Herne. Der Rat in Herne stellt sich geschlossen der AfD entgegen. In einer zum Teil hoch emotionalen Debatte stimmte das Gremium einer Erklärung zu.
Der Rat in Herne hat geschlossen gegen die AfD Stellung bezogen. In einer zum Teil hoch emotionalen Dabatte warfen die Fraktionen und Gruppen der AfD eine menschenverachtende Politik vor. Dabei kamen auch Vergleiche zur NS-Zeit auf. Die AfD wehrte sich und sprach von einer Kampagne.
Worum ging es im Rat?
Auf Vorstoß der Grünen hatten SPD, CDU, Grüne und FDP einen Antrag gestellt, dass sich Herne für eine „wehrhafte Demokratie“ einsetzt, gegen Rechtsextremismus Flagge zeigt und sich der „Trierer Erklärung“ des Deutschen Städtetags anschließt. In dieser Erklärung heißt es unter anderem: „Wir nehmen es nicht hin, dass rechtsextreme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren.“ Konkret nimmt der Städtetag dabei Bezug auf die AfD und ihre vom Netzwerk Correctiv aufgedeckten Pläne zur „Remigration“ von Millionen Ausländerinnen und Ausländern aus Deutschland. Remigration? „Das ist nichts anderes als Zwangsausweisung“, stellte Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) zuletzt klar. Mehr noch: „Das sind Deportationspläne.“
Wie reagierte die AfD?
Die dreiköpfige Fraktion wehrte sich. Parteichef und Ratsherr Guido Grützmacher sowie Fraktionschef Thomas Berning traten dazu getrennt ans Rednerpult. Grützmacher (52) sprach von einer Kampagne der Parteien „gegen eine Oppositionspartei“ - aus Angst, bei den kommenden Wahlen Stimmen und Mandate zu verlieren. Darauf laufe es auch in Herne hinaus, weil sich die anderen Parteien für eine „weitere, ungebremste Armutsimmigration“ einsetzten. Dass die AfD Menschen massenhaft deportieren wolle, seien hanebüchene, absurde und erfundene Vorwürfe, so Grützmacher. Dafür erntete er aus der Grünen-Fraktion den Zwischenruf „Lüge“.
Berning äußerte sich ähnlich und griff schließlich OB Frank Dudda (SPD) an, indem er kritisierte, dass dieser von „Deportationsplänen“ gesprochen hatte: „Wo bleibt eigentlich Ihre Neutralitätspflicht?“ In einem Rundumschlag kritisierte der 62-Jährige anschließend alle Fraktionen und Gruppen einzeln, die den Ratsantrag unterschrieben hatten.
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Was entgegnete der Oberbürgermeister?
OB Dudda betonte, dass er hinter dem Grundgesetz stehe, dem die AfD widerspreche. Er kündigte an, dass er sich auch in Zukunft klar gegen dieses Widersprechen positionieren werde. Was die Position der AfD betreffe, da verwies der 60-Jährige auf Björn Höcke, den AfD-Fraktionschef im Thürniger Landtag. Höcke, vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft, sei „Ihr geistiger Vordenker“, so der OB zu den AfD-Ratsherren Berning und Grützmacher. Zuletzt, erinnerte Dudda, habe Höcke davon fabuliert, dass Deutschland mit einer Ausweisung von 20 bis 30 Prozent der Ausländerinnen und Ausländern ohne Probleme leben könne.
Was sagten die Antragsteller?
Seit 1994 sei er im Rat, solche Reden wie die von den beiden AfD-Vertretern an diesem Tag habe er noch nicht erlebt, sagte SPD-Fraktionschef Udo Sobieski. „Sie stellen sich hier hin, brüllen ins Mikro, dass wir Angst vor der AfD haben“, entgegnete der 66-Jährige. Und fügte an: Angst vor der AfD habe niemand. Die SPD sorge sich aber sehr, wenn sie sehe, was die AfD alles vorhabe. Sobieski stellte klar: „Wir werden das mit demokratischen Mitteln hinkriegen, dass Sie in die Schranken gewiesen werden.“ Auch Grünen-Ratsherr Fabian May (29) griff Grützmacher und Berning direkt an. Sie beide seien ebenfalls rechtsradikal und fremdenfeindlich, „auch in Herne lügen und betrügen Sie, was das Zeug hält“. Konsequenz: „Wir bekämpfen Sie“ - in Berlin, in Sachsen, in Düsseldorf und in Herne. FDP-Ratsherr Thomas Bloch (49) nannte die Herner AfD-Fraktion einen „Höcke-Fanclub“ und Hernes AfD-Parteichef Grützmacher einen „Wolf im Schafspelz“. Thomas Berning, kritisierte er, habe an diesem Tag „eine Sportpalast-Rede“ gehalten. Bloch nahm damit Bezug auf die Rede von NS-Reichspropaganda-Minister Joseph Goebbels, der 1943 im Berliner Sportpalast zum „totalen Krieg“ aufrief. Ähnlich äußerte sich CDU-Fraktionschef Christoph Bußmann. Die AfD-Vertreter im Rat wären „die besten Jünger Goebbels‘ gewesen“, sagte er in Anlehnung eines Zitats des früheren CSU-Chefs Franz-Joseph Strauß. „Wir werden das Grundgesetz bis zur letzten Sekunde verteidigen“, so der 35-Jährige. Und: Die AfD müsse weg - „für dieses Land wäre es das Beste“.
Was sagten die anderen Fraktionen und Gruppen?
Es kommt im Rat sehr, sehr selten vor, dass die Linken Beifall aus allen Reihen bekommen. Linken-Fraktionschefin Veronika Buszewski (63) gelang das an diesem Tag mit diesen Worten: „Wir Demokratinnen und Demokraten, egal ob konservativ oder progressiv, egal ob liberal oder sozialistisch, müssen hier alle an einem Strang ziehen und sagen: Eine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Kräften kann und darf es niemals - unter keinen Umständen - geben.“ Die AfD müsse in Herne gestoppt werden: „Bis hier hin und nicht weiter - für Hass und Hetze ist hier kein Platz.“ Ähnlich äußerte sich Lars Wind (Piraten). Schäbig seien die Parolen und Anfragen der Herner AfD, sie betreibe nur „billige Polemik“. „Damit werden wir Sie nicht durchkommen lassen, das verspreche ich Ihnen“, so der 29-Jährige.
Wie wurde abgestimmt?
Der Rat nahm den Antrag, dass sich das Gremium der „Trierer Erklärung“ des Städtetags anschließt, mit 55 Ja-Stimmen an. Wenig überraschend: Drei Stadtverordnete sagten Nein - die der AfD-Fraktion.
Die Ratsdebatte kann im Rats-TV verfolgt werden. Die Aufzeichnung der Sitzung ist abrufbar im Intrernet auf www.herne.de/Rathaus/Politik/Rats-TV/