Herne. Angefangen hat Khalid Ghazi (55) mit fünf Kilometern. Mittlerweile läuft er 100 bei Ultra-Marathons – und zwar für den guten Zweck. So klappt’s.

Vor über 20 Jahren hat der Herner Khalid Ghazi mit dem Laufen angefangen, damals mit fünf Kilometern. Heute läuft der 55-Jährige 100 Kilometer auf sogenannten Ultramarathons wie dem TorTour de Ruhr 2024, ein 100-Kilometer-Lauf entlang des Ruhrtal-Radweges vom Hengsteysee in Herdecke bis zur Ruhrmündung in Duisburg. Dort belegte er am diesjährigen Pfingstwochenende den achten Platz mit 10.55 Stunden. Im WAZ-Gespräch spricht er darüber, was ihn an langen Lauf-Strecken fasziniert und gibt Tipps, durchzuhalten.

Von 5 Kilometern zur Deutschen Meisterschaft

Khalid Ghazi war schon immer sportlich, hat lange Fußball gespielt – sogar bei dem damaligen marokkanischen Erstligisten Hilal Nador. Als es damit zu Ende ging, findet er 2002 im Laufen einen neuen sportlichen Ausgleich zur Arbeit. „Wenn ich nach Hause komme, drehe ich eine Runde, bringe den Kreislauf in Schwung“, erzählt der Sprachdozent. Bei den anfänglichen 5 Kilometern wird es nicht lang bleiben. Der Ehrgeiz packt ihn, und er läuft seinen ersten Marathon. „Vor 15 Jahren habe ich alle zwei Wochen an einem Marathon teilgenommen“, sagt der heute 55-Jährige. Kurz darauf bestreitet er seinen ersten Ultra-Lauf – damals 73 Kilometer. Sein neues Credo: „Je länger, desto besser.“

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Mittlerweile macht er zwar nicht mehr alle zwei Wochen einen Lauf, aber seine Leidenschaft für Ultra-Läufe ist geblieben. „Einmal im Jahr muss es krachen.“ Damit meint er: Zwei bis drei Läufe, ob 6-Stundenlauf, 100-Kilometer-Lauf oder 24-Stunden-Ultratrail. „Das ist eine Herausforderung, ein Abenteuer, bei dem man versucht, über seine Grenzen zu gehen und seinen inneren Schweinehund zu besiegen.“ Und das mit Erfolg: Im Jahr 2022 wird er bei der Deutschen Meisterschaft im 6-Stunden-Lauf in Herne in seiner Altersklasse Zweiter, bei dem Traildorado, einem 24-Stundenlauf-Festival im Sauerland, sogar Erster seiner Altersklasse.

TorTour de Ruhr 2024: 100-Kilometer-Lauf durchstehen

Wie bereitet sich Khalid Ghazi auf diese herausfordernden Läufe vor? „Obwohl ich routiniert bin, habe ich mich drei Monate auf die TorTour de Ruhr in diesem Jahr vorbereitet.“ Zweimal die Woche habe er trainiert. Angefangen mit 19 Kilometern, habe er sich Stück für Stück auf 55 Kilometer gesteigert. „Bis die Hälfte der Gesamtdistanz zur Routine wird, dann ist man einigermaßen gut für die Belastung vorbereitet.“ Dazu komme eine ausgewogene Ernährung, wobei er keine speziellen Diäten mache.

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Wie schafft er es, die Ultra-Läufe am Tag selbst durchzustehen? Zu Beginn trage ihn die Vorfreude und Euphorie, dabei zu sein. „Die ersten 40 Kilometer genieße ich nur.“ Zwischendurch plausche er auch mit anderen Läufern. Danach heißt es, kämpfen und durchbeißen.“ Insbesondere zwischen Kilometer 40 und 60 können Krämpfe und muskuläre Probleme auftreten. „Dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, aufzuhören.“

„Ab Kilometer 80 ist die Physis am Ende, dann quält man sich ans Ziel.“
Khalid Ghazi (55)

