Herne. Spektakuläre Wende beim Shoah-Mahnmal in Herne: Sollen die Tore, die es vor Anschlägen schützen sollen, offen bleiben? Was die Stadt vorschlägt.

Mehrfach ist das Shoah-Mahnmal auf dem Willi-Pohlmann-Platz in Herne geschändet worden, deshalb erhält es zwei mechanische Tore. Sie sollen die Betonwand mit den Namen der jüdischen Nazi-Opfer aus Herne schützen. Im nächsten Jahr, so die Verwaltung, sollen die Schutztore endlich funktionstüchtig sein. Ob sie dann aber noch gebraucht werden? Die Stadt schlägt nun vor, die Tore bewusst offen zu lassen. Hintergrund ist der Großangriff der radikalismalischen Hamas auf Israel: „Unser Zeichen wäre: Wir zeigen Haltung“, sagt Stadtdirektor Hans Werner Klee zur WAZ.

Das 2010 eröffnete Shoah-Mahnmal in Herne-Mitte bestand ursprünglich aus einer gelb-eingefärbten Betonwand. Darauf sind 401 Okulare aus Glas angebracht, die die Namen, Geburts- und Todesdaten der jüdischen Nazi-Opfer aus Herne zeigen. In den folgenden Jahren wurde das Denkmal mehrfach geschändet, unter anderem wurden Farbbeutel und Kleber gegen die Wand geworfen und Okulare zerstört.

2014 zog das Rathaus die Reißleine und verkleidete die Betonwand provisorisch mit Holz, um sie gegen weitere Anschläge zu schützen. Anschließend gab der Rat grünes Licht für eine Schutzkonstruktion: Vier per Knopfdruck bewegliche Tore aus Bronze-Platten – zwei vorne und zwei hinten – sollen die Betonwand in der Dunkelheit schützen. Allein: Dieses System funktioniert noch immer nicht, die Tore lassen sich elektrisch nicht fehlerfrei bewegen. Nur zu besonderen Anlässen wie etwa am Holocaust-Gedenktag wird der tonnenschwere Schutz deshalb aufwendig zur Seite geschoben.

Herne: Schutztore sollen 2024 endlich funktionieren

Gewohntes Bild: Die Betonplatte ist seit Jahren verhüllt, weil die Schutztore nicht elektrisch bewegt werden können. Eigentlich sollen die Tore nur in der Dunkelheit die Platte schützen.
Gewohntes Bild: Die Betonplatte ist seit Jahren verhüllt, weil die Schutztore nicht elektrisch bewegt werden können. Eigentlich sollen die Tore nur in der Dunkelheit die Platte schützen. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Im kommenden Jahr, sagt Karla Fürtges vom Gebäude-Management der Stadt, sollen die Schutztore nach jahrelangen Pleiten, Pech und Pannen endlich per Knopfdruck rollen – hoffentlich bereits zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2024, fügt sie an. Hintergrund des Desasters: Die Werkstatt, die den Auftrag für die Schiebe-Konstruktion erhielt, scheiterte. Ihr System funktioniert nicht, immer wieder gingen Aufhängungen, Lager und Räder kaputt. Vor fünf Jahren ließ die Stadt die Tore schließlich entnervt vor der Betonwand stehen und plante um.

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Bislang, sagt Karla Fuertges, sollten die Tore über eine Schiene unten am Mahnmal bewegt werden. Nun soll oben ein Träger angebracht werden, an dem die Tore quasi aufgehängt werden und an dem sie entlang rollen. Gutachter und Statiker hätten die Funktionstüchtigkeit dieser Konstruktion bereits bestätigt, nun will die leidgeprüfte Stadt aber auf Nummer sicher gehen und auch noch eine Gebrauchstauglichkeitsprüfung in Auftrag geben. Falle auch diese positiv aus, dann soll der Stahlträger – laut Fuertges ein Standardträger – in Kürze eingebaut werden. Dann, endlich, sollen die Tore täglich elektrisch verschoben werden können.

Spricht sich für eine dauerhafte Sichtbarkeit der Betonplatte aus: Hernes Stadtdirektor Hans Werner Klee.
Spricht sich für eine dauerhafte Sichtbarkeit der Betonplatte aus: Hernes Stadtdirektor Hans Werner Klee. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Doch ist das dann noch nötig? Die Stadt will mit der Politik darüber diskutieren, ob Herne nicht besser auf den Schutz der Betonwand mit den Okulare verzichtet, sagt Stadtdirektor Klee. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel und der Ermordung unschuldiger Israelis sei es der richtige Zeitpunkt, um neu über das Shoah-Mahnmal zu diskutieren: Wolle man ein Stück Geschichte, zumindest zeitweise, wirklich hinter Stahltoren verstecken? Klee meint nein. Man dürfe sich nicht von Angreifern einschüchtern lassen, und die Opfer des Holocaust sollten stets sichtbar sein.

Nach den Anschlägen der Hamas hatte die Stadt bereits ihre Solidarität mit Israel bekundet und dabei unter anderem auch eine Israel-Flagge am Rathaus gehisst. In Kürze, so kündigt der Stadtdirektor an, soll sich der Ältestenrat mit dem Thema dauerhafte Öffnung der Betonplatte beschäftigen und die Diskussion darüber damit anstoßen. Die Betonplatte, so Klee, könne auch anders geschützt werden – etwa durch Sensoren.

>>> Die Kosten für Mahnmal-Schutz explodiert

Auf eine Frage der CDU teilte die Verwaltung im vergangenen Jahr mit, dass die Kosten für die Schutztore aus Baubronze auf 235.000 Euro explodiert seien. Insgesamt beliefen sich die Kosten mit allem drum und dran somit auf etwa 251.000 Euro. Es werde aber noch eine weitere Summe „im unteren fünfstelligen Bereich“ anfallen, hieß es weiter.

Damit ist die Schutzhülle längst deutlich teurer als das ursprüngliche Mahnmal, das 90.000 Euro kostete.