Herne. Herne ist Schlusslicht im bundesweiten Wirtschaftsranking. Zu den Gründen und warum es nicht so düster ist, wie es scheint. Ein Experte erklärt.
Herne rutscht ab und wird bundesweit Schlusslicht: Beim aktuellen Regionalranking des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), einem renommierten Wirtschaftsranking für Deutschland, löst Herne Gelsenkirchen vom letzten Platz ab. Hanno Kempermann, Geschäftsführer der IW Consult und einer der Autoren der Studie, erklärt, woran das liegt.
Alle zwei Jahre untersuchen Forscherinnen und Forscher von IW Consult, eine Tochter des Instituts der Deutschen Wirtschaft, „welche Regionen in Deutschland besonders lebenswert sind, einen guten Arbeitsmarkt und eine stabile Wirtschaftsstruktur haben“, teilt das Institut mit. Die Forscher haben 400 Landkreise und kreisfreie Städte in Deutschland miteinander verglichen. Dabei werden Kriterien wie Steuerkraft der Gemeinde, Firmenneugründungen, Zahl der Baugenehmigungen, der Anteil der Hochqualifizierten und die Frauenerwerbsquote, aber auch die Ärztedichte und der Anteil von Naturflächen untersucht. Beurteilt wird zum einen der Ist-Zustand (sogenanntes Niveauranking), zum anderen die Entwicklung der Region (sogenanntes Dynamikranking).
IW-Regionalranking 2024: Zusammenfassung der Ergebnisse
Während München im Niveau-Ranking, das den aktuellen Stand darstellen soll, vorne liegt, sind Ruhrgebietsstädte abgeschlagen. Keine ist unter den Top 10 vertreten. Stattdessen häufen sich die Platzierungen auf den untersten Rängen: Das Schluss-Trio bilden Herne (400), Gelsenkirchen (399) und Duisburg (398). Diese räumliche Konzentration hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Sieger in diesem Bereich ist der Landkreis München vor Mainz.
Im Dynamik-Ranking des Instituts der deutschen Wirtschaft, das Auskunft über die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre gibt, ist Bottrop als erste Ruhrgebietsstadt auf Platz 83. Es folgen Oberhausen (139), Duisburg (154), Herne (157), Dortmund (210), Mülheim (229), Bochum (265), Gelsenkirchen (270) und Essen (320). Sieger in diesem Bereich ist Mainz.
Jede vierte Region in Deutschland sei schwach aufgestellt. „Oft sind in diesen Regionen die Steuern zu hoch, es fehlen qualifizierte Fachkräfte und die Bedingungen für Unternehmen sind nicht attraktiv genug, um sich dort anzusiedeln“, erläutert IW-Experte Hanno Kempermann. Hier sei die Regionalpolitik gefragt. Denn laut der Experten kann es in jeder Ecke Deutschlands Erfolge geben.
Wo liegen Herausforderungen für die regionale Entwicklung von Herne? Welche Hauptgründe gibt es für die schlechte Platzierung?
Hauptgrund: Die schwache Wirtschaftsstruktur. Ein wichtiger Indikator dafür ist die gemeindliche Steuerkraft, die mitunter die Gewerbesteuereinnahmen abbildet. „Aktuell ergeben sich für Herne große Herausforderungen bei der relativ schwachen Steuerkraft von 729 Euro je Einwohner – der Durchschnitt liegt bei 1086 Euro. Würde Herne im Durchschnitt liegen, hätte die Stadt also eine um mehr als 50 Millionen Euro höhere Steuerkraft“, teilt Hanno Kempermann mit. Zentrales Problem seien die hohen Gewerbesteuerhebesätze. Das mache die Stadt unattraktiv für Ansiedlungen.
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Auch im Bereich Lebensqualität schneidet Herne insbesondere bei den Straftaten und der privaten Überschuldung schlecht ab. „Hier werden soziale Herausforderungen deutlich, die sich vermutlich auch auf die sehr schwachen Baugenehmigungen niederschlagen“, ordnet Kempermann die Ergebnisse ein und sagt weiter: „Salopp gesagt: Es scheint so, als ob niemand in Herne bauen wollen würde.“
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Zukunftsperspektive: Wo liegen positive Entwicklungen? Was bedeuten die Ergebnisse für die Zukunft?
Trotz der schlechten Platzierung gibt es auch Hoffnungszeichen. Das zeigt der Blick auf das Dynamik-Ranking der Studie, bei der die jüngsten Veränderungen untersucht werden. Hier schneidet Herne mit Platz 157 deutlich besser ab. Hanno Kempermann hebt hervor: „Wichtig ist der Punkt, dass Herne in den letzten zwei Jahren eine durchaus gute Entwicklung realisieren konnte.“ Im Bereich Arbeitsmarkt liegt Herne sogar auf dem 19. Platz, was besonders an der Beschäftigungsrate von Frauen (12) und dem Altersquotient (81) liegen dürfte.
„In Zukunft muss sich Herne weiter auf die Stärken konzentrieren und den eingeschlagenen Pfad konsequent gehen. Zusätzlich müsste die Altschuldenproblematik vom Bund angegangen werden, damit die Stadt mehr Gestaltungsspielräume hat“, sagt der Experte.