Mülheim. OB-Kandidatin Monika Griefahn (SPD) hat zum ersten digitalen Runden Tisch eingeladen. Das Thema: Wie bekommt Mülheim mehr bezahlbaren Wohnraum?

SPD-Kandidatin Monika Griefahn will das Thema Wohnen, sollte sie im September bei der Wahl erfolgreich sein, zur Chefsache machen. Dies kündigte sie bei ihrem ersten digitalen Runden Tisch in der Diskussion mit Vertretern der Wohnungswirtschaft an.

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Griefahn hatte für die Premiere ihres Digitalformats die Chefs der Mülheimer Wohnungsbauunternehmen SWB und MWB, Andreas Timmerkamp und Frank Esser, sowie Harald Förster als Geschäftsführer der Gelsenkirchener Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft und Alexander Rychter, Direktor des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen, zur Diskussion gebeten. 25 weitere Diskutanten schalteten sich zur Videokonferenz zu.

Griefahn: Insbesondere fehlen bezahlbare kleine und Familien-Wohnungen

Im Kern ging es um die Frage, wie es in Mülheim möglich werden kann, mehr preiswerten Wohnraum zu schaffen. Insbesondere fehlten in diesem Segment kleine Wohnungen etwa für Singles, Azubis oder Studenten, aber auch Angebote für Familien, so die Feststellung. Untermauert sind die Probleme durch ein Gutachten zum bezahlbaren Wohnraum, das im Januar 2019 endlich vorgelegt worden war.

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Im Kern hielt die Analyse fest, dass rund jeder 25. Haushalt in Mülheim, hochgerechnet 2370 an der Zahl, mehr als 40 Prozent seines verfügbaren Einkommens allein für die Warmmiete ausgeben muss. Das komme einer wirtschaftlichen Überlastung gleich, urteilten die Gutachter des Bochumer Inwis-Institutes. Betroffen seien ausnahmslos Bürger, die ohnehin unter die Armutsgrenze fielen. Auf Basis des Gutachtens hatte sich in Mülheim ein „Bündnis für Wohnen gegründet“, mit Akteuren der Wohnungswirtschaft, Politik und Verwaltung.

MWB-Vorstand zum Bündnis für Wohnen: Es ist nichts weiter als die Gründung passiert

MWB-Vorstand Esser beklagte nun in der Runde mit Griefahn, dass außer der Gründung des Bündnisses bisher „nichts passiert“ sei in der Sache. Er fordert, das Bündnis dafür zu nutzen, um der Frage nachzugehen, „wie wir an preiswerte Grundstücke für sinnvolle Projekte kommen“, gerne im Zusammenwirken der Wohnungsbauunternehmen, um vielleicht noch besser Fördermittel für sozialen Wohnungsbau abgreifen zu können.

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Über Bündnisse wie in Mülheim ließen sich Themen am Wohnungsmarkt bündeln, unterstrich Verbandsdirektor Rychter Essers Worte. Bezahlbare Grundstücke seien da nur ein Thema, damit Wohnungsbauunternehmen überhaupt wirtschaftlich in die Lage versetzt würden, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Ein Problem seien allerdings auch die exorbitant gestiegenen Baukosten.

OB-Kandidatin stellt Verkauf städtischer Grundstücke nach Höchstpreis infrage

Dies mache es aktuell unmöglich, neue Wohnungen mit vier bis fünf Euro Quadratmetermiete zu bauen, die in Mülheim allerdings benötigt würden, hieß es von SWB und MWB. „Damit Wohnraum entstehen kann, der nach heutigen Maßstäben erschwinglich ist, werden wir Förderprogramme besser ausnutzen, kommunale Grundstücke nicht nach dem Höchstpreisverfahren vergeben und Abläufe beschleunigen müssen“, gab OB-Kandidatin Griefahn ihre Marschroute vor. Auch wenn Mülheim finanzielle Probleme habe: „Die Art, wie wir entscheiden, wer städtische Grundstücke kaufen darf, muss auf den Prüfstand. Griefahn kündigte auch an, das „Bündnis für Wohnen“ als OB „viel konkreter auf Ziele hinarbeiten“ zu lassen.

Ein Ziel sei es auch, mit Wohnbaupolitik für soziale Durchmischung in Quartieren zu sorgen, wie es das Unternehmen SWB aktuell etwa in Dümpten oder Heißen-Süd vormacht. Ziel sei es, so SWB-Chef Timmerkamp, die unternehmenseigene Quote von 37 Prozent öffentlich gefördertem Wohnraum im Bestand in den nächsten Jahren auf 42 bis 45 Prozent zu heben. Dafür aber bedürfe es einem mehrjährigem Förderkontingent. Aber das Problem bleibe: Bei einer angesetzten Miete von 6,20 Euro sei selbst öffentlich geförderter Wohnraum nicht für jeden erschwinglich.

Griefahn will endlich Stadtentwicklungsgesellschaft mit privaten Partnern

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Aus dem Kreis der Diskutanten kam die Kritik, dass sich die soziale Spaltung in der Stadt in arme und besser gestellte Gegenden in den vergangenen Jahren noch gravierend verschärft hat. Als Beispiel kann die Innenstadt gelten, in der sich trotz Ruhrbania-Bauten der Trend fortgesetzt hat, dass dort immer mehr Sozialleistungsempfänger wohnen, die auch dem Handel in der City nicht mehr die Existenz sichern. In dieser Hinsicht ist Griefahns Position klar auf die bisher fruchtlosen Initiativen der SPD-Ratsfraktion fokussiert: Eine Stadtentwicklungsgesellschaft unter Einbindung privaten Kapitals müsse her, um Problemimmobilien aufzukaufen, die ansonsten dazu taugen, gleich das gesamte Umfeld mit herunterzuziehen.

Um ihre Position zu stützen, hatte Griefahn sich Unterstützung aus Gelsenkirchen in die Runde geholt. Harald Förster war dort 2011 als Vertreter der örtlichen Wohnungswirtschaft Gründungsgeschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft. Er könne das Instrument nur „sehr nachhaltig empfehlen“, so Förster mit Blick darauf, dass Gelsenkirchen mittlerweile 33 Problemimmobilien aufgekauft habe. Aber, sagte er: Gelsenkirchen hatte zur Finanzierung seiner Aktivitäten auch einen wesentlichen Trumpf in der Hand: Die Stadt konnte das leergezogene Areal einer Kinderklinik verkaufen und den Erlös für die Stadtentwicklung einsetzen.

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Wohnungsunternehmen beklagen Strategielosigkeit

Planungsdezernent Peter Vermeulen hat zwar eine Beschlussvorlage für eine Grundstücksentwicklungsgesellschaft angekündigt, doch steht in Zweifel, ob sie mehrheitsfähig sein wird. MWB-Chef sieht in der Frage noch „keine Ergebnisse“. Es fehle der politische Wille, es fehle an einer definierten Strategie, in welche Richtung die Stadt entwickelt werden solle. Man sehe heute, was das Nichtstun der vergangenen Jahre mit der Innenstadt und auch der Eppinghofer Straße gemacht habe: Jedes Jahr würden die Zahlen schlechter, so Esser mit Blick auf die Bewohnerstruktur mit zunehmend einkommensschwachen Menschen.

Essers Kollege Timmerkamp vom SWB sieht das ähnlich: „Ich habe schon mal den Eindruck, wir gehen vier Schritte vorm drei wieder zurück und zwei nach links“. Es brauche eine Stadtentwicklungsgesellschaft mit langfristiger Ausrichtung und nachhaltiger Ziele.