Mülheim. Über eine Straßenbahn nach Saarn streitet Mülheims Politik seit Jahrzehnten. Jetzt wurden SPD und Grüne wieder enttäuscht. Der Stand der Dinge.

Eine Verlängerung der Straßenbahnlinie 102 in das Saarner Dorf und weiter auf die Kuppe hätte wirtschaftlich Sinn, weil an der Strecke viele Fahrgäste wohnen. Aber vor allem CDU, FDP und mögliche Anlieger bekämpfen diesen Projektplan erbittert.

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SPD, Grüne und MBI sehen darin eine gute Chance, dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) neue und mehr Fahrgäste in Mülheim zu erschließen. Die Stadt scheut Investitionen in die Zukunft, weil ihre Kassen leer sind und die Verluste der Ruhrbahn bisher weder gestoppt noch reduziert wurden.

Nun wollte die SPD wissen, ob die Verwaltung die vom Rat im Juli 2017 beschlossene Prüfung zweier möglicher Trassen vorangetrieben hat, um mit der Planung weiterzukommen. Hat sie nicht, trotz politischem Auftrag, war im Mobilitätsausschuss zu erfahren.

Seit Jahren keine Einigung auf Nahverkehrsplan

Der Grund: Weil die Ratsfraktionen sich seit Jahren nicht auf einen neuen Nahverkehrsplan (NVP) einigen können, schlägt die Verwaltung vor, mit einer konkreten Prüfung neuer Straßenbahntrassen nach Saarn zu warten, bis der „dringend erforderliche Nahverkehrsplan fertig ist“. Die Debatte über eine Straßenbahn nach Saarn müsse von „der Erstellung des NVP unabhängig“ erfolgen.

Einige Trassen sind schon verbaut

Im Kassenberg und in der Düsseldorfer Straße haben die Gleise der 1968 stillgelegten Straßenbahnlinie nach Saarn noch Jahrzehnte unter der Asphaltdecke überdauert, bis die Straßen komplett erneuert wurden. Die Rückbaukosten wären gering. Außerdem „war es der größte Fehler für das Mülheimer Schinnetz, die Strecke nach Saarn aufzugeben“, sagt rückblickend Gerd Bachmann. Heute könnte man darauf aufbauen.

„Auch die Trasse vom Waldschlösschen über Dietenhofer Straße, über das Bühlsbachtal zur Brüsseler Allee ist nicht mehr machbar, weil auf einigen Grundstücken inzwischen Häuser stehen, obwohl die Flächen genau dafür freigehalten werden sollten. Wie konnte das passieren?, fragt der ehemalige stellvertretende Leiter der früheren Betriebe der Stadt. Diese betrieben damals den Mülheimer Nahverkehr.

„Im Verfahren zur Neuaufstellung des Nahverkehrsplans 2017 für das Stadtgebiet wurde durch einen Gutachter eine Machbarkeitsuntersuchung zum Thema ,Straßenbahn nach Saarn’ durchgeführt“, antworteten die Verkehrsplaner aus dem Technischen Rathaus.

Straßenbahnstrecke ins Dorf ist machbar

Das Ergebnis: Der Neubau einer Straßenbahnstrecke durch Saarn ist „technisch durchführbar“. Für den ersten Bauabschnitt bis „Alte Straße“ neben dem Dorfkern werden rund neun Millionen Euro angenommen. Zusätzlich müssten die Gleise ab Heuweg bis zum Uhlenhorst aus der Großenbaumer Straße zurückgebaut werden, was weitere Kosten verursache.

Für eine „weitergehende und zeitintensive Prüfung dieses Vorhabens ist eine Entwurfs- und Ausführungsplanung zur Ermittlung der endgültigen Förderfähigkeit erforderlich“. Erst auf Basis dieser detaillierten Planung und eines verbindlichen Förderbescheides sei es möglich, eine „fundierte Kosten-/Nutzenbetrachtung zu erstellen – mit Auswirkungen auf das Betriebsergebnis der Ruhrbahn“.

Applaus und Widerspruch für Verkehrsplaner

Die Empfehlung der Nahverkehrsplaner: „Die Fortschreibung des Nahverkehrsplans ist dringlich. Sie sollte auf den Abschluss einer solchen Prüfung nicht warten müssen.“ CDU und FDP applaudierten für diese deutliche Absage an eine neue Straßenbahn nach Saarn im Mobilitätsausschuss.

Eine Straßenbahn in Saarn hat es schon gegeben. Sie kam über Kassenberg und Düsseldorfer Straße ins Dorf. Eine neue Trasse über Saarner Straße (im Hintergrund) ist machbar.
Eine Straßenbahn in Saarn hat es schon gegeben. Sie kam über Kassenberg und Düsseldorfer Straße ins Dorf. Eine neue Trasse über Saarner Straße (im Hintergrund) ist machbar. © VhAG Mülheim | Happel

SPD und Grüne widersprachen der Verwaltung. Es sei ein klarer Auftrag ergangen, zwei der ursprünglich vier Varianten genauer zu untersuchen. Diese möglichen zwei Trassen sollten Bestandteil des neuen Nahverkehrsplans werden“, erklärt Daniel Mühlenfeld (SPD).

Stadt und Ruhrbahn wollen Schienennetz verkleinern

Axel Hercher (Grüne) verwies darauf, dass es nach mehr als 50 Jahren endlich an der Zeit sei, einen der bevölkerungsreichsten Mülheimer Stadtteile wieder mit einer Straßenbahnlinie zu erschließen. Er favorisiert eine Strecke ab Heuweg über Saarner Straße, Straßburger Allee, Kölner Straße und Luxemburger Allee. Dort sei genug Platz für eine Schienenstrecke.

CDU, FDP und Stadtverwaltung spielen auf Zeit. Sie wollen das Schienennetz weiter verkleinern. Auch die Ruhrbahn ist mit diesem Ziel unterwegs. Vor der Kommunalwahl wird es keinen neuen NVP für Mülheim geben. Nach der Wahl im September könnte die Ratsmehrheit anders ausfallen als zurzeit – ob für oder gegen die Straßenbahn, bleibt offen.