Herne. .

Sie sind so winzig, dass sie sich der menschlichen Wahrnehmung entziehen, doch sie erfordern immer größeren Aufwand, um sie zu bekämpfen: Bakterien. Insbesondere die Krankenhäuser haben damit zunehmend Probleme.

Gerade Einrichtungen wie Krankenhäuser, in denen viele Menschen aufeinandertreffen, deren Immunabwehr sowieso schon geschwächt ist, haben damit zunehmend Probleme. Im vergangenen Monat geriet die Universitätsklinik Mainz in die Schlagzeilen, nachdem dort drei Babys gestorben und mehrere weitere schwer erkrankt waren, die eine mit Fäkalkeimen verunreinigte Nährlösung bekommen hatten. Ob die verseuchte Nährlösung den Tod der Säuglinge verursachte, ermittelt zurzeit noch die Staatsanwaltschaft.

Zwischen einer halben und einer Million Menschen infizieren sich jedes Jahr mit Klinikkeimen, 20- bis 40 000 sterben an den Folgen, schätzt der Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene in Berlin, Dieter Zastrow. Besondere Sorgen bereitet seit einigen Jahren der Methicillin resistente Staphylococcus aureus, kurz MRSA. Dabei handelt es sich um ein Bakterium, das auf eine Weiterentwicklung des Penizillins nicht mehr anspricht. Aber auch Viren wie der Norovirus machen Krankenhäusern zu schaffen. Wie sieht die Situation in den Herner Krankenhäusern aus? Wie halten sie es mit der Hygiene?

Nur ein Drittel aller Krankenhausinfektionen ist nach heutigem Stand vermeidbar

Die Einrichtung von Hygienekommissionen und -ausschüssen, Hygienebeauftragte Ärzte, Hygienefachkräfte, regelmäßige Schulungen des Personals, Begutachtungen und Bewertungen durch externe Fachinstitute und Universitäten - was vielfach noch auf Forderungskatalogen steht, ist in den Herner und Wanne-Eickeler Krankenhäusern schon umgesetzt. Und trotzdem: „Nur ein Drittel aller Krankenhausinfektionen ist nach dem heutigen Stand vermeidbar“, sagt Prof. Dr. Eckhard Müller, Vorsitzender der Hygienekommission der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft und Chefarzt der Anästhesiologie und Intensivmedizin. Doch daran müsse man mit aller Kraft arbeiten.

HFür Professor Dr. Eckhard Müller ist didie Desinfektion der Hände eine SSelbstverständlichkeit. Im EvK hängen aan vielen Stellen Desinfektionsspender.
HFür Professor Dr. Eckhard Müller ist didie Desinfektion der Hände eine SSelbstverständlichkeit. Im EvK hängen aan vielen Stellen Desinfektionsspender. © WAZ FotoPool

So werden im EvK grundsätzlich alle Patienten auf MRSA untersucht, die einer Risikogruppe angehören: „Das sind Patienten, die aus Pflegeeinrichtungen kommen, die aus anderen Krankenhäusern überwiesen oder in den vergangenen 90 Tagen stationär behandelt wurden, aber auch Patienten mit offenen Wunden und Dialysepatienten“, erklärt Prof. Müller.

Im Thoraxzentrum werden grundsätzlich alle Neuzugänge getestet. Bei einem positiven Ergebnis wird zunächst versucht, ambulant das Bakterium zu beseitigen; schlägt das fehl, wird der Patient zwar trotzdem behandelt - aber isoliert in einem Einzelzimmer. „Dieses Verfahren setzen wir zunehmend auch in anderen Bereichen um“, sagt Prof. Müller. Im Haus an der Wiescher­straße bekomme mittlerweile jeder ein Einzelzimmer, solange auch nur der Verdacht auf eine MRSA-Besiedelung bestehe. Denn längst nicht alle Menschen, die Träger des Bakteriums sind, das sich auf den Schleimhäuten niederlässt, wissen davon oder erkranken daran. Aber bei geschwächten Menschen kann es schwere Folgen nach sich ziehen.

Die Isolierung im Einzelzimmer sei aber „nicht allein selig machend“. Weil das Bakterium typischerweise durch Handkontakt übertragen werde, sei es wesentlich, die Hygiene peinlich genau zu nehmen: „Das Desinfizieren der Hände ist das A und O.“ Deshalb gebe es im EvK auch überall Desinfektionsspender, für Ärzte und Pflegepersonal zusätzlich Fläschchen mit Desinfektionsmittel, die sie in den Kitteltaschen mitnehmen können. Auf der Intensivstation finden sich nicht nur Desinfektionsspender an jedem Bett, sondern auch entsprechende Hinweisschilder.

Durch viele unangemeldete Kontrollen werde das Einhalten der Hygienevorschriften, die sich natürlich noch auf vieles mehr erstrecken, immer wieder geprüft. Die erhobenen Daten teilt das EvK dem Robert-Koch-Institut mit, um zu erfahren, wo es steht. Prof. Müller hätte kein Problem damit, die Infektionsraten - wie in Großbritannien vorgeschrieben - auf der Homepage zu veröffentlichen: „Wir liegen unter dem Bochumer Durchschnitt“, sagt Prof. Müller.

