Mülheim. Für Mülheims Haushalt rechnet Mendack mit einem hohen Defizit. Corona kostet Millionen an Steuern, sorgt aber auch für eine bequeme Ausnahme.

Der neue Stadtrat ist nach der Kommunalwahl noch nicht zusammengekommen, Mülheims Haushaltsnot sitzt den Kommunalpolitikern aber schon im Nacken. Um den Etat 2021 abzusichern, wird ihnen Kämmerer Frank Mendack direkt Opfer abverlangen müssen.

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Im Jahr 2023 muss Mülheim ohne Landesmillionen aus dem Stärkungspakt in der Lage sein, einen Haushalt ohne neues Defizit aufzustellen. Den Weg dorthin hatte Kämmerer Mendack mit rot-schwarz-grüner Unterstützung im Stadtrat vorgezeichnet. Für das Jahr 2019 stand am Ende erstmals seit vielen, vielen Jahren wieder eine schwarze Zahl am Ende der Bilanz.

38 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen brechen in Mülheim weg

Euphorie bricht deshalb aber noch lange nicht aus. Erstens ist nicht einmal eine Zwischenetappe genommen für das Ziel, das ÖPNV-Defizit bis 2023 strukturell um sieben Millionen Euro nach unten zu drücken. Zweitens reißt Corona ein riesiges Loch in die Stadtkasse.

Nach aktuellsten Zahlen aus der Kämmerei brechen alleine die Gewerbesteuereinnahmen um weitere knapp 38 Millionen Euro ein. Mit einer Erholung rechnet Mendack nicht so schnell. Ein Minus gibt es auch bei den Gemeindeanteilen an Einkommens- und Umsatzsteuer.

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Für 2020 rechnet Kämmerer Mendack mit einem Minus von 25 Millionen Euro

Zwar finanziert der Bund mittlerweile mehr der Kosten, die der Stadt für die Wohnkosten sozial schwacher Menschen entstehen (rund 14 Millionen mehr). Auch fließt in diesem Jahr etwa in annähernd gleicher Höhe vom Land eine Sonderausschüttung aus dem Stärkungspakt nach Mülheim und werden Bund und Land die Gewerbesteuerausfälle durch eine Sonderzahlung in Höhe von acht Millionen Euro abmildern. Doch gerade Letzteres ist laut Mendack nicht auskömmlich, um am Ende des Jahres erneut die schwarze Null stehen zu haben. Aktuell rechnet er daher mit einem Defizit in Höhe von 25 Millionen Euro.

Und doch gibt es einen Kniff, um die Stärkungspakt-Kommune Mülheim am Ende dieses Haushaltsjahres nicht in die Strafecke zu verbannen: Das Land ermöglicht es den Städten und Gemeinden, ihre Corona-Zusatzlasten im kommenden Jahresabschluss zu isolieren. Heißt: Der Kämmerer wird zwar bis zum Ende des Jahres die zusätzlichen Millionen außerplanmäßig auf Pump finanzieren müssen, Sanktionen durch die Finanzaufsicht der Bezirksregierung wird es deshalb aber nicht geben.

Mendack: Ohne Landeshilfe sind Vorgaben des Stärkungspaktes nicht zu erfüllen

Bis 2024 rechnet Mendack, Stand jetzt, mit mindestens weiteren rund 120 bis 150 Millionen Euro Unterdeckung, die von den Auswirkungen der Corona-Pandemie bedingt sind. Auch für das kommende Haushaltsjahr ist es ihm möglich, den Corona-Mehraufwand als Sonderposten in die Bilanz einzustellen. Für die Zeit danach gibt es (noch) keine Regelung. Ohnehin sei das nur „Bilanzkosmetik“, sagt der Kämmerer. Die zusätzlichen Liquiditätskredite seien ja trotzdem aufzunehmen.

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Kommen keine zusätzlichen Finanzmittel oder zumindest eine neuerliche Bilanzierungshilfe für die Corona-Lasten, so Mendacks Prognose, kann Mülheim die Vorgaben des Stärkungspaktes, bis 2023 ohne fremde Hilfe einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, nicht erfüllen. So fordert Mendack einen Rettungsschirm, um sich aus den Fesseln zu befreien.

ÖPNV-Sparbeschluss soll für ein Jahr ausgesetzt werden

Nun steht aber erst einmal die Etatplanung für das kommende Jahr im Fokus. Mendack will seinen Entwurf dazu in die Dezember-Ratssitzung einbringen. Der Etat soll wegen der Corona-Verwerfungen erst im Februar verabschiedet werden. Die Stadt wird also mal wieder in vorläufiger Haushaltsführung ins neue Jahr starten, was aber keine großen Auswirkungen hat. Denn die Stadt hatte ohnehin keine Luft, um zusätzliche freiwillige Leistungen, die die vorläufige Haushaltsführung untersagt, zu finanzieren.

Gemeindefinanzierung: Mülheim soll 137 Millionen bekommen

Die Landesregierung hat den Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2021 vorgelegt. Die Finanzierung ist auf rund 13,6 Milliarden Euro festgesetzt, laut dem FDP-Landtagsabgeordneten Christian Mangen sind 137 Millionen Euro davon für Mülheim vorgesehen.

Das Land stütze die Gemeindefinanzierung mit 928 Millionen Euro Kreditmitteln, um die Kommunen im nächsten Jahr zu entlasten, so Mangen: „Die Landesregierung greift den Kommunen in der Corona-Pandemie unter die Arme. Denn ohne diese Gegenmaßnahmen wäre die Gemeindefinanzierung des Jahres 2021 rund 170 Millionen Euro niedriger als in diesem Jahr.“

Eine Lücke ist laut Mendack noch zu stopfen. Es geht um die ersten zwei Millionen Euro, die Einsparungen im ÖPNV-Betrieb bringen sollten. Von der Etat-Koalition aus SPD, CDU und Grünen vor zwei Jahren beschlossen, ist aber weiter nichts davon erreicht. Mendack will das Sparziel zumindest für 2021 aufgeben. Es sei unrealistisch, weil coronabedingt nicht mal valide Fahrgastzahlen zum ÖPNV-Netz vorlägen, anhand derer ein neues, effizienteres Netz zu gestalten wäre. Aus der Pflicht lassen will der Kämmerer die Politik aber nicht. „Es bleibt für 2022 beim Einsparziel von vier Millionen und 2023 von 7 Millionen Euro“, so Mendack.

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Mendack: Zwei Millionen Euro sind anderswo einzusparen

Für die fehlenden zwei Millionen für 2021 will Mendack alternative Sparvorschläge machen. Welche, das sagt er noch nicht. Möglich ist, dass die Auflösung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft gegengerechnet wird, was einige hunderttausend Euro bringen könnte. Womöglich wird noch mal eine Qualitätssenkung bei der Offenen Ganztagsschule aufgerufen, die der letzte Stadtrat noch strikt abgelehnt hatte. Irgendwoher müssen die zwei Millionen schließlich kommen.