Herne. Landwirte haben in Herne gegen Geld-Kürzungen demonstriert. Auch ein Spediteur schloss sich an - und kritisiert die Bundesregierung scharf.

Demo auch in Herne: Die Bundesregierung wollte mit ihrer Abschwächung der geplanten Kürzungen die aufgebrachten Landwirte beruhigen, doch die Bauernproteste wurden nicht abgesagt. Bundesweit fanden am Montag Protestaktionen statt, so in Herne. Doch daran nahmen nicht nur Landwirte teil. Auch Herbert Zang war dabei, der auch Spediteur ist.

Doch während an anderen Orten Straßen von Traktoren blockiert wurden, kam die Kundgebung in Herne zunächst sehr zurückhaltend daher: An der Castroper Straße in Börnig, nahe der Stadtgrenze zu Castrop, hatte sich gegen 8 Uhr eine Treckerkolonne formiert, dabei jedoch eine Fahrbahnseite für den Verkehr freigelassen.

„Die Probleme haben viele Gruppen erreicht“

Die Landwirte hatten ihre Maschinen mit diversen Plakaten „geschmückt“. Auf einem prangte die Forderung „Wir wollen nur fair behandelt werden“, auf einem anderen „Sachverstand zurück in die Politik“. Das stammt von Kundgebungs-Organisator Heinz Böckmann. „Wir sind gar nicht in erster Linie hier, um für die Beibehaltung des Diesel-Privilegs oder die Befreiung von der Kfz-Steuer zu kämpfen. Aber was zu viel ist, ist zu viel.“ Die Probleme seien ja nicht nur bei den Landwirten, sondern bei vielen anderen. Und deshalb harrt zum Beispiel auch Installateurmeister Ingo Maslinski in der morgendlichen Kälte aus. Wenn er all seine Kosten voll weiterreichen würde an die Kunden, würde eine Handwerkerstunde 75 Euro kosten. „Wer kann sich das noch leisten?“

Viele Landwirte kritisieren, dass die Politik in Berlin zu weit weg vom realen Leben ist.
Viele Landwirte kritisieren, dass die Politik in Berlin zu weit weg vom realen Leben ist. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Eine generelle Kritik an diesem Morgen lautet, dass die Politikblase in Berlin dem realen Leben entrückt ist und deshalb die Nöte, Sorgen und Anforderungen der Menschen und Unternehmen nicht mehr kenne. „Und darüber sollen die Politiker mal nachdenken. Wir wollen keinen Regierungssturz“, so Böckmann - auch wenn auf einer Warnweste steht „Die Ampel muss weg“. Versehen mit drei Ausrufezeichen. Er selbst könne gar nicht klagen, so Böckmann, doch sein Hof mit der Direktvermarktung des produzierten Fleischs sei auch nicht typisch.

Vor welchen Problemen Landwirte stehen, schildert Stephan Heiermann. Im Frühjahr 2020 war ein Stall seines Hofes Heiermann niedergebrannt, 2656 Ferkel starben. Den Brand nahm er damals zum Anlass, um über die Haltungsform nachzudenken und entschied sich, den neuen Stall in offener Bauweise zu errichten. Doch umgesetzt habe er diese Entscheidung noch nicht, erzählt er, weil die politischen Vorgaben immer schwieriger würden. Eigentlich sei geplant gewesen, dass die offene Bauweise vom Bund gefördert wird, um das Tierwohl zu unterstützen, doch das sei den Sparplänen zum Opfer gefallen. „Das ist schön, wenn die Politiker etwas fordern, aber man selbst keine Möglichkeit hat, es umzusetzen“, so Heiermann. Hinzu komme, dass die Kunden zwar mehr Tierwohl forderten, es am Ende aber nicht bezahlen wollten - auch weil sie sich viele höhere Preise nicht leisten könnten. Auch durch die Forderungen des Handels werde die Landwirtschaft quasi in die Zange genommen. Gefährdet sei sein Betrieb nicht, aber er könne im Moment der nächsten Generation nicht guten Gewissens empfehlen weiterzumachen.

Heinz Böckmann: Bauern wollen für ihr Produkt einen Preis, von dem sie vernünftig leben können

In der Diskussion der vergangenen Tage wurde auch argumentiert, dass es den Bauern doch eigentlich gut gehe, weil sie im letzten Jahr sehr gut verdient hätten. Doch dabei handele sich nur um einzelne Bereiche auf dem breiten Feld der Landwirtschaft, so Heinz Böckmann. Außerdem schwanke der Verdienst von Bauern stark, weil auch Einflüsse wie die Qualität und Menge der Ernte einen Einfluss haben, ebenso wie die Weltmarktpreise. „Gerade bei Fleischprodukten gibt es ja nicht nur einen deutschen, sondern einen europäischen Markt“, hatte Böckmann schon bei anderer Gelegenheit gesagt. Auch zum Thema Subvention hat er eine feste Meinung: „Bauern wollen eigentlich keine Subventionen. Der Bauer möchte vor allem für sein Produkt einen Preis, von dem er vernünftig leben kann.“ Subventionen seien im Grunde dazu da, Lebensmittel möglichst preiswert zu produzieren.

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Die zahlreichen Traktoren erregen selbstverständlich die Aufmerksamkeit von Passanten. Nachdem Stephan Heiermann einer Damen den Zweck der Demo erläutert hat, sagt diese: „Wir stehen alle hinter euch.“

Herbert Zang ist Landwirt, aber auch Spediteur. Und gerade die zweite Rolle bereitet ihm zahlreiche Probleme.
Herbert Zang ist Landwirt, aber auch Spediteur. Und gerade die zweite Rolle bereitet ihm zahlreiche Probleme. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Die Regierung entscheidet erst und überlegt dann“

Herbert Zang ist in einer Doppelrolle vor Ort - als Landwirt, aber auch als Spediteur. Und in der zweiten Rolle hat er auch so einige Sorgen. Die Klagen seines Kollegen Daniel Niebuhr, der im Gespräch mit der Herner WAZ über Mautgebühren, gesperrte Autobahnen und Fachkräftemangel gestöhnt hatte, sprächen ihm aus dem Herzen. Zang wickelt regelmäßig Transporte mit Überlänge und Übergewicht ab. Doch die Bearbeitung der entsprechenden Anträge nehme Wochen in Anspruch - viel zu lange für seinen Geschmack. „Die Regierung entscheidet erst und überlegt dann. Wenn ich so arbeiten würde, wäre ich schon längst pleite“, macht Zang seinem Ärger Luft.

Auch Markus Galland gesellte sich zu den Demonstranten - nicht nur, um die Verköstigung sicherzustellen, sondern auch, um auf die Situation in der Gastronomie hinzuweisen. Er habe nie gedacht, dass der Mehrwertsteuersatz wieder von sieben auf 19 Prozent hochgesetzt wird. Da sei man schnell bei 20 Euro für ein Schnitzel angelangt. Die Auswirkungen seien zu spüren. Die Leute gingen weniger essen. Und Galland, der in Herne den Branchenverband Dehoga vertritt, deutet an, dass der ein oder andere Betrieb schon Probleme bekomme.

Eigentlich war der Protest als sogenannte „Standkundgebung“ angemeldet, doch im Laufe des Vormittags setzte sich doch ein Korso durch die Stadt in Bewegung, um mehr Menschen zu erreichen. Offenbar hatten am Morgen auch ungebetene Gäste vom rechten Rand versucht, den Windschatten des Protests zu nutzen, doch die seien schnellstens weggeschickt worden, so Böckmann.