Mülheim. Die Mülheimer entscheiden am 6. Oktober über den Erhalt der VHS in der Müga. Das sind die Hintergründe, Positionen und möglichen Szenarien.
Zum ersten Mal seit sieben Jahren sind die Mülheimer am Sonntag aufgerufen, ihre Stimme bei einem Bürgerentscheid abzugeben. Damals ging es um den Erhalt der Hauptschule Bruchstraße, nun um den der Volkshochschule in der Müga. „Sollen VHS-Grundstück und -Gebäude in der Müga im Eigentum und Besitz der Stadt Mülheim bleiben und der VHS-Betrieb dort wieder aufgenommen werden?“ Über diese Frage wird am Sonntag abgestimmt. Seit Monaten diskutieren Bürgerinitiative, Politik und Vereine über das Für und Wider. Wir geben einen Überblick über die Fakten.
Der Hintergrund: Schließung der VHS wegen Brandschutzmängeln
Die Stadt schließt am 18. September 2017 die Volkshochschule an der Bergstraße wegen Brandschutzmängeln. Ab sofort können in der Müga keine Kurse mehr stattfinden. Bald setzt sich die Bürgerinitiative, bereits 2014 gegründet, für die sofortige Wiederaufnahme von Sanierungsarbeiten und – in Teilbereichen – auch des VHS-Betriebs in der Müga ein. Die Kritik: Zwei Millionen Euro, die für Sanierungsarbeiten in der VHS im Haushalt bereitstanden, wurden über Jahre nicht abgerufen.
Schon im November 2017 droht die Initiative mit einem Bürgerbegehren, im März 2018 legt sie schließlich den Antrag im Rathaus vor – unterstützt mit rund 11.000 Unterschriften. Einen Monat zuvor hat der Rat die Anmietung des alten AEG-Verwaltungsgebäudes an der Aktienstraße für fünf Jahre beschlossen. Die Stadt erklärt das Begehren im April 2018 für unzulässig, muss sich aber im März 2019 der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf beugen, einen Bürgerentscheid zuzulassen. Das für 230.000 Euro erstellte Gutachten wird im Juli vorgestellt – und empfiehlt die weitere Anmietung der Aktienstraße.
Die Positionen: Initiative, Parteien und Sportbund zum Erhalt der VHS
Die Initiative: Die Bürgerinitiative fordert den Erhalt der VHS in der Müga. „Uns geht es um die Wiederinbetriebnahme“, sagt Erich Bocklenberg von der Initiative. Es gehe also nicht darum, die Volkshochschule an der Bergstraße mit den im Gutachten aufgeführten Summen komplett zu sanieren, sondern erst einmal die Brandschutzmängel zu beseitigen.
Die Kosten dafür werden im Gutachten mit rund zwei Millionen Euro beziffert. Allerdings, so hatte es Gutachter Frank Kaldewei bei einem Info-Abend gesagt, reiche die alleinige Beseitigung der Brandschutzmängel nicht aus – welche Summe aber tatsächlich für die Wiederinbetriebnahme nötig sei, könne er nicht sagen.
Die Parteien: SPD, CDU, Grüne und FDP sprechen sich für ein „Nein“ beim Bürgerentscheid aus. Die Fraktionen von MBI, BAMH, Wir aus Mülheim und Bündnis für Mülheim empfehlen den Bürgern, mit „Ja“ zu stimmen.
Mülheimer Sportbund: Der Sportbund hat sich ungewöhnlich deutlich gegen den Erhalt der VHS ausgesprochen. Er verweist auf die Sanierungsmaßnahmen an Sporthallen sowie auf den Neubau des Friedrich-Wennmann-Bades. Diese würden durch einen positiven Bürgerentscheid verschoben. Auch Bäderchef Andreas Wildoer hatte deutlich Stellung bezogen: „Wenn bei einem positiven Ausgang des Bürgerentscheids der Neubau des Hallenbades nochmals verschoben würde, ist fraglich, wie lange der Betrieb des bestehenden Bades aufrecht gehalten werden kann.“
Jürgen Abeln: Keine zwei Wochen vor dem Bürgerentscheid hat der Saarner Jürgen Abeln eine neue Idee auf den Tisch gebracht: Er will die VHS zu einem Begegnungs- und Kommunikationszentrum machen – nach dem Vorbild des Essener „Unperfekthauses". Finanziert werden soll die Idee mit Sponsoren, Investoren und Fördermitteln – nicht durch die Stadt. Deswegen sei sie auch nicht integrierbar in das Konzept der VHS, auch weil Kultur- und Freizeitveranstaltungen laut Satzung nicht Aufgabe der VHS sind.
Die Szenarien: Die Auswirkungen des VHS-Bürgerentscheids
Ja: Damit der Bürgerentscheid erfolgreich ist, müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten mit „Ja“ stimmen – das sind rund 13.100 Bürger – und weniger mit „Nein“. Sollte es so kommen, „werden wir das demokratische Votum so schnell wie möglich umsetzen“, sagt Kämmerer Frank Mendack. Zunächst werde das Ergebnis in der Ratssitzung am kommenden Donnerstag bestätigt.
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In der Dezember-Ratssitzung würde die Prioritätenliste der anstehenden Investitionen zugunsten der VHS verändert. Anschließend müsste die Stadt zweimal europaweit ausschreiben: die Planungsphase und die Bauphase. Allein das, so Mendack, dauere drei bis dreieinhalb Jahre. Er stellt klar: „Wenn wir sanieren, dann in dem Umfang, wie er im Gutachten beschrieben ist.“
Heißt: mit einer Investitionssumme von rund 15,7 Millionen Euro. Alleine die Brandschutzmängel zu beheben, ginge nicht, und eine verzögerte Sanierung sei nicht wirtschaftlich. Frühestens in fünf Jahren wäre die VHS an der Bergstraße wieder beziehbar. „An der Haushaltssituation wird sich bis dahin nichts ändern“, so Mendack.
Nein: Sollte die Mehrheit der Bürger mit „Nein“ stimmen oder das Quorum von rund 13.100 Ja-Stimmen nicht erreicht werden, werde sich die Stadt, so Mendack, „um eine öffentliche Nutzung kümmern“. Das hatte der Rat im Juli beschlossen. Die eine oder andere Nachfrage habe es schon gegeben, aber wegen des anstehenden Bürgerentscheids konnten bislang keine Pläne konkretisiert werden.
Klar sei: „Wir können kein zusätzliches Geld in die Hand nehmen“, sagt Mendack. Und weiter: „Wenn wir auf absehbare Zeit keine Nutzung bekommen, hoffen wir, dass sich die Denkmalschutzbehörde bewegt.“ Bei Unwirtschaftlichkeit könnte die Stadt beantragen, den Denkmalschutz aufzuheben, und das Gebäude letztlich abreißen lassen. „Wir setzen aber auf die Nachnutzung.“