„Ab Kilometer 80 ist die Physis am Ende, dann quält man sich ans Ziel.“ Wirklich darüber nachgedacht, abzubrechen, habe er jedoch noch nicht. „Wenn man bis 70 durchgekämpft hat, weiß man, es kann nichts mehr schiefgehen. Notfalls gehe ich nur noch, aber das Ziel werde ich erreichen.“ Die letzten Kilometer regele das Adrenalin. Neben der körperlichen Verfassung kann auch die Strecke selbst zum Verhängnis werden. Am Pfingstwochenende biegt der Herner ab Essen-Werden mehrfach falsch ab. Am Ende kommt er nicht nur von der anderen Seite, sondern auch mit 5 Kilometern mehr ins Ziel gelaufen.

Herner Khalid Ghazi (55) ist am Pfingstwochenende beim Ultralauf TorTour de Ruhr 2024 100 Kilometer gelaufen.
Herner Khalid Ghazi (55) ist am Pfingstwochenende beim Ultralauf TorTour de Ruhr 2024 100 Kilometer gelaufen. © privat | Khalid Ghazi

„‘Nie wieder‘, denke ich mir während und direkt nach dem Lauf.“ Das ändere sich allerdings binnen weniger Tage. „Wenn man ins Ziel einläuft, ist das einfach ein bewegender, stolzer Moment.“

Laufen für den guten Zweck: Spendenläufe

Lange stehen gute Platzierungen, persönliche Rekorde und sportlicher Ehrgeiz für Khalid Ghazi im Vordergrund. Mittlerweile habe sich das verschoben, die Medaillen liegen gut verstaut im Keller, und Wettkämpfe verbinde er mit dem guten Zweck. In seinem Freundes- und Bekanntenkreis werbe er um Spenderinnen und Spender für Projekte, meistens Stiftungen und Vereine, die sich für Kinder einsetzen – und da komme einiges zusammen. „Vor zwei Jahren habe ich für Kinder mit einer Krebserkrankung 6000 Euro gesammelt. Sonst sind es zwischen 3000 und 4000 Euro.“

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Seine Begeisterung für das Laufen gibt er nun weiter: Seit über einem Monat organisiert er jeden Sonntag am Kemnader See in Bochum einen Lauftreff. „Das hat sich schnell herumgesprochen, jetzt sind es schon zwölf Teilnehmer.“ Das liege zum einen an der Ruhe, die der Naturort frühmorgens um 7 Uhr ausstrahlt, zum anderen an der Gemeinschaft beim Laufen.

Welche Tipps hat er für Menschen, die mit dem Laufen anfangen wollen? „Jeder sollte nur so viel machen, wie es geht. Jeder in seinem Tempo.“ Häufig würden sich Anfängerinnen und Anfänger überschätzen und aus dem Stand zu viel wollen. „Wenn man nicht aufpasst, kann man sich schnell verletzen.“ Deswegen sei es ratsam, langsam anzufangen und sich nur Schritt für Schritt zu steigern.

TorTour de Ruhr 2024

Nicht jeder kann mitlaufen. Teilnehmen darf allerdings nicht jeder – es handelt sich um einen „Einladungslauf“. Was bedeutet das? Anmelden können sich nur jene, die von erfahrenen Läufern empfohlen wurden. Die Extremlauf-Erfahrungen müssen mit Referenzen nachgewiesen werden. Die Zahl der Teilnehmenden ist auf 100 begrenzt. „Die Plätze sind ganz schnell weg.“

Den 100-Km-Lauf wird bei diesem Laufevent „Bambinilauf“ genannt, da die Veranstaltung noch längere Distanzen anbietet: 160.9 Kilometer von Arnsberg und 230 Kilometer von der Ruhrquelle in Winterberg bis zur Ruhrmündung an der Rheinorange in Duisburg. Längere Strecken schließe Khalid Ghazi jedoch kategorisch für sich aus. „Das ist nicht so trainierbar, das Verletzungsrisiko zu groß. Da bin ich realistisch.“