Herne. . Über eine “indirekte Gehaltserhöhung“ dürfen sich die Mitarbeiter des Unternehmens “Reifen Stiebling“ freuen: Seit Februar bezahlt ihr Chef einen Teil der Stromrechnung. Das Angebot in Kooperation mit den Stadtwerken, das ausschließlich Ökostrom umfasst, hat sich in der Firma zum Renner entwickelt.

Das Herner Unternehmen „Reifen Stiebling“ bezahlt in einem einmaligen Pilotprojekt - und das wohl bundesweit - seinen Mitarbeitern seit Februar einen Teil der Stromrechnung. In Kooperation mit den Stadtwerken hat Stiebling „Energiegutscheine“ entwickelt. Monatlicher Wert: 44 Euro. Das entspricht dem Betrag, den eine Firma steuerfrei als zusätzlichen Gehaltsbestandteil seinen Beschäftigten zur Verfügung stellen kann.

Firmenchef Christian Stiebling erläutert den Impuls für diese „indirekte Gehaltserhöhung“ so: In den Gesprächen mit den Mitarbeitern habe er die Sorge gespürt, dass es in mancher Haushaltskasse angesichts der dramatisch gestiegenen Stromkosten eng werden könnte. Er habe nach Lösungen gesucht, um diese Sorgen zu nehmen. Ergebnis: die Energiegutscheine.

Welche Wirkung diese in Euro und Cent entfalten können, erläuterte Personalleiterin Regina Gabryszczak: Mit ihrem Vier-Personen-Haushalt liege ihre jährliche Stromrechnung bei etwa 1250 Euro. Ziehe man den Gutscheinbetrag von 528 Euro ab, ergebe sich eine Ersparnis von etwa 40 Prozent. „So eine Gehaltserhöhung bekommt man in keiner Firma“, sagt Gabryszczak. Das Unternehmen investiert im ersten Jahr insgesamt 37.000 Euro in die Zusatzleistung. Damit wolle er ein Stück Kaufkraft in Herne halten und die Stadt ein Stück weit stärken.

Hoffnung auf einen Dominoeffekt

Bei Stadtwerke-Vorstand Ulrich Koch lief Stiebling mit seinem Vorhaben offene Türen ein. „Das ist eine tolle Sache, die Umsetzung war bei uns nur eine Frage der Organisation“, so Koch. Es sei sehr zu begrüßen, dass ein Unternehmen den geldwerten Vorteil in Energie gewährt. Dies sei auf der anderen Seite allerdings auch ein wenig traurig, weil sich Energie offenbar immer mehr zum Luxusgut entwickle. Er nannte das Schlagwort Energiearmut, das in den vergangenen Monaten auch in Herne eine Rolle spielte.

Auch von Aribert Peters, Vorsitzender des Bunds der Energieverbraucher, kommt Zustimmung. „Es ist erfreulich, dass ein Unternehmen sich angesichts der gestiegenen Belastungen kümmert“, sagte Peters auf Anfrage der WAZ. Koch wiederum geht davon aus, dass die Initiative von Stiebling einen Dominoeffekt auslösen kann. Die Stadtwerke seien in Gesprächen mit weiteren Firmen.

Von den knapp 200 Mitarbeitern des Unternehmens nahmen 70 das Angebot - das ausschließlich Ökostrom umfasst - spontan an. Dass es nicht mehr sind, liegt daran, dass der eine oder andere keinen Vertrag bei den Herner Stadtwerken hat. Auch Auszubildende, die noch keinen eigenen Anschluss haben sowie Aushilfen und Mitarbeiter mit einer Befristung kommen nicht in den Genuss.