Mülheim. Mülheims Verwaltung glaubte, ein Grundstück an einem Landschaftsschutzgebiet zügig verkaufen zu können. Sie musste aber einen Rückzieher machen.
Stadtverwaltung und politische Mehrheit sind mit ihrem Vorhaben gescheitert, den Verkauf von 4,7 Hektar Land am Rande des Holthausener Landschaftsschutzgebietes Oppspring/Rumbachtal an einen Investor geräuschlos durchzuziehen. Dabei war es nicht das eiligst von den Grünen eingeschaltete Verwaltungsgericht, das den Deal mit einer Technologiefirma aus Speldorf stoppte.
Die Verwaltung hatte das Grundstücksgeschäft, das zuvor öffentlich nie zur Debatte gestellt worden war, in nicht-öffentlicher Sitzung des Stadrates durchbringen wollen. Ohne vorherige Debatte in Fachausschüssen oder im Naturschutzbeirat. Dabei sollte das Stück städtisches Land am Schlippenweg, an deren Rand eine verfallene Hofstelle steht, an eine Firma gehen, die mit intelligenten Energielösungen, Automatisierungssystemen und Schaltanlagen ihr Geld verdient. Sie will in Holthausen einen landwirtschaftlichen Testbetrieb aufbauen, mit dem sie zeigen kann, dass ihre Technik dazu taugt, einen Landwirtschaftsbetrieb klimaneutral und ressourcenschonend zu gestalten. Kooperationspartner ist die Hochschule Ruhr-West.
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Auch die IG Rumbachtal hatte ihre Skepsis geäußert
Eigentlich ein begrüßenswertes Projekt, so Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert. Doch die Grünen stoßen sich wie die MBI, das Bündnis für Bildung, „Wir aus Mülheim“ sowie der fraktionslose Ex-BAMH-Vorreiter Jochen Hartmann daran, dass im Vorfeld eines Beschlusses keinerlei Vorberatungen in Fachgremien stattgefunden haben. Eine „Hinterzimmerpolitik“, gleichwohl in interfraktionellen Runden, wollen sie nicht mittragen.
Sie forderten, den Tagesordnungspunkt abzusetzen, zu dem Planungsdezernent Peter Vermeulen – offenbar wegen des öffentlichen Drucks – dann doch zumindest die Kernpunkte in öffentlicher Sitzung hatte präsentieren wollen. Nach einer Berichterstattung dieser Redaktion hatte auch die Interessengemeinschaft Rumbachtal in einem offenen Brief an die Ratspolitik ihre Skepsis geäußert, vorschnell Fakten zu schaffen. Der Bereich rund um den Schlippenweg sei bekanntlich als Klimazone wichtig. Da sei eine Erörterung in Fachgremien doch angebracht.
Grüne schalteten Verwaltungsgericht ein – erfolglos
Verkaufserlös soll mindestens die Abrisskosten decken
Das Konzept des Investors sieht vor, am Schlippenweg einen komplett neuen Hof zu errichten – mit zweigeschossigem Einfamilienhaus, Wirtschaftsgebäude für Maschinen, Lagerung und Tierhaltung, einem Gewächshaus, einem Teich, einer Brunnenstelle, einem bis zu 13 Meter hohen Sensorik-Mast und verschiedenen kleinen Test-Aufbauten. Für all dies beansprucht das Projekt einigen Platz mehr als die jetzige Hoffläche.
Am Donnerstag im Stadtrat deutete FDP-Fraktionschef Peter Beitz an, dass die Stadt durch den Grundstücksverkauf einiges weniger als 500.000 Euro einnehmen dürfte. Schon in der Verwaltungsvorlage hatte es geheißen, dass ein Verkaufserlös erzielt werden solle, der zumindest den Abriss der alten Hofstelle decke.
Die Grünen-Fraktion hatte über ihren OB-Kandidaten Wilhelm Steitz gar noch das Verwaltungsgericht eingeschaltet, um einen Beschluss am Donnerstagabend im Stadtrat zu verhindern. Per Eilbeschluss stellte das Gericht allerdings fest, dass die Klage schon allein deshalb unzulässig sei, weil nicht die Fraktion, sondern nur einzelne Fraktionsmitglieder berechtigt seien, einen solchen Eilantrag zu stellen. Vor der Ratssitzung sorgte die wohl kostspielige Niederlage der Grünen für Unkenrufe der politischen Konkurrenz: dass ausgerechnet dem verwaltungserfahrenen OB-Kandidaten und Juristen Steitz ein solches Malheur passiere...
Doch zu früh gefreut: Unter deutlich vernehmbaren Unmutsbekundungen insbesondere in SPD-Reihen gab Rechtsdezernent Frank Steinfort der Auseinandersetzung auf Nachhaken von Grünen-Sprecher Giesbert dann doch die entscheidende Richtung: Der Stadtrat sei gar nicht befugt, diesen Grundstücksverkauf zu beschließen. Zuständig sei die Bezirksvertretung. Mit dieser Einschätzung übertölpelte Steinfort überraschend noch seinen Dezernenten-Kollegen Vermeulen. Dieser hatte zuvor noch betont, dass beim Investor Zeitdruck bestehe und die Eilbedürftigkeit einen schnellen Ratsbeschluss rechtfertige. Auch Kämmerer Mendack äußerte sein Unverständnis, einen Investor zu „verprellen“.
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Stadtdirektor bringt Sondersitzung der Bezirkspolitik ins Spiel
Doch die Geschäftsordnung des Rates lässt sich nicht umgehen. Steinfort schlug vor, es schnell zu einer Sondersitzung der Bezirksvertretung kommen zu lassen. Grünen-Politiker Giesbert kündigte schon an, bis zu dieser Sitzung „eine Reihe von Fragen“ beantwortet haben zu wollen. SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff wunderte sich derweil über die Verwaltung, die in die Ratssitzung offensichtlich mit einer nicht abgestimmten Rechtsauffassung gegangen war.