Mülheim. Berufe, die das öffentliche Leben in Mülheim aufrecht halten, sind oft die Jobs, die sonst in der Gesellschaft nicht das größte Ansehen genießen.

Ob Kassierer, Verkäufer, Kranken- oder Altenpfleger, sie alle eint, dass sie zu den so genannten systemrelevanten Berufen gehören. Also Berufe, die unsere Versorgung aufrecht erhalten. Und sie eint ebenso, dass sie zu Branchen gehören, die nicht so gut bezahlt werden und bisher kein besonders hohes Ansehen genossen haben. Durch die Coronakrise und den damit einhergehenden Ausnahmezustand rücken aber eben diese Berufe immer mehr in den Fokus.

Dass es im Moment in der Gesellschaft eine deutlich größere Wertschätzung für Menschen gibt, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, stellt auch Katharina Schwabedissen fest. „Das fängt schon bei den Reinigungskräften an, die in den Krankenhäusern maßgeblich für den Infektionsschutz große Verantwortung tragen“, sagt die für Mülheim zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretärin. Denn durch die Coronakrise sei vielen Menschen bewusst, wie wichtig Hygiene im Kampf gegen das Virus sei.

Auch in Mülheim: Manche Jobs bekommen eine deutliche Aufwertung durch die Bevölkerung

Ebenso würden Pflegeberufe durch die Pandemie eine deutliche Aufwertung durch die Bevölkerung erfahren. Dennoch ist es auch für die Verdi-Gewerkschaftssekretärin in Zeiten von Corona schwierig, konkrete Forderungen im Hinblick auf die eigentlich im Spätsommer anstehende Tarifrunde im öffentlichen Dienst zu benennen. „Wir gucken natürlich auf die Milliardenausgaben, die jetzt im Zusammenhang mit der Coronakrise anstehen, und wir werden uns am Ende der Krise fragen müssen, wie es weiter geht“, sagt Schwabedissen, der es sehr wichtig ist, dass Berufsgruppen in Sachen Tarifverhandlung nach der Krise nicht gegeneinander ausgespielt werden.

„Viele Kollegen haben ja schon seit Jahren gesagt, dass wir mehr Personal brauchen.“ Da müsse man sich schon fragen, wie auch gesellschaftlich damit umgegangen werde. Also ob es nach der überstandenen Krise einen warmen Händedruck gebe oder tatsächlich eine neue Bewertung dieser Berufe in der Gesellschaft. „Es gibt eine Wertschätzung für Menschen, die diese Berufe ergreifen, aber bisher wenig Wertschätzung dafür, dass diese Tätigkeiten hoch professionell sind“, so Schwabedissen. „Das ändert sich gerade.“ Nicht ohne Grund seien diese Berufe Ausbildungsberufe. Das gelte natürlich nicht nur für Pflegeberufe im Krankenhaus. Auch in der Alten- und Behindertenhilfe sei das im Moment ein riesiges Thema. Denn auch dort herrsche gerade jetzt Personalnot.

Die Angestellten im Lebensmittelhandel arbeiten in Mülheim an der Front

Buchstäblich an der Front arbeiten zurzeit die Angestellten im Lebensmittelhandel. In manchen Supermärkten gleichen die Regale einem Schlachtfeld im Kampf um Toilettenpapier, Nudeln oder Hygieneartikel. Für die Mitarbeiter heißt es seit einiger Zeit, Nerven behalten, denn bei so manchen Kunden liegen diese mittlerweile ziemlich blank. „Es gibt aber auch sehr viele Kunden, die sich sehr dankbar zeigen und Verständnis mitbringen, wenn bestimmte Artikel zurzeit schwierig zu bekommen sind“, sagt Laura-Sophie Lenk, Junior-Chefin des Familienunternehmens Rewe-Lenk, das unter anderem den Rewe-Markt an der Düsseldorfer Straße in Saarn betreibt.

In Zeiten der Krise merke man schon, dass der Beruf aufgewertet würde. „In einem Supermarkt zu arbeiten ist eben mehr als nur die Regale aufzufüllen“, entgegnet die junge Mutter der doch weitverbreiteten Meinung. „Unsere Mitarbeiter brauchen viel Fachwissen, und es ist auch logistisches Knowhow gefragt.“ Das Team sei durch die besondere Situation noch enger zusammengewachsen, der Zusammenhalt sei hoch. Um weder die Kollegen, noch die Kunden im Stich zu lassen, würden die Mitarbeiter viele Überstunden ansammeln, da durch die Hamsterkäufe noch mehr Man-Power gefragt sei, dabei aber bedingt durch das Coronavirus einige Kollegen ausfallen.

„Die Massen, die nachgeräumt werden müssen, würde man schon mit einem normalen Team kaum ohne Überstunden schaffen“, so die Junior-Chefin, die überall mit anpackt, wo Hilfe benötigt wird. „Ich bin total stolz auf unser Team, das jeden Tag einen enormen Einsatz zeigt.“ Laura-Sophie Lenk betont aber auch noch einmal, dass solche Hamsterkäufe wirklich nicht nötig seien, denn auch wenn sich die Situation weiter zuspitze, würden die Märkte offen bleiben. Die Versorgung bleibe in jedem Fall bestehen.

Hoffnung auf bessere Gehälter für Verkäufer oder Krankenpfleger in der Zukunft

Auch Menschen, die aufgrund häuslicher Quarantäne nicht einkaufen könnten und auch niemanden hätten, der es für sie erledigen könnte, müssten sich keine Sorgen machen. „Wir bieten für Kunden in Quarantäne unseren Lieferdienst an, die gelieferte Ware könnte per Rechnung bezahlt werden.“ Lenk hofft, dass auch nach der Krise systemrelevante Berufe mehr Anerkennung bekommen und sich das auch finanziell durch bessere Gehälter für Verkäufer oder Krankenpfleger auswirkt. „Die Menschen müssen dann aber auch bereit sein, für das ein oder andere Produkt zehn Cent mehr zu bezahlen.“

SYSTEMRELEVANTE BERUFE

Systemrelevante Berufe sind solche, die wichtig für die Aufrechterhaltung des Gemeinwesens sind. Da Arbeitnehmer solcher Berufe in der Regel nicht im Home-Office arbeiten können, gelten für Eltern, die in solchen Berufen arbeiten, Sonderregelungen, etwa für die Kinderbetreuung.

Viele der systemrelevanten Berufe sind im Gesundheitswesen. Aber auch Sicherheitsbehörden wie Polizei oder Feuerwehr, Personennahverkehr, Energie- und Wasserversorger oder Journalisten werden den systemrelevanten Tätigkeiten zugeordnet.