Unterwegs auf der Station

„Der Hygieneplan und seine Anweisungen müssen eingehalten werden“, daran lässt Christine Schoppe keinen Zweifel. Sie ist eine der beiden Fachkräfte, die sich in der St. Vincenz-Gruppe Ruhr im St. Anna- und im St. Marien-Hospital Eickel, im Gästehaus St. Elisabeth und im Lukas-Hospiz um die Hygiene kümmern. Unterstützung und Beratung bekommen sie dabei auch von Externen wie dem Hygiene-Institut Gelsenkirchen und der Ruhr-Universität.

Auch Instrumente wie das Bronchoskop müssen sterilisiert werden. Anschließend werden sie in ein steriles Tuch verpackt..
Auch Instrumente wie das Bronchoskop müssen sterilisiert werden. Anschließend werden sie in ein steriles Tuch verpackt.. © WAZ FotoPool

Wichtig ist es für Christine Schoppe, vor Ort zu sein. „Wir sind viel auf den Stationen unterwegs, um die Umsetzung der Hygieneanweisungen zu prüfen und um mit dem Mitarbeitern zusprechen“, sagt sie. Es habe sich im St. Anna-Hospital, ihrem hauptsächlichen Einsatzort, bewährt, auch die jährlich für alle verbindlichen Schulungen auf den Stationen zu machen: „In Kleingruppen, speziell auf die jeweiligen Abteilungen zugeschnitten. Es nutzt ja nichts“, fügt sie hinzu, „wenn man Pläne erarbeitet, die nicht umsetzbar sind.“

Die Eingangsuntersuchung von Risikopatienten, Einzelzimmer für Infizierte, Desinfektionsspender in jedem Raum, Handschuhe, Kittel, Mund- und Haarschutz für Ärzte und Pfleger von Patienten mit Infektionen, die über die Luft übertragen werden - all das macht die Behandlung von infizierten Patienten erforderlich. Werden sie entlassen, steht eine Grundreinigung des Zimmers an - bis hin zum Waschen von Gardinen und Vorhängen.

Vieles aus dem Arbeitsbereich von Christine Schoppe und ihrer Kollegin bemerken die Patienten aber gar nicht. So prüfen die beiden Hygienefachkräfte auch, ob die medizinischen Instrumente korrekt aufbereitet werden, ob sie richtig verpackt und sterilisiert sind. Alle drei Monate werden die Hygienemaßnahmen im Operationsbereich geprüft, alle sechs Monate die in der hauseigenen Apotheke.

„Das Problem ist“, sagt Christine Schoppe, „dass zu viele Antibiotika verschrieben werden, gegen die die Keime dann Resistenzen entwickeln. Und so lange nicht gezielter verordnet wird . . .“

Restrisiko: der Besucher

Die Empfehlungen des Robert-Koch-Institut sind in den beiden Häusern des Universitätsklinikum Marienhospital Herne Richtschnur auf dem Hygienesektor, der auch am Hölkeskampring und in Börnig einen immer größeren Umfang annimmt. Allein für Reinigung und Hygienemaßnahmen gebe das Marienhospital jährlich mittlerweile fünf Prozent des Gesamtbudgets aus, so Verwaltungsdirektor Holger Raphael. Regelmäßig lässt sich das Hospital auch von externen Unternehmen unter die Lupe nehmen, bei einem freiwilligen Hygieneaudit und einem zusätzlichen Risikoaudit. „Wir tun jetzt schon viel mehr als vorgeschrieben ist“, so Raphael, der wie Prof. Müller vom Evangelischen Krankenhaus kein Problem damit hätte, die Infektionsrate zu veröffentlichen, „wenn es einheitliche Kriterien für alle gibt.“

Hygiene ist für alle Krankenhäuser ein großes Thema geworden.
Hygiene ist für alle Krankenhäuser ein großes Thema geworden. © WAZ FotoPool

Ein Aspekt kommt ihm bei der Diskussion um die Ansteckungsgefahr in Krankenhäusern allerdings generell zu kurz: „Wir können unser Personal so gut schulen wie eben möglich, aber nicht die Besucher.“ Es habe schon Fälle gegeben, so Raphael, bei denen ausgeschlossen werden konnte, dass Infektionen aus dem Haus stammten, sondern von außen eingeschleppt wurden: „Wenn sich die Besucher nicht an Hygienemaßnahmen halten, gefährden sie leider auch die Patienten.“

Deshalb habe das Marienhospital die Eingänge so gestaltet, dass die Besucher auf jeden Fall an den Desinfektionsspendern vorbei kommen müssen - ob sie sie benutzen, ist eine andere Sache. „Wenn wir wissen, dass gerade in Herne eine Infektion umgeht, wie zum Beispiel der Norovirus, postieren wir tatsächlich Mitarbeiter neben den Spendern, die die Besucher bitten, sich beim Eintritt ins Krankenhaus die Hände zu desinfizieren. „Die Zahl der Neuinfektionen sinkt dann nachweislich“, sagt Holger Raphael. Es gebe heute Mittel mit kurzen Einwirkzeiten, die man häufig benutzen könne, ohne dass die Haut Schaden nehme. Auch als Verwaltungsmitarbeiter mache er regelmäßig davon Gebrauch: „Das habe ich hier gelernt.“