Herne. Von 88.000 bis 425.000 Euro: Was die Chefs im Konzern Stadt verdienen. Und warum es bei diesen Herner Einkommen an Transparenz mangelt.
Der Herner Sparkassen-Chef hat ein höheres Einkommen als der Bundeskanzler, der Geschäftsführer der Herner Bädergesellschaft verdient mehr als der Oberbürgermeister: Das sind die hervorstechendsten Zahlen beim Blick auf die Einkommen der Chefs im Konzern Stadt und bei der öffentlich-rechtlichen Sparkasse. Fakt ist auch: In Sachen Transparenz sind andere Städte deutlich weiter.
Die Einkommen: Wenn‘s um Geld geht
Auf Anfrage der WAZ hat die Stadt alle Bezüge der Geschäftsführungen der städtischen Töchter und Eigenbetriebe aufgelistet. Die öffentlich-rechtliche Sparkasse Herne lässt dagegen regelmäßig von sich aus die Hosen runter: Im umfassenden Geschäftsbericht findet sich auch die Bezüge des Vorstands. Eine Gesamtvergütung von 425.000 Euro hat demnach der Vorsitzende Antonio Blanquez im Jahr 2022 erhalten. Zum Vergleich: Das Gehalt von Bundeskanzler Olaf Scholz liegt bei „nur“ 361.000 Euro.
Das sind die Vergütungen fürs Jahr 2022 bei den Stadttöchtern: Antonio Blanquez (Sparkasse) 425.000 Euro, Ulrich Koch (Stadtwerke) 283.000 Euro, Lothar Przybyl (Herner Bädergesellschaft) 175.170 Euro, Mirko Strauss (Wanne-Herner Eisenbahn und Hafen - WHE) 161.000 Euro, Karsten Krüger (HCR) 150.952 Euro, Thomas Bruns (Herner Gesellschaft für Wohnungsbau - HGW) 145.000 Euro, Carsten Sußmann (Entsorgung Herne) 135.000 Euro, Thorsten Kinhöfer (Container Terminal Herne - CTH) 116.184 Euro, Birgit Westphal (Gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft - GBH) 93.993 Euro, Holger Wennrich (Stadtmarketing) 88.000 Euro, Dirk Drenk (Wirtschaftsförderungsgesellschaft - WGH) 78.750 Euro (ab 1. Juni 2022). Die tariflichen Gehälter des städtischen Verwaltungsvorstands: OB Frank Dudda 144.432 Euro, Stadtdirektor Hans Werner Klee 123.305 Euro, Beigeordnete Karlheinz Friedrichs, Frank Burbulla und Johannes Chudziak jeweils 116.795 Euro, Beigeordneter Andreas Merkendorf 109.902 Euro. Über eventuelle Nebentätigkeiten müssen die Beigeordneten laut Nebentätigkeitsverordnung des Landes bis Jahresende informieren, sofern diese 1200 Euro übersteigen. Diese Angaben seien aber nicht öffentlich, so die Stadt.
Zurück zur Sparkasse: In dem Bericht werden für Blanquez im Jahr 2022 zusätzlich Zuführungen für Pensionsrückstellungen in Höhe von 411.000 Euro angegeben. Der „Barwert“ aller bisherigen Pensionsrückstellungen für den Vorsitzenden der Sparkasse betrug zum 31. Dezember 2022 insgesamt rund 5,57 Millionen Euro. Die Gesamtvergütungen von Sparkassen-Vorstandskollege Dirk Plötzke waren 2022 mit434.000 Euro sogar höher als beim Chef. Erklärung: Anders als Blanquez erhält er keine zusätzlichen Leistungen für seine Pension.
