Herne. Endet in Herne eine Ära? Die Steag will sich in Herne nach 60 Jahren aus der Kohleverstromung verabschieden. Was das für den Standort bedeutet.

Der Essener Energieerzeuger Steag hat die Stilllegung des Blocks 4 auf dem Kraftwerksgelände an der A42 in Herne beantragt. Gibt der Bund grünes Licht, dann endet spätestens im März 2025 eine Ära: Dann wird in Herne keine Steinkohle mehr verstromt.

Die Stilllegung von Herne 4 war ursprünglich bereits für das Frühjahr 2022 vorgesehen. Dann kam der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, und die Lage auf dem Strom- und Gasmarkt änderte sich fundamental. Energie wurde knapp, die Preise schossen in die Höhe. Deshalb verschob die Steag die Stilllegung ihres letzten Steinkohleblocks in Herne - als Beitrag für mehr Versorgungssicherheit in Deutschland, insbesondere im kritischen Winter 2022/23. Mit dem anhaltenden Verfall der Strompreise, so teilt das Unternehmen jetzt mit, verschlechtere sich aber die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Deshalb beantrage die Steag nun die Stilllegung des Blocks 4 bis März 2025. Jetzt müsse abgewartet werden, wie die Bundesnetzagentur darauf reagiere, sagt Unternehmenssprecher Markus Hennes zur WAZ. Werde Herne 4 als systemrelevant eingestuft, dann müsse es am Netz bleiben. Wenn nicht, ende in Herne die Kohleverstromung.

Herne: Klimaneutralität bis zum Jahr 2040

Herne-Baukau ist einer der Kraftwerksstandorte der Steag.
Herne-Baukau ist einer der Kraftwerksstandorte der Steag. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die Strom- und Fernwärmeversorgung bleibe aber auch bei einem Aus gesichert. Und zwar mithilfe des benachbarten Gas- und Dampfturbinenkraftwerks (GuD) Herne 6, das die Steag-Tochter Iqony im Herbst 2022 am selben Standort in Betrieb genommen hat. In Zukunft soll laut Versorger zusätzlich die Abwärme von Industriebetrieben in der Region als weitere Wärmequelle für eine perspektivisch grüne Fernwärmeversorgung im Ruhrgebiet genutzt werden. Das passt ins Unternehmensprofil: Im Rahmen einer Transformation strebt der Steag-Konzern nach eigenen Angaben Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 an.

Steinkohle-Verstromung hat in Herne seit den 1960er Jahren Tradition. Damals, erinnert die Steag, sei der erste Kraftwerksblock Herne 1 an den Start gegangen. Herne 4 sei dann 1989 in Betrieb gegangen - und bis heute am Netz. Die Anlage mit einer Netto-Erzeugungsleistung von 460 Megawatt könne rechnerisch mehr als 1,1 Millionen Vier-Personen-Haushalte rund um die Uhr ein Jahr lang mit Strom versorgen. Das Heizkraftwerk, das nach dem Prinzip der Kraft-Wärmekopplung arbeite, sei zudem eine wichtige Wärmequelle für die Fernwärmeschiene Ruhr. Zuletzt, während der Versorgungskrise nach Beginn des Ukrainekriegs, habe das Herner Werk in seiner „Verlängerungsphase“ viel Strom erzeugen können, so der Sprecher. Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien im Steinkohleblock beschäftigt, 130 auf dem gesamten Gelände. Werde Block 4 geschlossen, kämen die Beschäftigten im GuD-Kraftwerk unter.

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Ein Aus für die Steinkohle sei „natürlich kein leichter Schritt für uns“, sagt Steag-Chef Andreas Reichel in der Steag-Mitteilung. Um anzufügen: „Aber er ist notwendig, um die wiedergewonnene wirtschaftliche Stärke des Gesamtunternehmens zu bewahren.“ Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Herne ändere sich wegen des neuen Gas- und Dampfturbinenkraftwerks erst einmal wenig. Das Gas- und Dampfkraftwerk hat eine elektrische Leistung von 600 Megawatt. Dazu kommt die thermische Leistung von 400 Megawatt. „Zudem bieten sich beim neuen GuD Herne 6 am Standort Herne gute Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für unsere hoch qualifizierte und motivierte Kraftwerksmannschaft“, so Reichel weiter. Herne werde auch in Zukunft ein wichtiger Energiestandort im Ruhrgebiet bleiben.