wohnungseinbrüche, und wie man sie wirksam verhindert.
Reuls Besuch in Mülheim fand statt im Rahmen der alljährlichen Aktionswoche „Riegel vor! Sicher ist sicherer“, mit der die Polizei über Kriminalitäts- und Einbruchsprävention informiert. Traditionell findet diese Kampagne zu Beginn der dunklen Jahreszeit statt. Erstmals gestartet wurde sie im Jahr 2013, als Wohnungseinbrüche noch wesentlich häufiger vorkamen. Aber immer noch gehören sie zum Alltag, wie auch der Einbruchsradar verdeutlicht, den die Polizei für jede Stadt erstellt und wöchentlich aktualisiert.
Minister war selber schon Opfer von Einbrechern – sie stahlen Opas goldene Uhr
Der Innenminister war selber vor Jahren einmal Opfer krimineller Gäste, wie er bei seiner Visite in Mülheim erzählte. „Natürlich haben die Einbrecher bei uns nichts Wertvolles gefunden, aber sie haben eine goldene Uhr vom Opa gestohlen, die meine Mutter ihrem ältesten Sohn übergeben hatte. Und das nervt mich bis heute“, so Reul. Daher wisse er auch, was trotz Versicherungsschutz für die Betroffenen das Dramatischste ist: Dass Fremde im eigenen Zuhause herumlaufen, dass sie sehr private Sachen mitnehmen.
Immer weniger Wohnungseinbrüche
Die Zahl der Wohnungseinbrüche in Mülheim geht seit Jahren zurück. 2019 wurden insgesamt 312 Fälle registriert, 2018 waren es 442. Zum Vergleich: 2015 wurde noch 774 Mal in Mülheimer Wohnungen und Häuser eingebrochen.
Die Chancen, dass die Täter geschnappt werden, sind allerdings minimal. Die Aufklärungsquote lag in diesem Bereich zuletzt nur bei sieben Prozent.
Hinzu kommt, dass die Täter fast nie erwischt werden. Gute Gründe also, die Häuser und Wohnungen optimal zu sichern. Denn obwohl die Corona-Pandemie bislang zu einem massiven Rückgang der Einbrüche geführt hat, rechnet die Polizei damit, dass es jetzt im Herbst und Winter doch wieder kritischer wird.
Auch interessant
Dass der Wohnhof Fünte in den Blickpunkt rückt, hat mit dem besonderen Charakter der Anlage zu tun. Im kernsanierten ehemaligen Grundschulgebäude und angegliederten Neubau leben Menschen mit und ohne Behinderung in aktiver Nachbarschaft zusammen. Insgesamt 33 Appartements gibt es hier, einen Gemeinschaftsraum und ein Büro der Lebenshilfe, das rund um die Uhr besetzt ist. Entstanden ist das Projekt in Kooperation eines Vereins mit dem Mülheimer Wohnungsbau (MWB). Der Innenminister unternimmt einen Rundgang und äußert sich begeistert: „Toll. Einfach toll“, findet er das Ensemble am Fünter Weg, weil hier so viele verschiedene Facetten realisiert seien.
Nachbarschaft, Miteinander und Sicherheitsgefühl in der Wohnanlage
Und genau das führt zurück zum eigentlichen Thema: Einbruchsschutz. MWB-Vorstand Jürgen Steinmetz erläutert: „Wir setzen hier auf Nachbarschaft, Miteinander und Sicherheitsgefühl. Und hoffen, dass wir noch mehr solcher Anlagen bauen können.“ Polizeipräsident Frank Richter ergänzt, dass es seit rund drei Jahren einen Kooperationsvertrag mit MWB zu Sicherheitsfragen gibt. „Auch bei den Vorbereitungen für Neubauvorhaben wird die Polizei mit ins Boot genommen.“
Auch interessant
Der Wohnhof Fünte kann durchaus als Vorzeigeprojekt dienen. Nicht nur beim Einbau der Fenster und Türen wurde auf Einbruchssicherheit geachtet. Auch ist das Gelände gut ausgeleuchtet, nirgendwo steht hohes Gebüsch, und bei der Wegführung wurde darauf geachtet, dass sie sich Nachbarn aus dem Viertel als Abkürzung anbietet. Hier soll Leben herrschen, ebenso auf den teils lang zusammenhängenden Balkonen im Neubau.
Reul: Nicht weggucken, dann hat die Polizei weniger zu tun
All das hat den Minister augenscheinlich überzeugt: „Hier wird alles Mögliche getan, um den Menschen ein nachbarschaftliches Gefüge zu geben, wo sie aufeinander achten“, resümiert Reul. Und genau das ist aus seiner Sicht auch einer der wenigen positiven Effekte der Corona-Krise: „Die Menschen fühlen sich wieder verantwortlich füreinander. Wenn das zur allgemeinen Haltung wird, dass man nicht wegguckt, hat die Polizei weniger zu tun.“