Mülheim. Der Pop-Up-Shop in der Mülheimer Innenstadt schließt, aber drei Läden wollen weitermachen. Laut Stadt geht die Leerstandsquote leicht zurück.
In wenigen Tagen endet in der Mülheimer Innenstadt ein Experiment, das zum Jahresbeginn angestoßen wurde. Manche nennen es „Einzelhandelslabor“, bekannter ist es als Pop-Up-Shop. Alle fragen sich nun, ob es erfolgreich war? Was bleiben wird?
Insgesamt gab es seit Februar vier Teilnehmer, sieben hatten sich beworben. In der Jury, die darüber entschieden hat, waren diejenigen vertreten, die das Projekt tragen und unterstützen: Stadt Mülheim, Wirtschaftsförderung und IHK. Als Experimentierfläche stellten sie die Wertstadt mietfrei zur Verfügung: das Ladenlokal an der Ecke Kohlenkamp/Löhberg.
Nach 90 Tagen Platz gemacht für den nächsten Laden
Nacheinander wurden dort Läden eröffnet, die jeweils nach 90 Tagen Platz für den nächsten machen mussten: Pop-Up-Shops. So unterschiedlich wie die Geschäftsideen sind auch die Perspektiven, die sich aus dem Versuch entwickelt haben.
Den Auftakt machte von Februar bis Mai Jörn Gedig mit seinem Laden „4330 Mülheim“, in dem er Kleidung und Accessoires mit lokalpatriotischen Aufdrucken oder Details anbietet. Im August wagte er dann eine Neueröffnung ganz in der Nähe, an der Wallstraße 10-12, und beschäftigt inzwischen zwei Mitarbeiter, „bewusst Leute aus Mülheim“, wie Gedig betont.
Erfahrung eines Existenzgründers: Ohne Online-Handel geht es nicht
Er selber hatte bis dato keinerlei Erfahrung im Einzelhandel oder als Geschäftsmann. Und schnell hat er auch festgestellt, dass der stationäre Verkauf nicht reichen wird: „Immer mehr Online-Handel kommt hinzu“, sagt Gedig. Den Start haben ihm klassische Zuschüsse für Existenzgründer erleichtert. Er erlebt extrem umsatzschwache Tage, doch zum Glück auch andere. Der 48-Jährige ist zuversichtlich, denkt aber auch, dass er mindestens ein Jahr brauchen werde, um wenigstens kostendeckend zu arbeiten.
Gin-Abend ist zugleich Abschlussparty
Zum Abschluss der Pop-Up-Reihe gibt es am Samstag, 9. November, noch mal einen Gin-Abend mit Musik: Von 16 Uhr bis Mitternacht lädt Julian Schick, der an der Ecke Löhberg / Kohlenkamp derzeit sein Geschäft „Good Life“ betreibt, zum fröhlichen Umtrunk ein.
Wer Hochprozentiges meidet, bekommt auch Cola oder Mölmsch. Verpflegung liefert das Perfetto. Beim ersten Gin-Abend Ende August kamen laut Veranstalter rund 130 Gäste aller Altersgruppen.
Nachfolger von „4330 Mülheim“ im Pop-Up-Shop wurde Familie Buhren, die ihren Hagebaumarkt im Miniaturformat testete. „Wir sind schon lange in Mülheim“, erklärt Junior Timo Buhren, „hatten aber immer das Gefühl, dass uns ein Draht zur Innenstadt fehlt.“ Zielgruppe hier: ältere, wenig mobile Menschen, die eine Nahversorgung mit Reparatur- und Heimwerkerbedarf wünschen. Während der Versuchsphase zeigte sich aber bald, dass sich ein Baumarktsortiment nicht auf gut 50 Quadratmeter eindampfen lässt.
