Herne. Die Pläne lösten Proteste aus: Wird die Stadttochter GBH bei der Wewole eingegliedert? Das Ergebnis der Prüfung ist da. Es gibt neue Kritik.
Pläne der Stadt für eine Eingliederung der städtischen Gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft (GBH) bei der Wewole (früher: WfB - Werkstatt für Behinderte) hat im September 2022 Irritationen und Protest ausgelöst. Eineinhalb Jahre später ist das Vorhaben nach einer Prüfung endgültig vom Tisch, doch längst nicht alle Fragen sind beantwortet. Im Fokus: das Vorgehen und die Informationspolitik der Stadt.
In nicht öffentlicher Sitzung hatte der Rat am 27. September auf Vorschlag der Verwaltung einen Prüfauftrag für die Eingliederung der GBH beschlossen. Das Ziel der Stadt: Kosten bei der defizitären Gesellschaft einzusparen. Nicht nur bei Teilen der Ratsopposition, sondern auch bei Verdi und der SPD löste dies zum Teil massive Kritik aus. Im Einzelnen:
- Grünen-Ratsfrau Dorothea Schulte warf unter anderem die Frage auf, ob die Wewole und damit Menschen mit Behinderung für den Ausgleich von Verlusten im städtischen Haushalt herangezogen werden sollen. Nach ihren Informationen sei in die Wewole-Stiftung ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag von der Vorgängergesellschaft WfB eingebracht worden. Diese Summe sei von Menschen mit Behinderung erwirtschaftet worden.
- Die Gewerkschaft Verdi zerpflückte das städtische Argument, dass die GBH „defizitär“ sei. Als gemeinnützige Gesellschaft müsse die Gesellschaft keine Gewinne oder Überschüsse erzielen, hieß es. Die GBH erledige seit ihrer Gründung vielfältige und wertvolle Arbeiten bei der Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt. Diese Aufgaben könnten ohne die Stadttochter nicht finanziert werden. Deshalb sei hier ein arbeitsmarktpolitischer Blickwinkel notwendig, kein betriebswirtschaftlich-fiskalischer.
- Der Sozialausschussvorsitzende Patrick Steinbach (SPD) geißelte die GBH-Geschäftsführung: Diese habe gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen, weil das Unternehmen den Betriebsrat nicht vorab über eine mögliche Änderung der Gesellschaftsstrukturen informiert habe. Und auch der (mit Politikern besetzte) GBH-Aufsichtsrat hätte vorab informiert werden müssen, so der Sozialdemokrat (und Bogestra-Betriebsrat).
Von Relevanz sind all diese - von der Verwaltung damals öffentlich nicht kommentierten - Kritikpunkte inzwischen nicht mehr. Die Stadt hat der Politik eineinhalb Jahre nach dem Prüfauftrag des Rates mündlich mitgeteilt, dass eine Eingliederung der GBH bei der Wewole nicht infrage komme. Die Begründung: Zur Sicherung des bisherigen Einflusses der Stadt auf die GBH und damit auf eine aktive sozialpolitische Arbeitsmarktpolitik entstünden „umsatzsteuerliche Hürden bei der Wewole mit erheblichen finanziellen Auswirkungen“.
Kämmerer Hans Werner Klee teilte dies der Politik mündlich im Ausschuss für Finanzen, Beteiligungen und Immobilien (FBI) mit und trat damit offenbar die Flucht nach vorne an. Er kam damit nämlich den Grünen zuvor, die in einem (der Stadt vorliegenden) Antrag für die eineinhalb Wochen später stattfindende Ratssitzung nach dem Prüfungsergebnis gefragt hatte. An der Bewertung durch die Grünen änderte die Stadt mit diesem Vorgehen jedoch nichts. „Es stellt sich schon die Frage, warum das Ergebnis einer oberflächlichen Betrachtung erst nach eineinhalb Jahren mitgeteilt wird“, so die Stadtverordnete Schulte.
Und: Es bleibe erklärungsbedürftig, warum die Verwaltung erst einen Ratsbeschluss herbeiführe und diesen dann nicht umsetze. Die Grünen zielen damit auf die Tatsache, dass die Stadt bislang keinen Prüfbericht vorgelegt habe. Es sei nicht einmal klar, ob es überhaupt eine Prüfung im Sinne des Ratsbeschlusses gegeben habe. „Auch hinsichtlich der Kosten und der hinzugezogenen Gutachter gibt es bislang keine Auskünfte“, so Sozialexpertin Schulte. All diese Fragen soll die Verwaltung nun in der Ratssitzung im Mai beantworten: Ein entsprechender Antrag der Grünen liegt vor.
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Vom Tisch ist das Thema Wewole bei der GBH allerdings nicht: An Stelle einer gesellschaftsrechtlichen Eingliederung werde nunmehr eine „mögliche Kooperation“ geprüft. Für dann gegebenenfalls zu treffende Entscheidungen wären die Organe der GBH und Wewole zuständig, so Kämmerer Klee.
Die Wewole steht zunächst jedoch vor ganz anderen Herausforderungen. Wie berichtet, musste der bisherige Geschäftsführer Rochus Wellenbrock aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden. Über seine Nachfolge wird auch im Rathaus mitentschieden: Die Wewole-Stiftung teilte jüngst mit, dass OB-Büroleiter Florian Adamek in den Vorstand berufen worden sei. Der 53-Jährige teile sich die Gesamtleitung des Sozialunternehmens bis zur Regelung der langfristigen Vorstandsarbeit mit Finanzvorständin Anne Krüger, heißt es weiter. Das Duo soll nun die Suche nach einem Wellenbrock-Nachfolger organisieren und noch in diesem Jahr eine Lösung finden. Die Vorstandstätigkeit bei der Wewole werde Adamek im Nebenamt ausüben.
Getroffen wurde die Entscheidung für Adamek vom Kuratorium der Wewole, dem die städtische Sozialdezernentin Stephanie Jordan vorsitzt - so wie bereits ihr Vorgänger Johannes Chudziak. In dessen Amtszeit als Sozialdezernent, er wechselte im Januar 2023 zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), drängte sich 2022 nach Übergriffen in einem Wewole-Wohnheim die Frage auf, ob diese Doppelfunktion sinnvoll bzw. tragbar ist. Denn: Kontrolliert werden die Wewole-Wohneinrichtungen von der städtischen Heimaufsicht, die wiederum dem Sozialdezernenten bzw. nun der Sozialdezernentin direkt untersteht. Heißt: Jordan überwacht mit der Stadt eine Gesellschaft, in der sie als Mitglied des Kuratoriums Verantwortung trägt.
Info: Beschäftigungsgesellschaft und Wewole
- Die Gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft Herne (GBH) hat derzeit 146 Mitarbeitende. Zurzeit befänden sich 437 Menschen in Maßnahmen, heißt es. Geschäftsführerin der Stadttochter ist seit Mitte 2023 Ira von Borczyskowski, die die langjährige Chefin Ursula Westphal abgelöst hat.
- Die Abkürzung Wewole steht für die drei Arbeitsbereiche Werken, Wohnen und Lernen. Das Sozialunternehmen begleitet nach eigenen Angaben derzeit mit 370 Fachkräften mehr als 1.200 Menschen mit Behinderung.