Mülheim. . SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff ist wohl mit seiner Initiative zur Abwahl von OB Scholten gescheitert. Er findet zu wenige Unterstützer.

Nur wenige Tage nach seinem Vorstoß zur Abwahl von Oberbürgermeister Ulrich Scholten muss SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff mit einer bitteren Niederlage rechnen. Ein großer Teil seiner eigenen Fraktion wird den Antrag auf ein Abwahlverfahren nicht unterstützen.

Spliethoff selbst sagte am Dienstag auf Nachfrage dieser Redaktion, dass er aus den eigenen Reihen nur zwölf Unterschriften unter dem Antrag zusammenhabe. „Das ist weniger als ich erwartet habe“, gestand Spliethoff ein. Sieben Genossen verweigern ihrem Fraktionschef demnach die Gefolgschaft.

Fraktionen von CDU und FDP wollen am Mittwoch ihre Position festlegen

Damit über den Antrag für ein Abwahlverfahren am 27. Juni im Stadtrat überhaupt abgestimmt werden kann, muss Spliethoff im Vorhinein die Hälfte der Ratsmitglieder hinter sein Anliegen versammeln. Bei zwölf Unterschriften aus seiner eigenen Fraktion fehlen ihm dazu noch 15 weitere.

Die sechsköpfige BAMH-Fraktion hat bislang als einzige ihre Unterstützung zugesagt, Grüne, MBI und Linke sich klar dagegen positioniert. Am Mittwoch beraten die Fraktionen von CDU und FDP, wie sie sich verhalten werden.

Für eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Stadtrat müsste Spliethoff seine Gegner einfangen

Selbst wenn Spliethoff den Antrag in den Stadtrat bringt: Dann wäre eine noch höhere Hürde zu nehmen. Damit es tatsächlich zu einer Bürgerwahl kommt, müsste er eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Rates organisieren.

37 Stimmen wären nötig. Das ist schon rein rechnerisch nicht mehr möglich. Einzige Möglichkeit: Spliethoff würde es gelingen, die Widerspenstigen aus den eigenen Reihen einzufangen oder zumindest dazu zu bewegen, sich der Stimme im Rat zu enthalten. Spliethoff selbst sagte am Dienstag im Gespräch mit der Redaktion: „Ich rechne eher damit, dass wir die Mehrheit nicht erreichen.“

Partei-Chef Aydemir sieht im parteiinternen Streit die „maximale Eskalation“ erreicht

Der kommissarische Parteichef Cem Aydemir beim Neujahrsempfang der SPD im Januar.
Der kommissarische Parteichef Cem Aydemir beim Neujahrsempfang der SPD im Januar. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Spliethoff weht in der Partei derweil heftiger Wind entgegen. In einem Brandbrief an die Mülheimer Genossen kritisiert der kommissarische Parteivorsitzende Cem Aydemir Spliethoff in aller Schärfe: Durch dessen Vorpreschen sei im parteiinternen Streit um den Umgang mit der OB-Affäre die „maximale Eskalation“ erreicht.

„Ohne Ankündigung in der Tagesordnung, ohne Rücksprache mit der Partei, entgegen der Bestimmungen der Fraktionsgeschäftsordnung und der Unterbezirkssatzung“ habe Spliethoff die Ratsfraktion am Mittwoch dazu bewegen wollen, den Antrag zum Abwahlverfahren auf den Weg zu bringen, echauffiert sich Aydemir in seinem Brief.

Zusätzlicher Wahlgang würde rund 150.000 Euro kosten

Das Ansinnen, den OB abwählen zu lassen, führt laut Aydemir zu einer weiteren politischen Eskalation. Er rechnet auch mit hohen Kosten für den Wahlgang, sollte er denn noch möglich werden. Nach Informationen dieser Zeitung rechnet man in der Stadtverwaltung mit rund 150.000 Euro, vielleicht abgemildert, sollte eine Wahl zeitgleich stattfinden mit dem Bürgerentscheid zur Zukunft des VHS-Standortes in der Müga.

Aydemir sieht nach dem desaströsen Abschneiden seiner Partei bei der EU-Wahl, wo die Verluste in Mülheim noch um einiges höher lagen als im Bundestrend, die Gefahr, dass die OB-Affäre die Mülheimer SPD hemmt, sich für die Kommunalwahl 2020 neu aufzustellen. Debatten über kommunalpolitische Zukunftsthemen blieben auf der Strecke, befürchtet er. Das Abwahlverfahren bringe der Partei „endlosen Schaden", so Aydemir, der kommissarisch den Parteivorsitz inne hat, seit OB Ulrich Scholten ihn wegen der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen sich ruhen lässt.

Aydemir appelliert für Neuanfang ohne Spliethoff, Schindler und Scholten

Aydemir zieht für sich eine Konsequenz. Für ihn ist die Vertrauensbasis zwischen Partei- und Fraktionsspitze unabänderlich zerrüttet. Jeder Versucht, zu einer gemeinsamen Linie zu finden, werde „konsequent bekämpft“. Ernüchtert stellt er fest: „Der unablässige Wunsch, die Verhältnisse im Parteivorstand beim Wahlparteitag im September zu ändern, ist offensichtlich größer als der Wille zum solidarischen Miteinander.“

Aydemir appelliert in seinem Brief an die Parteimitglieder, die inhaltliche und personelle Neuaufstellung zu den Kommunalwahlen anzugehen „ohne die Hauptverantwortlichen der kommunalen Krise, die sich unversöhnlich gegenüberstehen und uns fortwährend in ihren persönlichen Konflikt hineinziehen“. Die Redaktion fragte nach, wen er damit meine: Spliethoff, Fraktionsgeschäftsführer Schindler, aber auch OB Ulrich Scholten.

Spliethoff verteidigt sein Vorgehen: Das Wohl unserer Stadt ist gefährdet

SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff reagierte am Dienstag mit einer Stellungnahme.
SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff reagierte am Dienstag mit einer Stellungnahme. © Funke Foto Services | Martin Möller

Spliethoff reagierte noch am Dienstag mit einer Stellungnahme für Genossen mit Funktion in Partei und Fraktion. Darin rekapitulierte er das vergangene Jahr und stellte klar, dass er dem OB im Mai 2018 lediglich einen Rücktritt nahegelegt, ihn aber nicht direkt zum Rücktritt aufgefordert habe.

Der Fraktionschef begründete auch, warum er nun die OB-Abwahl angestrebt: Stadt und SPD befänden sich mit der OB-Affäre „in einer andauernden Abwärtsspirale“. Die Kritik an der Amtsführung von Scholten ziehe weite Kreise. Der OB lasse Initiativen vermissen etwa zur Bekämpfung der Gewerbeflächennot, er rudere im Nachgang zu Ratsentscheidungen zurück, jüngst beim ÖPNV, bleibe wichtigen Gremien und Fraktionssitzungen fern und lasse Führung im Rathaus vermissen.

OB-Interview hat laut Spliethoff Fass zum Überlaufen gebracht

Das OB-Interview Anfang vergangener Woche mit dieser Zeitung habe „nun endlich weitere Schritte notwendig gemacht“. Weil Scholten es offengelassen habe, 2020 als unabhängiger OB-Kandidat anzutreten. Aber auch, weil er im Interview deutlich gemacht habe, dass ihn die Kritik an seiner Amtsführung entweder nicht erreiche oder interessiere.

„Das Wohl unserer Stadt ist gefährdet“, stellt Spliethoff fest. Die politische Arbeit der SPD sei in der verfahrenen Situation gehemmt.