Herne. Brückensperrungen, Mauterhöhung und Fachkräftemangel: Ein Herner Spediteur schildert, welche Herausforderungen er täglich meistern muss.
Brückensperrungen, Mauterhöhung und Fachkräftemangel: Gerade für Speditionen ist das Geschäft in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden. Daniel Niebuhr, Transportmanager im Herner Familienunternehmen Niebuhr Transport GmbH, erzählt von seinen Herausforderungen, die er täglich meistern muss.
Einen ganz dicken Brocken hat das Unternehmen seit dem 1. Dezember zu bewältigen -mit der Erhöhung der Lkw-Maut. Um satte 85 Prozent, so Niebuhr. Der Tarif sei von 19 auf 35 Cent pro Kilometer angehoben worden. Das allein sei schon happig, doch durch die vielen Umwege, die die Lkw fahren müssten, würden die Kosten noch zusätzlich steigen. Niebuhr rechnet vor: Jeden Tag fahren Niebuhr-Fahrzeuge Richtung Oberhausen, Düsseldorf oder Duisburg. Dafür sei bislang die A42 die Hauptstrecke gewesen, doch die ist seit der Brückensperrung bei Bottrop dicht. „Wenn wir jetzt die Umleitungsstrecke über die A2 nehmen, haben wir pro Strecke bei Hin- und Rückweg 30 Kilometer mehr. Mal Maut, mal Diesel: Macht pro Auto Zusatzkosten von rund 30 Euro.“ Und Niebuhr hat eine Flotte von 20 Fahrzeugen... „Wir warten gerade auf die erste Mautabrechnung mit den neuen Tarifen, wahrscheinlich bekommen wir einen Schock“, sagt Niebuhr im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Für 2024 rechnet er in einem groben Überschlag mit Mehrkosten von 70.000 bis 90.000 Euro. „Das muss man erstmal wieder erwirtschaften.“ Der Betrieb spare schon an allen Ecken und Enden. Leerfahrten werden nach Möglichkeit vermieden. Stationiert sind die Lkw am Großmarkt in Baukau. Und je nachdem, in welche Richtung sie starten, nehmen sie auch die entsprechende Auffahrt zur A42. Geht es Richtung Dortmund, wählt der Fahrer die Anschlussstelle Baukau, geht es Richtung Crange, nimmt er die Auffahrt Crange, denn dieser kleine Unterschied auf der Autobahn mache 20 Cent Mautgebühr aus. In diesen kleinen Dimensionen rechnet Niebuhr inzwischen.
Niebuhrs Vater hat das Unternehmen 1979 gegründet, seitdem fährt der Betrieb kreuz und quer durch die Republik und bedient zahlreiche Stamm- und Großkunden, etwa aus dem Warenhausbereich, dem Maschinenbau, der Stahlbranche oder aus der Lebensmittelindustrie. Diese Kundenbeziehung sei ein Glück, denn die ließen bei den Preisen mit sich sprechen, mit denen könne man nachverhandeln. Doch dafür müsse man auch einiges an Service bieten. Wie knapp die Margen in diesem Geschäft bemessen sind, verdeutlicht Niebuhr an einem anderen Beispiel. Kürzlich hatte ein Wagen eine Reifenpanne - die Kosten für die Reparatur hätten den Gewinn des Monats für dieses Fahrzeug aufgefressen.
Autobahnsperrungen in drei Himmelsrichtungen
Am schlimmsten sei allerdings die Verkehrssituation, die sei zurzeit ein einziges Desaster. Richtung Norden ist die A43 wegen der maroden Brücke dicht, Richtung Süden ist der Weg auf der A45 versperrt, eine Umgehung führe über Kassel und die A44. Die A1 sei durch den Neubau der Rheinbrücke in den vergangenen Jahren ebenfalls keine Option gewesen. Immerhin: Die Fertigstellung der neuen Brücke stehe bevor, „das ist ein kleines Plus“. Doch nun ist auch die A42 als Route Richtung Westen weggefallen. Ein Fahrer habe am ersten Tag nach der Sperrung eine Tour nach Düsseldorf gehabt. Statt einer Stunde habe er drei Stunden benötigt. Doch die Liefertermine sind eng getaktet, was am Ende des Tages dazu führen könne, dass der Kunde gar nicht mehr da sei und der Fahrer nicht ab- oder aufladen könne. So etwas wirbelt die ganze Disposition durcheinander.
Wenn Niebuhr morgens seinen Computer anschaltet, gilt sein erster Blick immer der Staulage - und im Ruhrgebiet sieht er allzu häufig rot. Wenn er in Deutschland unterwegs sei, wisse er immer, wann er im Ruhrgebiet angekommen sei: „Wenn ich im Stau stehe.“ Daniel Niebuhr sitzt selbst nicht „auf dem Bock“, doch er kann es gut nachvollziehen, wenn die Fahrer sagen, dass sie keine Lust mehr haben angesichts der Verkehrssituation. Ziele, bei denen die Fahrer mit Sicherheit im Stau stehen, seien unbeliebt.
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Wenig motivierte Fahrer? Niebuhr erfüllt ihnen viele Wünsche, um sie bei Laune zu halten, dennoch hat er an dieser Stelle längst das nächste Problem: Seit rund vier Jahren plage ihn Personalmangel. Gründer Rolf Niebuhr sitzt mit 69 Jahren noch hinter dem Lenkrad, dazu kommen zwei Rentner, die unterwegs sind - einer ebenfalls 69 Jahre alt, der andere 67. Und beide arbeiteten auf voller Stelle, betont Niebuhr. Die nächsten Verrentungen würden in den kommenden Jahren anstehen. Schon jetzt habe er keine Ersatzfahrer mehr, die einspringen können. Und Berufskraftfahrer seien eigentlich überhaupt nicht zu bekommen - diese Erfahrung machen auch andere Herner Unternehmen.
Niebuhr: „Es ist ein hartes Geschäft. Hoffentlich wird nicht noch eine Brücke oder eine Autobahn gesperrt.“
Eineinhalb Stunden, um bis zur nächsten Kreuzung zu kommen
Von der Sperrung der A42-Brücke bei Bottrop ist auch der Herner Reifenhändler Stiebling empfindlich getroffen. Er hat quasi in Sichtweite zur Brücke das Zentrallager, aus dem alle Filialen beliefert werden. Doch allein, um bis zur nächsten Kreuzung zu kommen, dauere es manchmal eineinhalb Stunden, so Christian Stiebling. Auch der Lkw-Pannenservice sei betroffen. Um weiter Richtung Duisburg und Oberhausen zu agieren, sei ein Montagewagen jenseits der Brücke stationiert worden.