Herne. Die Lage auf dem Herner Ausbildungsmarkt wird immer dramatischer. Längst bewerben sich die Unternehmen bei den Ausbildungs-Kandidaten.
Die Suche nach Auszubildenden in Herne wird in Zukunft immer dramatischer. Die Stellen, die demnächst aus Altersgründen frei werden, können kaum noch besetzt werden, schon jetzt bewerben sich Unternehmen bei den jungen Menschen - und nicht umgekehrt wie in der Vergangenheit. Dieser Trend offenbarte sich bei der diesjährigen Bilanz des Herner Ausbildungsmarkts.
Damit hat sich die Dramatik innerhalb von zehn Jahren beinahe komplett umgedreht. 2013 meldete die Agentur für Arbeit satte 30 Prozent weniger Lehrstellen, die die Betriebe zur Verfügung stellten. Auf Grund der wirtschaftlichen Unsicherheit sank damals die Bereitschaft, einen Azubi zwei oder drei Jahre an die Firma zu binden.
„Probleme, Nachwuchs zu finden, werden rasant zunehmen“
Nun bietet sich - auf Grund der Demografie - ein völlig anderes Bild. „Schon jetzt haben Unternehmen Probleme, Nachwuchs zu finden“, so Frank Neukirchen-Füsers, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit. „Und diese Probleme werden rasant zunehmen.“ Bundesweit würden in den nächsten zehn Jahren rund 7,5 Millionen Stellen nicht besetzt werden können, das treffe selbstverständlich auch Herne.
Die aktuellen Zahlen: Im abgelaufenen Ausbildungsjahr hat die Agentur 1371 Bewerberinnen und Bewerber registriert, 34 weniger als im Vorjahr. 53 sind zurzeit noch unversorgt. 797 Betriebe boten Ausbildungsstellen an, 118 weniger als im Vorjahr. 77 sind noch unbesetzt. Die nackten Zahlen bilden also bereits einen Überhang ab, wobei dies allerdings nicht Faktoren wie Passgenauigkeit von offener Stelle und Berufswunsch oder Qualifikation berücksichtigt.
157 Geflüchtete haben sich für eine Duale Ausbildung beworben
Alles in allem sieht Neukirchen-Füsers für den Herner Ausbildungsmarkt „gute Nachrichten“. Bemerkenswert aus seiner Sicht: Mit 320 Bewerberinnen und Bewerbern seien fast ein Viertel Ausländer, die sich für die Duale Ausbildung interessiert hätten, 157 seien Geflüchtete gewesen. Und die Tendenz sei weiter deutlich steigend. Für den Agentur-Chef steht vor dem Hintergrund des demografischen Wandels fest: Wer gute schulische Leistungen habe, werde seinen Weg sowieso finden. „Und wir können es uns nicht leisten, die jungen Leute mit Defiziten nicht zu fördern.“ Auch auf die ersten Ukrainer, die nun die Schule verlassen, „können und wollen wir nicht verzichten“.
Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda zeigte sich zufrieden mit der Entwicklung - und verwies einmal mehr auf die Tatsache, dass die Zahl der Ausbildungsplätze in Herne deutlich größer sei als die Statistik der Agentur (und der IHK) ausweise. Der Grund: Schulische Ausbildungen und die pflegerischen Ausbildungen, die EvK-Gruppe und St. Elisabeth-Gruppe anböten, flössen gar nicht ein. Die Stadt arbeite daran, dass in Zukunft weitere Ausbildungsplätze geschaffen werden. Zurzeit sei man mit fünf Unternehmen in Gesprächen über eine Neuansiedlung in der Stadt.
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Katja Fox von der IHK Mittleres Ruhrgebiet richtete den Blick auf die Abbrecher. Bundesweit würden in den IHK-Berufen mittlerweile 30 Prozent der Verträge wieder aufgelöst. Im Bezirk Mittleres Ruhrgebiet seien es zwar nur 15, dennoch werde deutlich, dass Erwartungen und Realität häufig auseinander klaffen. Deshalb wolle die IHK verstärkt in die Unternehmen gehen, um sie für die Bedürfnisse der sogenannten Generation Z zu sensibilisieren.
Eine Forderung: Schulen als Bündnispartner einbinden
Der stellvertretende Kreishandwerksmeister Hans-Joachim Drath verwies ebenfalls auf den Bewerbermangel. Das Handwerk - das er als systemrelevant bei der Klimawende bezeichnet - bilde nach wie vor stark aus, habe aber mehr Bedarf. Dass Kunden bis zu ein Jahr auf einen Dachdecker warten müssen, habe auch seine Ursache im Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Beim Blick auf die Bündnispartner bei Thema Ausbildung vermisst er die Schulen, diese müssten eigentlich einbezogen werden. Die Generation Z werde nicht so auf das Berufsleben vorbereitet, wie es nötig sei.
Die aktuellen Zahlen seien ein Beispiel dafür, dass es sich lohne, einen langen Atem zu haben, so Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen. Der beginne sich nun auszuzahlen. Er konnte ein konkretes Beispiel für die neue Situation nennen. Gerade die Chemieindustrie befinde sich zurzeit in einer Krise. Dennoch liege die Übernahmequote bei 100 Prozent.