Stadtmitte. Drei Mülheimer Apotheken wurden schon im 18. Jahrhundert gegründet. Ihre wechselvolle Geschichte zeigt den historischen Wandel auf.

  • Als die heutige Engel-Apotheke 1732 ihre Zulassung erhielt, war Mülheim noch ein Kirchspiel
  • Die drei ältesten Apotheken sind Engel-Apotheke, Hirsch-Apotheke und Adler-Apotheke
  • Im Zweiten Weltkrieg wurden die Apotheken größtenteils zerstört

Drei der Mülheimer Apotheken wurden bereits Mitte des 18. Jahrhunderts gegründet – zwei von ihnen gibt es bis heute. Mit ihrer Historie sind zugleich Stadtentwicklung, Familiengeschichte und der Wandel des Berufsbilds des Apothekers verwoben. Heute noch zeugen historische pharmazeutische Gerätschaften wie Mörser, Waagen, Salbentiegel und Flakons von einer völlig anderen Zeit. Auch Manfred Ulbrich, bis 2009 Inhaber der Engel-Apotheke, hegt solche Schätze und taucht gerne ein in die Historie der Apotheke.

Als die heutige Engel-Apotheke 1732 ihre Zulassung erhielt, war Mülheim noch ein Kirchspiel, der Beruf des Apothekers deutlich handwerklicher geprägt als heute. Die drei ältesten Apotheken – Engel-Apotheke, Hirsch-Apotheke und Adler-Apotheke – haben sich vor Jahrhunderten alle rund um den Kirchenhügel angesiedelt.

Bevor die erste Apotheke in Mülheim die Einwohner mit Arznei versorgte, taten dies Wundärzte, Heilpraktiker, Marktschreier oder auch Scharlatane, Bader und Barbiere. Aus Nürnberg war der erste Apotheker Mülheims, Friedrich Albert Künzel, an die Ruhr gekommen. Er erhielt seine Konzession für die später Engel-Apotheke benannte Apotheke 1732 von der damaligen bergischen Unterherrschaft Broich, vom Grafen Christian Karl Reinhard von Leiningen-Dachsburg. Benannt nach ihrem Besitzer befand sich die Künzelsche Apotheke auf dem Kirchenhügel im späteren Kortum-Haus an der Kettwiger Straße und zog später in die Bachstraße um. Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Apotheke schließlich den Namen „Engel-Apotheke“ erhalten.

„1903 hat mein Großvater – einer alten Apothekerfamilie aus Berlin entstammend – die Konzession für die Engel-Apotheke gekauft“, berichtet Dr. Manfred Ulbrich, der schließlich wie sein Vater eine Chronik über die Engel-Apotheke verfasst hat, die Familientradition fortsetzte und Pharmazie studierte. Ulbrich erinnert sich noch genau an die Nacht des verheerenden Bombenangriffs vom 22. auf den 23. Juni 1943, als das Haus an der Ecke Bachstraße durch Brandbomben zerstört wurde. „Wir hatten uns im Keller in Sicherheit gebracht, konnten aber nach dem Angriff nicht wieder oben heraus, weil die Trümmer alles zugedeckt hatten“, berichtet der 80-Jährige. Erst durch Verbindungsgänge zu anderen Kellern gelangte die Familie ins Freie und rannte zur Ruhr hinunter. Nach den weiteren Wirren des Krieges eröffnete die Engel-Apotheke zunächst 1947 in einem teilweise zerstörten Haus am Kohlenkamp, bevor sie Mitte der 50er Jahre ihren heutigen Standort an der Schloßstraße 26 mit großem Laborbereich bezog. Hier wirkte auch Dr. Manfred Ulbrich seit den 79er Jahren als Apotheker – zunächst gemeinsam mit seinem Vater – bis er die Apotheke 2009 an die heutige Inhaberin Masoumeh Hediehlou übergab. Die Tradition der Apotheker-Familie Ulbrich hat damit aber kein Ende gefunden – Ulbrichs Tochter Christine arbeitet nach wie vor in der Engel-Apotheke.

Die dritte Mülheimer Apotheke, die an das Alter von Engel- und Hirsch-Apotheke (siehe unten) heranreicht, ist die Adler-Apotheke. Sie erhielt 1777 ihre Konzession, besteht heute aber nicht mehr.

Hirsch-Apotheke ist zweitälteste Apotheke in Mülheim

Die zweitälteste Apotheke von Mülheim ist die Hirsch-Apotheke, 1767 gegründet. Die Hirsch-Apotheke hat aber neben ihrem 250-jährigen Bestehen noch eine weitere Besonderheit, die in der Umgebung nach Aussage des Inhabers Dr. Hermann Liekfeld ihres Gleichen sucht: In diesem Jahr ist die Apotheke seit 150 Jahren in Familienbesitz, mit Liekfelds Tochter Janka ist 2002 die sechste Generation in den Apotheken-Betrieb eingestiegen. Zum doppelten Jubiläum will Apotheker Dr. Hermann Liekfeld im Herbst eine Chronik herausgeben. Darin zu lesen sein wird auch, dass der erste Apotheker mit Namen Kohl seinerzeit 40 Taler für die Konzession zahlte. Zunächst war die Hirsch-Apotheke an der unteren, wenig später an der oberen Delle beheimatet, seit 1957 dann an der Leineweberstraße, wo sie sich auch heute noch befindet. Während des Zweiten Weltkriegs – in der verheerenden Bombennacht im Juni 1943 – wurde die Hirsch-Apotheke komplett zerstört. Allein der goldene Hirsch, der auch heute noch im Schaufenster der Apotheke zu sehen ist, hat den Luftangriff überstanden und konnte gerettet werden.

Der erste Apotheker aus der Familie Liekfeld, Heinrich Liekfeld, der die Apotheke 1867 übernahm, leistete den Mülheimern damals neben der Versorgung mit Medikamenten noch einen zusätzlichen Dienst: Als Chemiker verhalf er seiner Heimatstadt zu besserem Wasser: Nachdem er die damals noch gebräuchlichen Brunnen untersucht und die Wasserqualität für bedenklich eingestuft hatte, wurden die Brunnen geschlossen und eine zentrale Wasserversorgung gebaut.

Auch der heutige Apotheker Dr. Hermann Liekfeld ist nicht nur in der Pharmazie tätig, sondern hat zusätzlich ein Medizinstudium absolviert und betreibt als niedergelassener Arzt eine Praxis in Düsseldorf. Seinen Doppelberuf als Grundlage nutzend, hält der Mülheimer Vorträge und Seminare. Blickt Liekfeld zurück zu den Anfängen seiner Laufbahn an der Leineweberstraße Anfang der 70er Jahre, sieht er den Beruf des Apothekers grundlegend gewandelt: Bürokratie, Internethandel und die hohe Apothekendichte seien Gründe dafür.

>> Eine der ältesten Ansichten Mülheims stammt aus dem Jahre 1605 und zeigt das Dorf Mülheim mit Petrikirche und einigen Häusern am Kirchenhügel. Dort haben sich auch die ersten Apotheken angesiedelt.

Das Haus Kettwiger Straße 6, das ehemalige Kortum-Haus, das die erste Mülheimer Apotheke, die Künzelsche Apotheke, beherbergte, wurde 1957 abgerissen. Es befand sich etwa dort, wo heute das CVJM-Haus steht.

Als Grundlage für die Historie dient ein „Zeitzeichen“-Artikel über die Konzessionen der ältesten Apotheken in Mülheim, verfasst von Annett Fercho, Mitarbeiterin des Mülheimer Stadtarchivs.