Herne. Wie kann die Fleischproduktion ökologischer und tiergerechter werden? Die WAZ hat mit den Herner Landwirt Heinz Böckmann gesprochen.
In den vergangenen Monaten gab es eine Reihe von Vorschlägen, wie die Fleischproduktion nachhaltiger und tiergerechter umgestaltet werden soll. Doch die Umsetzung sei alles andere als einfach, erläutert der Herner Landwirt Heinz Böckmann im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann.
Herr Böckmann, vor wenigen Tagen hat die Zukunftskommission Landwirtschaft ihren Abschlussbericht vorgelegt. Wie stehen Sie zur Kommission selbst und zu den Zielen, die in dem Bericht formuliert werden?
Böckmann: Die Ziele sehen auf den ersten Blick für den Verbraucher doch sinnvoll aus und man denkt, das können die Bauern doch wunderbar umsetzen, aber es wird selten beleuchtet, was alles da dran hängt. Es ist überhaupt nicht einfach, die vorhandenen Strukturen umzubauen. Gerade bei Fleischprodukten gibt es ja nicht nur einen deutschen, sondern einen europäischen Markt.
Was heißt das?
Wenn in Deutschland, wo wir schon sehr hohe Tierschutzstandards haben, die Produktion noch teurer wird und der Einzelhandel nicht bereit ist, deutsche Produkte explizit auszuweisen und zu kaufen, wird es für deutsche Landwirte sehr schwierig, die Ziele umzusetzen. Dies gilt speziell für die kleineren Betriebe, die laut Aussagen unserer Politiker so erhaltenswert sind. Der Handel kauft dann einfach im Ausland, wo es billiger produziert werden kann. Schwieriges Thema. So war es auch damals bei dem Verbot der Käfigeier. Den Hühnern geht es immer noch schlecht, nur halt im Ausland.
Haben sie konkrete Beispiele für Probleme bei der Umsetzung der Ziele?
Es wird gesagt, dass in der Haltung das Tierwohl einen höheren Stellenwert bekommen soll. Aldi hat ja angekündigt, bis 2030 nur noch Fleisch der Haltungsstufen 3 und 4 verkaufen zu wollen. Das hört sich toll an. Aber wenn ein Landwirt deshalb sagt: Wunderbar, ich baue meinen Stall entsprechend um und mache einen Frischluftstall da raus, wie gefordert, verliert er automatisch seine Genehmigung aufgrund der Geruchsbelästigung. Außerdem ist dies natürlich mit hohen Planungs- und Investitionskosten verbunden. Doch dieses Geld haben viele Landwirte zur Zeit nicht. Was vor acht Jahren noch als gesetzliche Empfehlung für Stallbauten galt, kann heute nicht als Tierquälerei bezeichnet werden. Es soll aber nicht heißen, wir würden uns nicht verändern wollen. Was wir brauchen ist Planungssicherheit.
Ein Vorschlag der Kommission lautet, dass Verbraucher mehr Geld für die Produkte zahlen sollen...
...darüber würden sich alle Bauern freuen, wenn das Geld bei ihnen auch ankommt. Da wir Bauern auch europaweit bei einigen Lebensmitteln zu viel produzieren, sind wir für den Handel natürlich sehr schnell austauschbar. Der Handel sagt schließlich, was er bereit ist zu zahlen und nicht umgekehrt. Es gibt schließlich nur fünf Abnehmer für unsere Produkte. Verrückte Welt. Wie wenig Verbraucher bereit sind, mehr zu bezahlen, konnte man vor einigen Wochen bei einer Aktion eines Discounters sehen. Zwei Schnitzel, jeweils mit unterschiedlichen Preisen. Der höhere Preis sollte aus Solidarität zu den Bauern gezahlt werden. Doch die Kunden griffen eher zum preiswerteren Produkt. Die Kunden sagen immer, dass sie natürlich bereit sind, deutlich mehr fürs Fleisch zu zahlen, wenn es den Tieren besser geht, aber leider bleiben diese Produkte dann doch liegen. Das ist die traurige Wahrheit.
Dann könnten die Verbraucher weniger tierische Produkte konsumieren, schlägt die Kommission vor.
Ich habe auch gehört, dass die Fleischproduktion in Deutschland gedrosselt werden soll, aber wenn der Verbraucher das Produkt weiterhin nachfragt, kommt es nicht aus Deutschland, sondern aus dem Ausland, schlimmstenfalls aus China. Wenn Deutschland die Fleischproduktion drosselt und Fleisch weiterhin nachgefragt wird, dann deckt jemand anders den Bedarf.
Es scheint also verdammt schwierig, in Deutschland ökologischer und klimafreundlicher zu produzieren...
