Herne. In Nahost droht ein blutiger Bodenkrieg. Ein Palästinenser aus Herne bangt um seine Familie in Gaza – und fordert Hilfe für sein Volk.
Mohammed ist verzweifelt. Der Palästinenser aus Herne sorgt sich um seine Familie, die in Gaza verschollen ist. Seit ein paar Tagen sei der Kontakt zum Onkel und zur Tante sowie zu den Cousins und Cousinen mit ihren Kindern abgebrochen, berichtet der Student. Nun bangt der 27-Jährige: Geht es ihnen gut? Oder wurde bei den Luftschlägen der Israelis jemand verletzt, ja getötet? Er fürchte das Schlimmste.
Der Nahost-Konflikt ist hochgekocht, einmal mehr, nun herrscht Krieg. Anlass für die jüngsten israelischen Angriffe ist der Terrorangriff der Hamas auf den jüdischen Staat am Morgen des 7. Oktober 2023. Jetzt kündigt sich eine Bodenoffensive der Israelis an, nach Bombardements aus der Luft könnte die Armee in den Gazastreifen einrücken, dort, wo die Terrororganisation Hamas das Sagen hat. Mohammed, der seinen Nachnamen aus Angst vor Anfeindungen nicht veröffentlicht wissen will, hat nach eigenen Angaben knapp drei Dutzend Familienangehörige in Gaza.
Sie alle seien aus ihrem Haus im Norden des Landes geflüchtet, wollten sich, wie von den Israelis gefordert, in den Süden durchschlagen: „Das ist das Letzte, was sie gesagt haben.“ Seine Anrufe habe zuletzt nur noch eine Cousine entgegengenommen. Sie sei hochschwanger und in einem Flüchtlingslager untergekommen. Und alle anderen? Sie meldeten sich nicht. Weil sie keinen Strom mehr haben, um ihre Handys aufzuladen – so hofft er.
Herner: „Gaza ist das größte Gefängnis der Welt“
Der 27-Jährige, der mit seiner Frau in Baukau wohnt, kennt Gewalt aus eigener Erfahrung. Er sei in einem Flüchtlingslager in Syrien, in dem er mit seinen Eltern gelebt habe, als staatenloser, geflüchteter Palästinenser aufgewachsen. 2014/2015 sei die Familie dann vor dem Krieg in Syrien und dem Assad-Regime nach Deutschland geflohen. „Ich habe den Krieg in Syrien erlebt“, sagt der Student. „Das zu erleben, wünsche ich keinem.“
In Gaza seien blutige Konflikte seit Jahren an der Tagesordnung. Die rund zwei Millionen Palästinenser in dem nur knapp 400 Quadratkilometer großen Küstenstreifen, die meisten Flüchtlinge und ihre Nachkommen, würden von den Israelis systematisch unterdrückt und terrorisiert, kritisiert er. Viele seien Kinder. Das Land sei von den Israelis abgeriegelt, die Blockadepolitik treibe die Betroffenen immer weiter in die Armut, ins Elend. „Gaza ist das größte Gefängnis der Welt“, so der Student. Hinzu komme: Das ganze Leid der Menschen werde viel zu wenig beachtet. Die Welt schaue weg.
„Gewalt ist keine Lösung“, stellt der 27-Jährige klar. Auf keiner Seite: Dass die Hamas eine Terrororganisation sei, „daran gibt es keine Zweifel“. Unter der jüngsten Reaktion der Israelis, die jetzt den Gazastreifen auch noch mit Bomben angreife, leide aber einmal mehr vor allem die Zivilbevölkerung. Nicht etwa die Hamas als Terrororganisation werde angegriffen, sondern ein Staat, ein ganzes Volk. Das sei völlig unverhältnismäßig. „Gaza wird dem Erdboden gleich gemacht“, sagt der Herner, der mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Wenn es jetzt noch zu einer Bodenoffensive komme, dann sei der Küstenstreifen bald nicht mehr bewohnbar: „Was jetzt passiert, ist nur noch Zerstörung.“ Mehr noch: Der Baukauer nennt es einen Genozid, der da an den Menschen in Gaza verübt werde.
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Der Student fordert: Das Blutvergießen müsse ein Ende haben. Die im Land eingesperrten Menschen bräuchten dringend Lebensmittel, Wasser und Strom; das müssten die Israelis endlich zulassen. Dafür müssten sich auch Deutschland und die EU gegenüber den Israelis einsetzen – und dem jüdischen Staat nicht nur ihre uneingeschränkte Solidarität bekunden. Und vor allem: Israel müsse Verträge und Abkommen endlich einhalten, damit in der Region endlich Frieden einziehen könne.
Und die Hamas? Auch sie müsse Frieden zulassen. „Gewalt ist keine Lösung“, wiederholt Mohammed.