Mülheim. . Erstmals ist die Unterversorgung in Ruhrgebietsstädten anerkannt worden. Bis zu 14 weitere Praxen wären stadtweit in den nächsten Jahren möglich.
- Ein Forschungsinstitut hat die schlechtere Versorgung von Patienten in den Ruhrgebietsstädten nachgewiesen
- Der Gemeinsame Gutachterausschuss in Berlin hat den Mangel erstmals anerkannt
- Die Ärztekammer rechnet in den nächsten Jahren mit mehr Hausarztsitzen in Mülheim
Die Zahl der Hausärzte könnte in Mülheim in den nächsten fünf bis zehn Jahren steigen. Erstmals hat jetzt der Gemeinsame Gutachterausschuss, das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands, die Unterversorgung in den Ruhrgebietsstädten anerkannt. Der Ausschuss schließt sich damit einem umfangreichen Gutachten durch das Iges Forschungsinstitut für Gesundheitsfragen an. „Dies ist eine gute Nachricht für Patienten. Es kann auch nicht länger akzeptiert werden, dass die Patienten im Ruhrgebiet medizinisch schlechter versorgt werden als anderswo“, sagt der Mediziner und Vorsitzende der Mülheimer Ärztekammer Uwe Brock.
Menschen kränker als anderswo
94 Hausärzte praktizieren derzeit in Mülheim. Auf jeden kommen nach der derzeitigen Versorgungsquote bis zu 2100 Bürger. Anderswo in Deutschland kommen auf einen Hausarzt deutlich weniger potenzielle Patienten, nämlich etwa 1700. Seinen Ursprung hat die schlechtere Quote im Ruhrgebiet in der Annahme, dass durch die vielen Krankenhäuser, die Ambulanzen und durch den nahtlosen Übergang der Städte die Versorgung nicht schlechter ausfalle als anderswo. Ein Trugschluss, betont Brock und sieht dies durch die Gutachter bestätigt. Die kommen nämlich zu dem Ergebnis, dass die Menschen im Ruhrgebiet eher mehr Ärzte bräuchten als andere Regionen, die Menschen seien kränker, sie sterben in der Regel auch früher.
Vergleiche zogen die Gutachter mit dem Rheinland und dem Rhein-Main-Gebiet: „Wer dort als Patient lebt, wird besser versorgt“, sagt Brock und hält es für höchste Zeit, dass der Missstand in den nächsten Jahren behoben wird.
Kampf gegen Ungleichbehandlung
In Stadtteilen wie Styrum, wo die Versorgungsquote noch schlechter ausfällt als ohnehin schon im Ruhrgebiet, kam es in der Vergangenheit bereits zu Unterschriftensammlungen von Bürgern. Die bisherige NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens hatte mehrfach die Ungleichbehandlung angeprangert, sah sich jedoch auf Länderebene allein nicht imstande, dies zu ändern. Der Mülheimer Stadtrat hatte sich mehrfach mit dem Problem des Hausarztmangels befassen müssen, bei der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer war es ein Dauerthema in den vergangenen Jahren.
Die Beseitigung des Problems wird jedoch nicht einfach, Geduld ist erforderlich: „Die Handlungsoption einer sofortigen und vollständigen Aufhebung des Sonderstatus Ruhrgebiet hätte zur Folge, dass insgesamt 1135 zusätzliche Arzt- und Psychotherapeutensitze im Ruhrgebiet entstünden“, heißt es im Gutachten. Allein 566 entfielen auf Hausärzte, 293 auf Psychotherapeuten. Doch gerade bei den Hausärzten fehlt der Nachwuchs. Rund 68 Prozent der Sitze, so die Einschätzung der Gutachter, könnten in den nächsten fünf Jahren allein aus dem Grund nicht besetzt werden. Bei der Weiterbildung zum Facharzt, bedauert Brock, sei der Hausarzt nach wie vor stark unterrepräsentiert. Er wäre jedoch froh, wenn schon mal ein Anfang gemacht würde, um das Ungleichgewicht zu beheben.