Herne. Ein vorbestrafter Gewalttäter aus Herne soll seinen Tätowierer für einen Tattoo-Patzer gebrandmarkt haben. Jetzt steht er vor Gericht.

Aus Unzufriedenheit über die Qualität eines Tattoos soll sich ein 38-jähriger Herner brutal und schmerzhaft gerächt – und seinem Tätowierer (22) seinerseits das Wort „Fuck“ auf die Stirn gestochen haben. Seit Freitag, 17. Mai, beschäftigt der unglaubliche Fall das Bochumer Landgericht. Der Prozess startet mit einem Hindernis: einem verwaisten Platz auf der Anklagebank.

Die Vorwürfe, um die es vor der 8. Strafkammer geht, machen sprachlos: Es soll angeblich ein verhängnisvoller Zahlendreher gewesen sein, der den vielfach vorbestraften Herner (28 Einträge im Strafregister) zu einer perfiden „Retourkutsche“ getrieben haben soll. Dabei ging es wohl um einen vierstelligen Zifferncode auf den Fingern, vermutlich eine Datumskombination. Zwei von vier Ziffern sollen am Ende an der falschen Stelle tätowiert worden sein. Ort des Geschehens soll eine Mietwohnung an der Saarstraße in Sodingen gewesen sein. Dort sollen sich in der Nacht auf den 7. Dezember 2023 nicht nur der Angeklagte und das spätere Opfer, sondern auch noch mindestens vier weitere Personen aufgehalten haben. Dazu muss man wissen: Der 38-Jährige war erst wenige Stunden zuvor nach Verbüßung einer Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden.

„Willst Du eine Ohrfeige oder selbst ein Tattoo?“

In den frühen Morgenstunden sollen sich die Ereignisse völlig überschlagen haben, das Treffen eskaliert sein. Der auch schon wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Angeklagte soll mit seinem Tätowierer, der ihm vor einiger Zeit das Zahlen-Tattoo gestochen hatte, einen heftigen Streit angezettelt haben. Der Herner soll den 22-Jährigen zunächst so oder so ähnlich bedroht haben: „Willst Du eine Ohrfeige oder selbst ein Tattoo?“ Der Mann soll sich für eine Ohrfeige entschieden, diese auch bekommen haben. Der Angeklagte soll aber einfach nicht lockergelassen und immer wieder mit ein und demselben Vier-Buchstaben-Tattoo auf der Stirn gedroht haben: „Fuck“.

Opfer ist laut Staatsanwaltschaft in erheblicher Weise entstellt

Früher oder später soll der angeblich völlig verängstigte Tätowierer sogar zugestimmt haben, dass der Angeklagte ihn tätowieren könne, nur nicht an dieser Stelle. Der Angeklagte soll sich daraufhin auf den 22-Jährigen gekniet, dieser schließlich jeden Widerstand aufgegeben haben, so dass ihm das Wort auf die Stirn tätowiert werden konnte. Laut Staatsanwaltschaft ist der junge Mann durch die gut sichtbare Tätowierung in erheblicher Weise entstellt. Die Anklage lautet daher auf schwere Körperverletzung. Mindeststrafe nach dem Gesetz: drei Jahre Haft.

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Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten daneben aber auch noch weitere Bedrohungen und Erniedrigungen in den Folgetagen vor. Mitangeklagt wegen Nötigung und gefährlicher Körperverletzung sind in diesem Zusammenhang auch noch der Sohn (19) des Herners und zwei Jugendliche (15 und 17). Am 9. Dezember 2023 soll der Hauptangeklagte gemeinsam mit seinem Sohn und einem strafunmündigen Kind erneut beim Tätowierer in Sodingen aufgetaucht sein und den 22-Jährigen dabei brutal zusammengeschlagen haben. Im Verlauf des Geschehens soll der Hauptangeklagte dem am Boden liegenden Tätowierer ins Gesicht uriniert haben. Bis zum 14. Dezember 2023 sollen noch weitere Nachstellungen stattgefunden haben, dabei soll sogar auch eine Bekannte des Tätowierers an ihrer Arbeitsstelle abgepasst und mit dem Tod bedroht und eingeschüchtert worden sein.

19-jähriger Sohn erschien trotz Ladung nicht zum Prozessauftakt

Als der Hauptangeklagte (schwarzes T-Shirt, Vollbart, Zopf) am Freitag (17.5.) den Gerichtssaal betritt, verdeckt er sein Gesicht notdürftig mit der Hand. Auch er ist am Kopf tätowiert, allerdings nicht mit Buchstaben. Weil sein 19-jähriger Sohn trotz Ladung nicht zum Prozessauftakt erscheint und somit der Platz neben seinem Verteidiger Matthias Düllberg verwaist bleibt, vertagen die Bochumer Richter die Verlesung der Anklageschrift vorerst auf den nächsten Prozesstag (3. Juni). Ob das Verfahren dann möglicherweise ohne den Sohn durchgeführt werden muss, will das Gericht später entscheiden.