Herne. . Mit einem Verdacht auf Schlüsselbeinbruch wollte sich eine Elfjährige im Marienhospital behandeln lassen. Die Klinik wies das Mädchen und seine Mutter unter Bezug auf die Notfall-Regelungen der Kassenärztlichen Vereinigung ab.
Der Vorfall ist bereits drei Tage her, doch May-Britt Krämer ist noch immer wütend und fassungslos. „Das ist ein Unding“, sagt die Horsthauserin über das, was ihr und ihrer Tochter (11) im Marienhospital in Börnig widerfahren ist.
Eine Schlüsselbeinprellung hatte sich die Schülerin in der vergangenen Woche im Urlaub zugezogen. Nachdem sich die Verletzung am Wochenende verschlimmerte und die Schulter anschwoll, suchte May-Britt Krämer am Montag mit ihrer über Schmerzen klagenden Tochter den Kinderarzt auf. Dieser diagnostizierte einen Schlüsselbeinbruch und schrieb ihr eine Überweisung fürs Marienhospital – versehen mit dem ausdrücklichen Hinweis an die Krämers, dass er das formal eigentlich nicht könne. Denn: Eine solche Überweisung dürften nur orthopädische und kinderchirurgische Praxen ausstellen. Er gehe davon aus, dass Angelina trotzdem in der Kinderchirurgie behandelt werde.
Doch genau das passierte nicht. „Ich wurde in der Aufnahme der kinderchirurgischen Ambulanz abgewiesen“, sagt May-Britt Krämer. Nicht so kurz darauf im Evangelischen Krankenhaus, in dem sie wie auch im Marienhospital die „Vorgeschichte“ des Knochenbruchs vortragen hatte. Eine Ärztin nahm sich Angelinas Verletzung an, die sich dann auch tatsächlich als Schlüsselbeinfraktur erwies.
So paradox es klingt: Formal korrekt gehandelt hat offenbar nicht das Evangelische Krankenhaus, sondern das Marienhospital. „Wir haben von der Kassenärztlichen Vereinigung nur eine Zulassung für absolute Notfälle“, sagt Prof. Dr. Ralf-Bodo Tröbs, Chef der Kinderchirurgie am Marienhospital. Jenseits dieser Notfälle benötige man für eine Behandlung die Überweisung eines Orthopäden oder eines Kinderchirurgen. Es gebe sicherlich einen kleinen Ermessensspielraum darüber, was ein Notfall sei. Hinzu komme, so Tröbs, dass die Abteilung am Montag etwas überlastet gewesen sei. Es tue ihm für die Elfjährige leid.
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Auch das tätig gewordene EvK ist an den „Notfall-Passus“ der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gebunden. Auf WAZ-Anfrage verweist eine Sprecherin des EvK Herne ebenfalls auf den „Ermessensspielraum“, wollte aber auf den Sachverhalt nicht eingehen. Der Vorfall sei aus Sicht ihres Hauses eigentlich „nichts für die Zeitung“, so ihr Hinweis.
Sorgen über die Abrechnung von Angelinas Behandlung bei der Kassenärztlichen Vereinigung muss sich die Herner Klinik nicht machen. Man prüfe nicht nach, ob es sich wirklich um Notfälle gehandelt habe, sagt Christopher Schneider, Sprecher der KV Westfalen-Lippe, auf WAZ-Anfrage. „Das ist Vertrauenssache. Wir verlassen uns auf das Urteil der Ärzte.“
Die Vorgaben der KV seien der Tatsache geschuldet, dass Patienten grundsätzlich dazu neigten, in vermeintlichen Notfällen ein Krankenhaus aufzusuchen. Das sei aber häufig gar nicht nötig und verursache erheblich höhere Kosten, so Schneider.