...ganz genau. Man muss ja auch andere Aspekte sehen: Aldi möchte, dass 30 Prozent des Frischfleischs aus den Haltungsstufen 3 und 4 erzeugt werden. Dann stellt sich die Frage, was mit den Nebenprodukten geschieht, die zum Beispiel in der Wurst landen?
Bereits vor einigen Wochen gab es den Vorschlag einer Tierwohlabgabe. Ist die realistisch?
Das muss man abwarten, weil die ganze Sache auf die Zeit nach der Bundestagswahl vertagt wurde. Für die Bauern ist die Situation ungewiss. Manche haben vor einigen Jahren viel Geld in einen neuen Stall investiert, der jetzt mit höheren Anforderungen ans Tierwohl nicht mehr zu vereinbaren wäre. Die Abgabe wäre die nächste Subvention für die Bauern. Dabei wollen Bauern eigentlich keine Subventionen. Der Bauer möchte vor allem für sein Produkt einen Preis, von dem er vernünftig leben kann. Subventionen sind im Grunde dazu da, Lebensmittel möglichst preiswert zu produzieren.
Muss Fleisch deutlich teurer sein?
Eindeutig ja.
Die Bauern sind ja 2019 auf die Straße gegangen, weil sie sich dagegen wehren, für viele Probleme verantwortlich gemacht zu werden. Konnten Sie etwas bewegen?
Zumindest konnten wir auf unsere Probleme hinweisen. Aber das ist ziemlich schnell wieder aus den Köpfen verschwunden. Die wenigsten Menschen haben Lust, sich mit dem Thema Landwirtschaft zu beschäftigen. Den Subventionsdschungel verstehen wir fast selbst nicht mehr. Und wir werden nach wie vor als Sündenböcke wahrgenommen. Wir sind die, die überdüngen, die Insekten totspritzen, die Tiere quälen. Das ist das Bild in der Öffentlichkeit, doch zur Realität liegen Welten dazwischen.
Inzwischen wird an Alternativen zu Fleisch geforscht. Es gibt sogar erste Restaurants, die im Labor gezüchtetes Fleisch auf der Karte haben. Ist das Segen oder Fluch für Sie?
Wenn das in großem Stil möglich wird, könnte man auf die Idee kommen, dass zum Beispiel Viehzucht überflüssig wird und wir keine Tiere mehr schlachten müssten. Das ist aber hoffentlich noch in ferner Zukunft. Es gibt ja viele Produkte, die durch Tierhaltung entstehen, die man dann anders herstellen müsste. Wenn man Milch trinken will, braucht man jedes Jahr ein Kalb von einer Kuh. Was mache ich dann mit den Tieren, die weiter Milch produzieren und Kälber gebären? Das Fleisch muss ja auch irgendwie verwertet werden. Es kann nicht die Lösung sein, alle tierischen Produkte künstlich zu erzeugen.
>>> EIN „BILDERBUCHBAUERNHOF“
Heinz und Silke Böckmann bewirtschaften den Hof Böckmann, der im Jahr 1552 erstmals erwähnt worden ist. Mit der Direktvermarktung haben sie 2003 angefangen. Heinz Böckmann: „Weil wir nur Wurst und Fleisch vermarkten, haben wir eine Nische in der Nische.“ Das heißt: Die Produkte aus der Haltung von Schweinen und Rindern werden in betriebseigenen Räumen verarbeitet und im Hofladen direktvermarktet. Es gebe über 90 Prozent Stammkunden, ein Teil der Produkte sei häufig schnell vergriffen. „Uns geht es sehr gut, wir können von unseren Produkten gut leben.“
Der 50-Jährige bezeichnet seinen Betrieb als „Bilderbuchbauernhof“, den man nicht mit dem klassischen Bauernhof vergleichen kann. So wie er könnten viele andere Landwirte nicht produzieren. „Man kann nicht überall Direktvermarktung betreiben.“ Wer etwa von der Schweinemast leben wolle, sollte schon so 3000 Schweine halten. Wer das Massentierhaltung nenne, soll nach China schauen. Dort entstünden gerade Ställe für zwei Millionen Mastschweine, dies habe nichts mehr mit Landwirtschaft zu tun. Wenn die Auflagenflut so weiter gehe, seien auch die Betriebe mit 3000 Schweinen bald nicht mehr überlebensfähig. Wer das als normalen Strukturwandel sehe, dürfe sich dann aber nicht über Schweineschnitzel aus China beschweren!
Böckmann selbst hält zwischen 45 und 55 Schweine sowie bis zu 70 Rinder. Die Tiere stehen auf Stroh, die Ställe sind alle offen. Der Betrieb hat kein Biosiegel, „ich bin überzeugter konventioneller Landwirt“, so Böckmann. Um im Einklang mit der Natur zu leben, sei es nicht notwendig, einen Biobetrieb zu haben. Mit seiner Haltung übertreffe der Hof sogar Haltung Bio-Richtlinien.