Ist es angemessen, dass ein Herner Sparkassen-Chef und sein Vize ein höheres Einkommen haben als der Bundeskanzler? Das Kreditinstitut verweist auf Anfrage darauf, dass die Höhe der Vorstandsgehälter vom Verwaltungsrat festgelegt würden. Dieses (von OB Dudda geführte und unter anderem mit Stadtverordneten besetzte) Aufsichtsgremium orientiere sich an den Empfehlungen des Sparkassenverbandes, so Sparkassen-Sprecher Jörg Velling. „Grundlage für die Bemessung ist eine Vielzahl finanzieller und wirtschaftlicher Indikatoren der Sparkasse.“ Die Empfehlungen berücksichtigten zudem „die hohen fachlichen Anforderungen“ an einen Sparkassenvorstand. Und auch die Höhe der Pensionsansprüche entspreche den üblichen Branchenmaßstäben und erfolge auf Basis der Richtlinien.
Von Sparkassen-Gehältern können der OB und die städtischen Geschäftsführer nur träumen. Frank Duddas Besoldungsstufe (B9) orientiert sich an der Herner Einwohnerzahl. Zu seinen Bezügen von rund 144.000 Euro kamen 2022 noch Nebeneinkünfte in Höhe von rund 28.400 Euro, von denen er 4600 Euro der Stadt abtreten musste. Was erstaunt: Sein früherer Büroleiter Lothar Przybyl erhält nach seinem Wechsel zur städtischen Bädergesellschaft (mit Revierpark Gysenberg GmbH) mehr Geld als er.
Zu viel oder zu wenig? Das sagen Vertreter der Politik
„Angemessen“ : So bewerten der Chef der größten Ratsfraktion - Udo Sobieski (SPD) - und der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion - Thomas Reinke (Grüne) - unterm Strich die Bezüge der Spitzenkräfte in Stadtgesellschaften, ohne auf einzelne Summen einzugehen. Sie bewegten sich in den „marktüblichen Größenordnungen“, erklärt SPD-Fraktions-Chef Sobieski. Und sie spiegelten die Verantwortung wider, die die jeweiligen Vorstände und Geschäftsführungen trügen.
„Das sind durchaus gut bezahlte Jobs“, sagt Reinke. Man müsse aber berücksichtigen, dass man bei der Suche nach qualifizierten Führungskräften mit Unternehmen der freien Wirtschaft konkurriere. Erschwerend komme hinzu, dass bei den Einkommen die Schere zwischen städtischen Unternehmen und der Privatwirtschaft immer weiter auseinander gehe.
In Relation zu den wie der OB nach Tarif bezahlten Beigeordneten im Verwaltungsvorstand (siehe Grafik) seien die Vergütungen bei den kommunalen Unternehmen allerdings recht hoch, so Reinke. Ein 1:1-Vergleich der verschiedenen Aufgabenbereiche sei zwar kaum möglich. Er könne aber nicht erkennen, dass Beigeordnete oder sogar einige städtische Fachbereichsleiter weniger Verantwortung trügen als Geschäftsführer der Stadttöchter und -eigenbetriebe.
Transparenz ist nur ein Wort
Wenn sich ein Bürger/eine Bürgerin beispielsweise in Gelsenkirchen, Oberhausen oder Essen über die Gehälter der Führungskräfte in städtischen Gesellschaften und Eigenbetrieben informieren möchte, hat er/sie es wesentlich leichter als Hernerinnen und Herner. Denn: In den öffentlichen Beteiligungsberichten dieser Kommunen sind die jährlichen Einkommen und zusätzlich sogar die Vergütungen für Aufsichtsratsmitglieder transparent aufgeführt.
Es bestehe keine gesetzliche Verpflichtung zur Benennung dieser Vergütungen im jährlichen Beteiligungsbericht, betont Stadtsprecher Christoph Hüsken. Vielmehr ergebe sich aus der Gemeindeordnung NRW eine Pflicht zur Veröffentlichung der Bezüge im Anhang zum Jahresabschluss. Da diese Jahresabschlüsse der Stadttöchter vom Rat und seinen Ausschüssen in öffentlichen Sitzungen bestätigt werden müssen, klingt das zunächst mal transparent. Schaut man sich allerdings die Vorlagen zu den jeweiligen Jahresabschlüssen 2022 im Ratsinformationssystem der Stadt an, stellt man fest: Es gibt dort weder Anhänge noch konkrete Zahlen.
