Mülheim. Horst Bilo hat als zehnter Mülheimer OB-Kandidat seinen Hut in den Ring geworfen. Er ist sehr verärgert über die Politik der vergangenen Jahre.
Der parteilose Horst Bilo (62) bewirbt sich als zehnter Kandidat um das Amt des Oberbürgermeisters in Mülheim. Er ärgert sich über die „SPD-Lastigkeit“, die Misswirtschaft und den schlechten Zustand der Stadt. Wie er Mülheim aus der Verschuldung holen will, erzählt er im Interview.
Herr Bilo, Sie führen in zweiter Generation ein Familienunternehmen. Warum tun Sie sich die Kandidatur zum Oberbürgermeister an?
Vor sechs Jahren hing mein Leben am seidenen Faden. Ich hatte Nierenprobleme, war ein halbes Jahr im Rollstuhl unterwegs und musste damals eine Grundsatzentscheidung fällen. Ich hätte in Rente gehen, einen ruhigen Lebensabend genießen und meine Augen vor unseren ganzen Problemen hier in Mülheim verschließen können. Aber ich habe damals beschlossen, selbst aktiv zu werden und etwas zu ändern. Ich möchte noch etwas für Mülheim und seine Bürgerinnen und Bürger tun.
Ich habe mich schon immer maßlos über Politik geärgert. Im Alter von 14 Jahren habe ich damit begonnen, mich dafür zu interessieren und war der einzige in der Klasse, der eher für die CDU und nicht für die SPD war. In Mülheim war die SPD-Lastigkeit schon immer auffallend und wenn man kein Parteibuch hat, hat man schlechte Karten. Ich habe mir das Gewerbegebiet hier sehr hart erkämpfen müssen (Anmerkung: Der Sitz von Bilo Gerüstbau liegt in Heißen, Am Förderturm). Ich habe von der Stadt eigentlich noch nie was bekommen, habe hier nur Ärger gehabt. Und wir hören seit 40 Jahren: Wir haben kein Geld.
„Unsere Stadt Mülheim wurde zunehmend zu einer Gammel-Stadt fehlentwickelt“
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Sie wirken sehr verärgert...
Ja, hier laufen alle Menschen nur in Trance durch die Gegend, hier ist – zu Recht – keinerlei Freude mehr. Mülheim hat schlicht keine gute Lebensqualität mehr. Unsere Stadt wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend zu einer Gammel-Stadt fehlentwickelt.
Und Sie wollen die Situation nun als parteiloser Oberbürgermeister verbessern? Sie hätten auch jemanden im Wahlkampf unterstützen können.
Ich hätte auch jemanden unterstützt, wenn mich jemand angesprochen hätte. Aber die wollen keinen haben, der sagt: Hömma, ich habe hier gute Ideen. Einmischung in den Parteienklüngel von außen ist nicht erwünscht. Man möchte lieber unter sich bleiben und schön so elendig und erfolglos weitermachen, wie bisher.
Bei wem waren Sie denn?
Ich habe mich immer wieder einzubringen versucht, aber bin jedes Mal aufs Neue an der Borniertheit von zum Beispiel Frau Mühlenfeld, Frau Kraft oder Herrn Bonan gescheitert.
Und nachdem ich mir das jetzt 40 Jahre angeguckt habe und kurz davor war, nicht mehr da zu sein, würde ich mich schwarz ärgern, wenn ich meine Fähigkeiten nicht einbringe. Keiner der Kandidaten spricht darüber, dass man erstmal Geld haben muss, bevor man hier etwas bewegen kann. Alle äußern nur ihre Wünsche. Das ist weltfremd und nicht lösungsorientiert. Außerdem: Wie kann man nur so naiv sein zu glauben, dass sich nach 40 Jahren Misswirtschaft jetzt plötzlich etwas ändert, wenn man dieselben Leute wieder in dieselben Ämter hebt? Das ist mir vollkommen schleierhaft und an Naivität kaum zu überbieten.
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Wie wollen Sie Mülheim aus der Milliardenverschuldung holen?
Erstmal würde ich gucken: Wie viel Geld kommt rein, wie viel Geld geht raus? Dann würde ich die städtischen Gesellschaften überprüfen. Wenn ich höre, dass Frau Kammerichs (Anm. d. Red.: Geschäftsführerin der Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH) für ein paar Marktfeste im Jahr drei Millionen Euro Minus macht, oder wenn ich höre, dass Mülheim & Business 900.000 Euro Minus macht, dann bin ich sauer. Man muss alle überprüfen und fragen: Brauchen wir hier 33 GmbHs, brauchen wir hier zig Geschäftsführer, die zwischen 150.000 und 400.000 Euro im Jahr verdienen? Natürlich nicht!
