Herne. Beim Holocaust-Gedenktag in Herne mahnte der Oberbürgermeister, wachsam und demokratisch zu bleiben. Er sprach von „Deportationsplänen“ der AfD.

Vor 79 Jahren wurden das Konzentrationslager Auschwitz und die dazugehörigen Nebenlager von den sowjetischen Truppen befreit. Seit Jahren gedenkt die Stadt Herne rund um den Jahrestag am 27. Januar der Opfer des Holocaust.

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In diesem Jahr hatte diese Veranstaltung für alle Beteiligten eine besondere Bedeutung. Hernerinnen und Herner berichteten ihm von ihren Ängsten und der Sorge vor dem Abdriften der Demokratie, sagte Oberbürgermeister Frank Dudda in seiner Rede im Kulturzentrum. Das geheime Treffen von AfD und Rechtsextremen habe ihn erschüttert. „Wir dürfen das nicht verharmlosen“, betonte der OB. In dem Treffen, das durch Recherchen des Netzwerks Correctiv aufgedeckt wurde, wurde von einer „Remigration“ von Ausländern gesprochen. Das sei, so der OB, ein Euphemismus. „Das ist nichts anderes als Zwangsausweisung.“ Und mehr noch: „Das sind Deportationspläne.“

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Appell des Oberbürgermeisters: „Bleiben Sie demokratisch“

Rassismus und Antisemitismus fänden in Herne keinen Platz. „Denn hier gilt: nicht mit uns!“ Für diese und viele weitere Aussagen erntete der Oberbürgermeister Applaus aus dem Publikum. „Bleiben Sie demokratisch. Wir sind hellwach. Es war noch nie so wichtig wie jetzt, Farbe zu bekennen.“ Das könnten alle Hernerinnen und Herner noch am selben Tag tun, so Dudda: bei der Demo gegen die AfD am Europaplatz.

Zahlreiche Gäste nahmen an der Gedenkveranstaltung im Kulturzentrum teil.
Zahlreiche Gäste nahmen an der Gedenkveranstaltung im Kulturzentrum teil. © FUNKE Foto Services | Marie-Christin Jacobs

Aber nicht nur der Oberbürgermeister bekam für seine Worte Zustimmung aus dem Publikum. Auch die Menschenrechts-AG der Gesamtschule Wanne-Eickel sorgte mit ihren Beiträgen für Applaus. Neben Wortbeiträgen und Gedichten las eine Schülerin einen Brief von Irit Matan und ihrer Mutter Esther Hocherman, geborene Jankielewitz. Hocherman hatte im Februar 1939 ihre Heimatstadt Herne als siebenjähriges Mädchen ohne die Eltern verlassen müssen. In einem Kindertransport gelang ihr die Flucht zunächst nach Belgien und anschließend nach Frankreich. Ihren Vater und ihre Mutter sah sie nie wieder: Die Herner Juden Rosa und Hermann Jankielewitz wurden 1944 von den Nazis im KZ Stutthof ermordet.

In dem Brief an die Stadt Herne nimmt sie bzw. ihre Tochter Irit Matan Stellung zum Massaker der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel. „Die Reaktion des deutschen Volkes auf die Ereignisse vom 7. Oktober hat uns klargemacht, dass Deutschland bereit ist, die Verantwortung für die Shoah zu übernehmen. Deutschland leugnet nicht den Antisemitismus, der immer noch das jüdische Volk und Israel bedroht, und ist uns zur Seite getreten. Auch die Menschen in Herne. Wir haben diese Nachricht erhalten. Danke dafür“, las die Schülerin aus dem Brief vor. (Den ganzen Brief können Sie hier lesen.)

Schüler schildern Lehrern ihre Ängste

Die Lehrerband der Gesamtschule Wanne-Eickel sorgte für die musikalische Begleitung der Veranstaltung. Zum Schluss gaben sie das Lied „Sie brauchen keinen Führer“ von Udo Lindenberg zum Besten. Darin heißt es unter anderem: „Ja, früher waren‘s die Juden. Und heute sind die Türken dran.“ In der Vorbereitung auf den Tag seien sie schockiert gewesen über die Aktualität des Textes, sagte einer der Lehrer. Und: „Einige Kinder haben momentan konkrete Ängste, dass sie bald nicht mehr in Deutschland leben können.“ Ein anderer Kollege ergänzte: „Mit Rechten zusammen zu marschieren, ist die denkbar schlechteste Alternative.“

Beendet wurde die Gedenkveranstaltung am Shoah-Mahnmal auf dem Willi-Pohlmann-Platz mit Gebeten und Wortbeiträgen der katholischen, evangelischen, jüdischen und muslimischen Gemeinden sowie einer Schweigeminute für all die Opfer des Holocausts.