Mülheim. Viele Betroffene kommen zum ersten Treffen der Interessengemeinschaft gegen das Friedhofskonzept. Sie wollen den Ratsbeschluss unbedingt kippen.
Der Widerstand der Bürger, die vom Friedhofsentwicklungskonzept betroffen sind, nimmt feste Strukturen an: Im Ratskeller fand Freitagabend die erste Versammlung der „Interessengemeinschaft Friedhof statt Streithof“ statt. Gemeinsam möchte man die Umsetzung des Verwaltungsentwurfs verhindern.
„Ich bin platt, wie viele Leute gekommen sind“, staunt Dietrich Rohde über die Resonanz auf seine Einladung. Der Arzt im Ruhestand hatte zuvor im Auftrag der Interessengemeinschaft Petitionen an den OB und alle Ratsfraktionen versandt mit der Bitte, das Konzept zu überprüfen und die Belange der Betroffenen zu respektieren.
Mit 80 Gästen hat der Sprecher nicht gerechnet
Von den rund 80 Anwesenden wurde Rohde neben Tanja Dams zum Sprecher der neuen Bürgerinitiative bestimmt. „Es ist nötig, dass wir unsere Bemühungen bündeln, um gemeinsam gegen die Sturheit der Verwaltung vorzugehen“, so Rohde. Der Stadt wird vorgeworfen, unbedacht und unsensibel gehandelt zu haben. Man habe das Leid der Besitzer von Grabstätten im sogenannten Peripheriebereich, in dem Bestattungen nur noch in Ausnahmefällen möglich sind, außer Acht gelassen und damit eine „Katastrophe“ bei den Menschen angerichtet.
Völliges Unverständnis ruft bei den Beteiligten die Härtefallregulierung hervor. Planungsdezernent Peter Vermeulen hatte auf der Bürgerversammlung im Rathaus Anfang des Monats geäußert, keine Härtefälle zu kennen. Das sieht Rohde ganz anders: „Alle durch das Friedhofsentwicklungskonzept in Mitleidenschaft Gezogenen sind als Härtefälle anzusehen.“ Er lobt zwar die von CDU und BAMH gestellten Anträge, eine Härtefallkommission einzurichten, fragt sich aber, nach welchen Kriterien dort entschieden werden soll: „Wer will nachempfinden, was für einen Betroffenen Härte ist?“
Von der Verwaltung falsch beraten
Exemplarisch stellt der Sprecher einen Fall vor, der „zu Zornausbrüchen“ führen müsse: Im Juni 2017 habe eine Familie eine Grabstelle auf dem Hauptfriedhof erbeten, die im künftig allein für Bestattungen vorgesehenen Kernbereich lag. Nach Hinweis der Friedhofsverwaltung, man könne „sich überall eine Grabstelle aussuchen“, wählte sie ein Zweiergrab mit „vertraglich zugesicherter uneingeschränkter Nutzung“ im Peripheriebereich. Vier Monate später wurde vom Stadtrat das neue Friedhofskonzept beschlossen, wodurch der Familie in Zukunft Bestattungen auf ihrem Grabfeld verwehrt werden. Man fühlt sich deshalb falsch beraten, wenn nicht sogar „getäuscht“.
Auch ein anderer Betroffener, Martin Rehberg, vermisst Empathie bei den Verantwortungsträgern. Mit seiner Mutter Silvia habe er 2003 für den verstorbenen Vater ein Vier-Urnen-Grab erworben. Die Mutter könnte nach den neuen Bestimmungen dort noch eine Ruhestätte finden. Für den Sohn ist dies nicht mehr möglich. Das Friedhofsamt habe ein Ersatzgrab im Kernbereich angeboten. Der Grabstein des Vaters kann darauf umgesetzt werden, die Urne wegen der Totenruhe aber nicht. Für Martin Rehberg ist dies „unerträglich“. Die Mutter nehme dies alles so mit, dass sie sich in psychologische Beratung begeben hat.
Revision erscheint der Initiative realistisch
Dietrich Rohde zeigt sich optimistisch, mit der Interessengemeinschaft Erfolg zu haben. In Gesprächen mit Stadtverordneten, von denen einige auch im Ratskeller zu Gast waren, habe er festgestellt, dass sie sich über die Tragweite ihres Beschlusses nicht im Klaren waren. Eine Revision scheint für ihn erreichbar.
Notfalls werde auch vor Gericht gezogen. 15 der Anwesenden haben dazu schon ihre Bereitschaft erklärt.
>>>Friedhofskonzept: Was bisher geschehen ist
Im Juni 2017 wurde ein von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebenes Gutachten vorgestellt: Es empfahl, als Reaktion auf die veränderte Bestattungskultur Friedhofsflächen um rund die Hälfte zu reduzieren. Bestattungen sollen nur noch im Kernbereich erfolgen, um großflächige Leerstellen zu vermeiden.
Im Oktober 2017 wurde das auf dem Gutachten basierende Friedhofsentwicklungskonzept bei einer Nein-Stimme und sechs Enthaltungen mehrheitlich vom Rat angenommen.
Anfang 2018 wurden Benachrichtigungsschreiben an die rund 4000 Nutzungsberechtigten von Grabstätten im Peripheriebereich verschickt. 400 von ihnen erklärten sich nicht einverstanden.