Auf der anderen Seite gucke ich mir seit 40 Jahren an, wie die Stadt Objekte verschachert – vieles an den MWB – und dann für hohe Summen wieder anmietet. Das muss man doch alles mal überprüfen, und was nicht gut läuft, muss weg.
„Mülheim denkt, so lange ich denken kann, nur über Fördermittel nach“
Da sehen Sie Einsparpotenzial. Wo sehen Sie Möglichkeiten, mehr Einnahmen zu generieren?
Bei Land und Bund. Es kann nicht sein, dass wir immer mehr Kosten aufgeladen bekommen, und Land und Bund beteiligen sich viel zu wenig. Wenn der Bund sagt: Wir machen die Tür auf und wir haben erhöhte Sozialkosten und die fallen alle in unseren Renten- und Gesundheitsbereich rein – dann ist das so nicht in Ordnung. Dann muss der Bund auch zahlen. Mülheim denkt, so lange ich denken kann, darüber nach: Wo kann ich Fördermittel generieren? Die können nicht mal einen Bürgersteig reparieren ohne Fördermittel.
Unsere Politiker und Verwaltung haben keine Ideen. Das Einzige, wo sie sich einig sind, ist, dass sie ihren Hintern retten wollen, weil der Haushalt durch muss und sie nicht von Düsseldorf kontrolliert werden wollen. Also erhöhen sie die Grundsteuer und die Gewerbesteuer. Aber meinen Sie, hier ist irgendwann noch jemand motiviert, so zu arbeiten? Dann setze ich mich in meinen Garten und schaue, wie die Kirschen rot werden. Wir zahlen hier viel Geld für einen schlechten Film.
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Das klingt so, als könne man eine Stadt führen wie ein Unternehmen.
Man kann eine Stadt zu einem gewissen Teil durchaus wie ein Unternehmen führen. Man muss dabei aber natürlich immer die Bürgerinnen und Bürger im Blick haben. Wir können mal vorausschauend arbeiten, aber das macht hier keiner. Ich würde mir die Probleme der Stadt erarbeiten, und wenn das nicht zügiger geht im Rat der Stadt, dann muss ein Bürgerentscheid her – und vor allem auch eingehalten werden. Das passt den Herrschenden natürlich nicht, aber man darf auch nie vergessen: Schlimmer kann es nicht mehr werden. Mülheim ist in vielerlei Hinsicht am Ende und mit denen, die es seit 40 Jahren verbocken wird es auch nicht besser werden.
Mal Hand aufs Herz: Glauben Sie wirklich, dass Sie eine Chance haben bei der OB-Wahl?
Ich mache gezielt Werbung, ich werfe 50.000 Karten in die Briefkästen. Mal ehrlich: Wer geht denn zur Oberbürgermeisterwahl? Ich bin noch nie zur OB-Wahl gegangen. Alle Oberbürgermeister bisher waren Marionetten des Stadtrates. Wenn ich OB werde, bin ich keine Marionette. Dann möchte ich mit den Leuten richtig reden und sie dazu bringen, dass wir gemeinsam zügig Dinge beschließen, die Mülheim gut tun – und nicht den Entscheiderinnen und Entscheidern.
Zur Person: Horst Bilo
Horst Bilo (62) ist verheiratet und Vater von vier Kindern, er ist seit 40 Jahren unternehmerisch im Bereich Fassaden, Gerüstbau und Autoglasreparatur tätig.
Bilo ist bekannt für seine kritische Haltung gegenüber Stadtverwaltung und -politik. Im März 2010 ließ der Unternehmer etwa illegal an einer Brücke über der Friedrich-Ebert-Straße ein Banner anbringen, mit dem er die Baustellenplanung von Alt-Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) scharf kritisierte
Er wolle weder Geld noch einen Dienstwagen für seine Tätigkeit – als Beamter könnte er die Bezahlung aber gar nicht ausschlagen.
„Die machen zwei Milliarden Euro Schulden und heulen noch nicht mal“
Sie, Jürgen Abeln und Jochen Hartmann treten als parteilose Kandidaten an. Warum sollten die Mülheimer Sie wählen?
Herr Abeln hat mir fünf Din-A4-Seiten geschrieben und wollte mit mir zusammenarbeiten. Da ist er mir schon sehr unangenehm aufgefallen. Mit Filz anfangen tu ich nicht, wenn ich Filz beseitigen will. Er hat viel Geld in die Wahl investiert und nun Angst, dass er das Geld verliert – das ist für mich kein Grund, OB zu werden. Die alleinige Konzentration auf die Fähigkeit „Finanzexperte“ empfinde ich als ein bisschen komisch – im Sinne von seltsam.
