Mülheim. Selbstbewusst treten die Mülheimer Grünen im Wahlkampf auf. Ihre Plakate zeigen erstmals Porträtfotos. Was haben sie sonst noch zu bieten?
Bei den Kommunalwahlen 2014 haben die Grünen in Mülheim glatt elf Prozent geholt. Diese Basis wollen sie ausbauen, mit ihrem OB-Kandidaten Wilhelm Steitz und mit einem thematisch breitgefächerten Wahlprogramm.
Es soll nicht nur alle aktuellen Probleme und Baustellen hier in der Stadt beleuchten, sondern bewusst auch alle Altersgruppen mitnehmen. Ganz konkret sind viele ihrer Forderungen, klar und einfach die Worte: drei neue Standorte für Windräder soll es beispielsweise geben, ein Technologiezentrum für Neugründungen, ein ÖPNV-Jahresticket für 365 Euro im Jahr, mehr Kurzzeitpflegeplätze, mehr Geld für Trendsportarten.
Mülheimer Grüne: „Wunderbares Ineinandergreifen der Generationen“
Die Grünen haben sich neu aufgestellt und vergrößert. Laut Vorstandssprecher Fabian Jaskolla ist die Mitgliederzahl seit der letzten Kommunalwahl von gut 100 auf rund 180 Leute gestiegen. „Wir hatten einen Umbruch in der Partei und haben einiges auf den Kopf gestellt. Es ist gut gegangen.“ Von einem „wunderbaren Ineinandergreifen der Generationen“ schwärmt der junge Mann. „Wir sind froh, dass wir ein so durchmischtes Team zusammenbekommen haben“, sagt auch Tim Giesbert, der neben Franziska Krumwiede-Steiner als Spitzenkandidat antritt.
240 Wahlplakate und 20 Großflächen im Stadtgebiet
Vielfalt soll sich auch auf den Wahlplakaten widerspiegeln, die etwas anders aussehen, als man grüne Reklame bislang gewohnt war, nämlich mit Porträtfotos der Kandidatinnen und Kandidaten. „Früher haben wir uns dagegen gewehrt, Personenplakate zu kleben“, sagt Giesbert. „Wir verbinden sie jetzt mit Inhalten aus unserer Kampagne“, jeweils abgestimmt auf die Person. Es sei eine „Selfmade-Kampagne“, betonen die Grünen, nicht von einer professionellen Agentur gestaltet. 20 Plakatmotive gibt es, mit 240 Exemplaren insgesamt wurde das Stadtbild bestückt.
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Zwanzig Großflächen kommen hinzu: ein Gruppenbild mit dem Spitzenteam und ein Querformat mit Steitz, der bei der Wahl des Oberbürgermeisters „ernsthaft mitreden will“, wie die Grünen versichern. Sein Motto lautet: „Wilhelm Steitz ist Mülheim“. Um Erklärungen, wie er das genau meint, ist der 65-Jährige nicht verlegen. Steitz sagt: „Ich verstehe mich als Kandidat aus der Stadtgesellschaft.“ Es gehe nicht nur darum, das Rathaus zu erobern, sondern Mülheim mit vereinten Kräften nach vorne zu bringen.
OB-Kandidat: Das Rathaus schafft es nicht alleine
Steitz beklagt massive Kommunikationsprobleme in Mülheim, mangelnde Transparenz - „nicht nur, dass der OB fehlt, man findet oft auch keine Ansprechpartner in der Verwaltung“. Für alle Bereiche gebe es in der Stadtgesellschaft sehr engagierte Experten, die aber zu selten Gehör fänden. „Das Rathaus schafft es nicht alleine“, glaubt der OB-Kandidat, „aber die Impulse sollten aus dem Rathaus kommen.“ Transparenz vermisste er zuletzt beim Versuch der Verwaltung „ein gewichtiges Grundstücksprojekt der Politik einen Tag vorher mitzuteilen“ - Steitz spielt an auf das Schlippenweg-Projekt, das letztlich floppte.
Gewichtiges Thema im grünen Wahlprogramm ist der Erhalt von Freiflächen. Rückenwind verspüren sie durch die Proteste gegen das Wirtschaftsflächenkonzept, die sie maßgeblich mit anschieben konnten. „Es gibt immer noch Ewig-Gestrige, die glauben, allein durch das Ausweisen von Freiflächen könne man die finanziellen Löcher der Stadt stopfen“, erklärt Tim Giesbert. „Die Bürgerschaft ist da zum Glück ein bisschen weiter.“
Wachsende Kinderarmut: „Wir sind generell zu langsam“
Neben der Klimakrise, deren Dramatik sie gerne durch Ausrufung des „Klimanotstandes“ verdeutlichen würden, ist für die Grünen die Corona-Pandemie eine grundlegend umwälzende Kraft. Dies soll sich auch in ihrem Wahlprogramm abbilden: „Corona hat deutlich gemacht, dass große Parteien wie die SPD nicht für soziale Belange stehen“, sagt etwa Vorstandssprecherin Kathrin Rose. So werde sich die Kinderarmut in Mülheim, die ohnehin alarmierend hoch ist, durch Corona verschärfen. Runde Tische seien per se nicht falsch, „wir sind aber generell zu langsam“, so Rose. Das Bildungsnetzwerk Styrum zum Beispiel funktioniere schon sehr gut. „Das hilft aber nicht, wenn die personelle und finanzielle Ausstattung fehlt“.
Wahlkampfbudget von 17.000 Euro
Die Mülheimer Grünen und ihr OB-Kandidat Wilhelm Steitz gehen am Samstag, 8. August, auf Wahlkampftour mit Booten und Fahrrädern quer durch die Stadt. Start der „Tour de Ruhr” ist um 10 Uhr am Mintarder Wasserbahnhof, sie endet gegen 16.30 Uhr im Industriehafen.
Mehrere Zwischenstationen werden angesteuert: Dicken am Damm (Campingplatz), Ruhrstrand, Schleuseninsel und Stadthafen. Geplant sind jeweils auch Gespräche mit Akteuren vor Ort.
Insgesamt haben die Grünen in Mülheim für den Kommunalwahlkampf ein Budget von rund 17.000 Euro, so Steitz.
OB-Kandidat Steitz ergänzt: „Armut darf nicht dazu führen, dass Kinder schlechtere Bildungschancen haben.“ Der Zwang zum digitalen Lernen durch Corona habe aber genau diesen Effekt. „Eigentlich müsste am ersten Schultag jedes Kind mit einem Tablet ausgestattet sei.“ Das wird jetzt tatsächlich sehr knapp. Gleichwohl: Die Finanzierung stellt der grüne OB-Bewerber sich so vor: „Das Rathaus könnte auf die Vielzahl großer Stiftungen zugehen, die in Mülheim ihren Sitz haben. Man müsste sich zusammensetzen und es unbürokratisch machen.“
Sechs Sitze haben die Mülheimer Grünen aktuell im Stadtrat. „Wir haben in letzter Zeit gezeigt, dass wir bereit sind, auch schwerwiegende Entscheidungen zu treffen“, sagt Fraktionssprecher Tim Giesbert. Sein persönliches Wahlplakat trägt übrigens eine urgrüne Parole, allerdings auf Mölmsch: „Wie lotent die Böüm un Strükker stohn.“