Dass die Stadt bzw. ihre Töchter der Veröffentlichungspflicht nicht nachkommen, weist die Stadt gegenüber der WAZ zurück. Denn: Die jeweiligen Angaben für die Herner Stadtgesellschaften und -eigenbetriebe fänden sich im Unternehmensregister des elektronischen Bundesanzeigers. Außerdem würden die Jahresabschlüsse vorab den Vorsitzenden der Ratsfraktionen und den Sprechern der Ratsgruppen zur Kenntnis zugeleitet, so Hüsken. Heißt übersetzt: Wer es für Herne genauer wissen möchte, muss sich online Gesellschaft für Gesellschaft durch die Suchfunktionen des elektronischen Bundesanzeigers kämpfen. Und selbst dort wird man nicht überall fündig. In „wenigen Einzelfällen“ sei eine Veröffentlichung in der Vergangenheit unterblieben, räumt die Stadt ein. Man nehme die Anfrage der WAZ zum Anlass, den Konzerntöchtern noch einmal an diese Pflicht zu erinnern.
Aufsichtsräte: Keine politische Mehrheit für Erhöhungen
Die (vom Rat entsandten) politischen Vertreterinnen und Vertreter in den Aufsichts- und Verwaltungsräten der kommunalen Unternehmen erhalten nach Angaben der Stadt pro Jahr eine Pauschale von jeweils 750 Euro; die Höhe wird vom Rat festgelegt. Auch hier gehen die Uhren bei der Sparkasse anders. Der Geschäftsbericht 2022 weist aus: In Abhängigkeit von der Sitzungshäufigkeit und -teilnahme sowie der Funktion (stellvertretende Vorsitzende) ergaben sich Bezüge zwischen 180 und 6220 Euro, der OB erhielt als Verwaltungsratsvorsitzender 13.200 Euro. Dem Gros der Mitglieder wurde zwischen 2500 und 3500 Euro überwiesen. Es gilt zu bedenken: Die Stadtverordneten müssen diese Summen versteuern und - mal mehr, mal weniger - einen Teil davon ihrer Partei „spenden“.
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Weil die Summe in den „normalen“ Aufsichtsgremien seit 2005 unverändert ist, hatte die SPD kurz vor der Kommunalwahl einen Vorstoß gestartet. Zu prüfen war, ob und in welcher Höhe die Vergütungen der Aufsichtsratsmitglieder aufgestockt werden sollen. Die Verwaltung habe schließlich vorschlagen, dass die bisherigen Pauschalen künftig durch Sitzungsgelder ersetzt werden, die aus einem fixen Grundbetrag und einem variablen Anteil (Teilnahme an Sitzungen) bestehen, berichtet Stadtsprecher Christoph Hüsken. Außerdem habe das Modell inflationsbedingte Anpassungen vorgesehen.
Der Vorschlag ist jedoch auf Wunsch der SPD in der Schublade verschwunden. „Die Erhöhung wäre zur Unzeit gekommen“, sagt Fraktions-Chef Udo Sobieski und verweist unter anderem auf die Corona-Pandemie und die Energiekrise. Die Menschen in Herne hätten derzeit „andere Sorgen“, deshalb habe man die Reform erst einmal auf Eis gelegt. Er hätte die von der Verwaltung vorgeschlagenen „moderaten Erhöhungen“ mitgetragen, sagt dagegen Grünen-Fraktionsvorsitzender Thomas Reinke. Über die Herner Pauschale von 750 Euro werde in anderen Städten gelacht, denn: Dort werde deutlich mehr gezahlt.