Ich sage ja nicht, dass ich der Beste bin, aber ich bin ehrlich und mir geht es wirklich um Mülheim. Mir geht es nicht um einen doofen Posten. Man muss doch mal was ändern und wenn die SPD dran bleibt, ändert sich nichts. Die anderen laufen weiter hinterher. Ich weiß, dass ich was ändern kann. Ich habe in meinem Leben immer gekämpft. Und ich habe noch nie gespart, ich habe immer investiert, ich habe Fehler wettgemacht mit Geschwindigkeit. Wenn ich Fehler gemacht habe, musste ich mehr oder schneller arbeiten. Da bin ich auch nicht weinend rumgelaufen. Und die machen zwei Milliarden Euro Schulden und heulen noch nicht mal. Die müssten sich eigentlich mal weinend bei den Bürgerinnen und Bürgern entschuldigen.
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Als Oberbürgermeister müssen Sie aber mit dem Rat zusammenarbeiten, von dem Sie scheinbar nicht viel halten.
Wenn der Rat nicht will, haben wir immer noch die Bürger. Ich spreche mit dem Rat und dann müssen wir uns einigen. Dann ist mir deren Partei egal, dann müssen wir die Partei einfach mal weglassen. Das Wohl der Bürger muss im Fokus stehen – nicht irgendwelche Parteienzugehörigkeiten. Genau das hat uns doch in das Elend geführt, in dem sich die Stadt befindet.
„150.000 Quadratmeter Hallenflächen stehen in Mülheim leer“
Vor zehn Jahren haben sie ohne Erlaubnis einen Banner an einer Brücke über der Friedrich-Ebert-Straße angebracht und gegen die damalige Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld geätzt. Wenn Sie die Wahl nicht gewinnen, werden Sie sich wieder gegen den OB positionieren?
Wenn ich feststelle, dass sich nichts ändert, dann sind sie selbst Schuld. Ich brauche nicht OB zu werden – meine Geschäfte laufen gut. Sie können nirgendwo richtig herfahren: Hier werden die Straßen aufgerissen, danach haben Sie einen Huckel. Da ist keiner vom Tiefbauamt unterwegs und überprüft das. Meine Aufgabe wäre es auch, da immer wieder drauf hinzuweisen. Ich bin ja viel unterwegs in der Stadt.
Haben Sie sich inhaltlich in die großen Mülheimer Themen eingearbeitet? Umsetzung des Bürgerentscheids, Ausbau und Sparen im ÖPNV, neue Ansiedlung von Gewerbe …
Das habe ich. Mit mir gäbe es keinen Quadratmeter neue Gewerbeflächen. Es sind so viele Flächen in Mülheim frei – ungefähr 150.000 Quadratmeter Hallenflächen stehen leer. Herr Dönnebrink sagt zwar, man hätte dann Altlasten, aber ich kann doch nicht die ganzen Altlasten behalten und auf der grünen Wiese eine neue Halle bauen. Mülheim & Business wäre auch der erste Laden, den ich schließen würde und die aktuellen Entwicklungen geben mir Recht.
Wie wollen Sie den Bürgerentscheid zum Erhalt der VHS in der Müga umsetzen?
Wenn der Bürgerentscheid sagt: VHS sanieren, dann muss die VHS saniert werden.
Aber wenn die 22 Millionen Euro für die Sanierung nicht im Haushalt sind?
Das heißt doch gar nicht, dass das 22 Millionen Euro kostet. Da muss man den Architekten Teich mal reinlassen und ich würde mir das auch mal ansehen. Die Stadt kann nicht mal ein Klo auf die Leineweberstraße setzen, ohne dass das viermal so teuer wird. Warum das bei den Städten so ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber die können mit Geld nicht umgehen und mit Aufträgen auch nicht.
Herr Buchwald (Anm. d. Red.: Frank Buchwald, Leiter des städtischen Immobilien-Services) immer mit seinen Gutachten. Das ist hier der Gutachten-König. Was der für ein Geld rausschmeißt! Da nimmst du dir fünf Handwerker und guckst dir das an. Und auch beim ÖPNV muss man sich angucken: Wie viel Geld kommt hier rein, wo geht das Geld hin. Ich biete an, das hier fünf Jahre zu machen und in fünf Jahren bin ich auch fertig.
In fünf Jahren ist der Haushalt saniert, sind diese Probleme der Stadt behoben?
Ja, in fünf Jahren sind alle Probleme behoben oder zumindest deren langfristige Lösung auf den Weg gebracht. Es geht darum, den Menschen einen Ausweg zu zeigen, der am Ende zu einer Lösung führt. Wichtig ist es, mit der richtigen, zielgerichteten Arbeit zu beginnen. Ich habe da keine Angst vor.