Baumarktbetreibern fehlte Draht zur Innenstadt
Der Hagebaumarkt will aber die Innenstadt in sein „Click’n Reserve“-System einbinden, für das der Markt im Hafengebiet momentan umgebaut wird. Die Bestellung erfolgt per Internet, abholen kann man die Ware im Markt. Im Gespräch ist Familie Buhren mit dem Traditionsgeschäft Tepel am Markt, in der Form, dass Baumarktkunden künftig auch dorthin liefern lassen können. Interesse bestehe auf beiden Seiten, so Buhren. „Die Verhandlungen stagnieren gerade etwas, aber wir hoffen, dass es klappt.“
Aktueller Hausherr im Pop-Up-Shop ist Julian Schick mit seinem „Good Life“. Er verkauft dort neben individuellen Lichterketten diverse Trendartikel, wie Rucksäcke aus Recyclingmaterial, Gläser oder Gin-Sorten. Schick handelt seit neun Jahren online, hatte zwischenzeitlich einen Laden am Dickswall und weiß jetzt ganz genau: „Der Standort Innenstadt hat gut funktioniert. Die Leute vermissen Beratung. Nicht nur Ältere, auch die Jungen.“
Julian Schick möchte unbedingt weiterhin persönlich seine Kunden bedienen und am liebsten im Pop-Up-Shop dauerhaft bleiben, den er eigentlich Ende dieser Woche verlassen muss. Ihm schwebt vor, die Hälfte der gesamten Wertstadt-Fläche anzumieten, etwa 53 qm, darüber sei er gerade mit dem Eigentümer der Immobilie im Gespräch.
Planungsdezernent „schwer überrascht“ vom Erfolg - er hatte Befürchtungen
Aus Sicht der Initiatoren ist das Einzelhandelslabor über gut 280 Tage erfolgreich verlaufen. Planungsdezernent Peter Vermeulen hebt hervor: „Ich bin schwer überrascht von diesem Erfolg und freue mich riesig. Ich hatte befürchtet, dass es anders wird.“ Er verspüre eine positive Entwicklung der Innenstadt allgemein, so Vermeulen, „das sehen wir an den Bauanträgen, die bei uns eingehen“. Details nennt er allerdings noch nicht.
Auf der Immobilienmesse Expo Real in München, so Vermeulen, habe es im Oktober eine große Nachfrage nach Gebäuden in der Mülheimer Innenstadt gegeben: „Da wurden auch Objekte in ganzen Paketen gekauft, um sie zu entwickeln. Die Vermieter müssen nur den Mut haben, Flächen aufzuteilen.“ Denn kleinere Flächen in der City würden immer häufiger nachgefragt, große nicht.
Große Nachfrage nach Mülheimer Objekten auf der Expo Real
Citymanagerin Gesa Delija von Mülheim & Business ergänzt, dass sich die Leerstandsquote in der gesamten Innenstadt seit Februar etwas verringert habe. In Zahlen: „Sie ist von 11,4 auf 10,6 Prozent gesunken. Obwohl durch das Stadtquartier Schloßstraße erhebliche Gewerbeflächen dazugekommen sind." Das Einzelhandelslabor habe vor allem auf das Areal zwischen Kohlenkamp, Löhberg und Wallstraße belebend gewirkt, meint die Citymanagerin: Hier sei ein attraktives „Mikroquartier“ entstanden, für das demnächst auch eine eigene Zeitung mit aktuellen Infos und Angeboten erscheinen soll.
Noch eine Neuigkeit gibt es zu verkünden, sie betrifft den vierten Teilnehmer des Pop-Up-Shops, der den Raum nie selber gefüllt, aber bereichert hat: Das Diakoniewerk Arbeit & Kultur hat die wechselnden Läden mit upgecycelten Möbeln und Dekorationswaren ausgestattet. Dinge, wie sie seit Jahren in der Sonderbar an der Kaiserstraße angeboten werden. Am Kohlenkamp 45 wird in Kürze ein neuer Laden eröffnet, der „Urban Mining“ heißt, in dem es nachhaltige Möbel und Einzelstücke gibt.
Diakoniewerk eröffnet neuen Laden für Möbel aus Müll
Verwendet werden Dinge, die man in der Stadt findet. „Wir bauen Möbel aus Müll“, erläutert Dominik Schreyer vom Diakoniewerk. Ausschließlich recycelte Materialien sollen verarbeitet werden, während sich die Sonderbar wieder auf restaurierte Originalstücke konzentriert. Zugleich werden zwei neue Stellen für Langzeitarbeitslose geschaffen, die im Geschäft verkaufen. Der Eröffnungstermin steht auch schon fest: „Urban Mining“ startet am 5. Dezember.