Herne. Ein Gutachter warnt in Herne vor einer Überlastung der Straßen. Der Grund: die neue Polizeihochschule. Wie die Stadt Herne gegensteuern will.
Droht ein Verkehrschaos? Ein Gutachter hatte vor deutlich mehr Autos gewarnt, in Teilen sogar vor einer Überlastung der Straßen in Herne-Mitte, wenn die Polizeihochschule in Herne öffnet. Deshalb schlug er einen Tunnel unter dem Westring vor. Den aber kassierte die Stadt später wieder ein – nicht mehr zeitgemäß, so der Tenor. Und nun? Was ist die Alternative? „Weniger Autoverkehr“, sagt Thorsten Rupp, Leiter des städtischen Fachbereichs Tiefbau und Verkehr. Helfen soll außerdem ein Umbau der Kreuzung Cranger Straße/Westring am Bahnhof.
Wenn die Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung (HSPV) des Landes NRW voraussichtlich im September 2027 an den Start geht, sollen 4000 Studierende und über 200 Mitarbeitende im geplanten Funkenbergquartier hinterm Herner Bahnhof ihre Arbeit aufnehmen. Nicht ohne Folge, so ein Gutachterbüro: Die Experten prognostizieren eine „erhebliche Mehrbelastung des umliegenden Straßenverkehrsnetzes insbesondere zu den Spitzenstunden morgens und nachmittags“. Besonders betroffen auch Westring, Bahnhofsplatz und Funkenbergstraße, aber auch Bismarck-, Bahnhof-, Horsthauser-, Roon-, Victoria- und Schüchtermann- beziehungsweise Eschstraße. Unter anderem für die Kreuzung Westring/Cranger Straße/Bahnhofsplatz sagt das Büro zu Spitzenzeiten eine Überlastung voraus. Deshalb schlug es 2022 vor, den Durchgangsverkehr auf dem Westring am Bahnhof in eine Unterführung zu legen. Nach geballter Kritik aus der Politik begrub die Stadt das Tunnelprojekt.
Stadt Herne will Autoverkehr um 30 Prozent senken
Nun will das Rathaus nicht mit einem neuen XXL-Bauprojekt, sondern mit ihren Plänen zur Verkehrswende dafür sorgen, dass Tausende weitere Menschen täglich auf den Straßen und Wegen nicht ins Verkehrschaos führen. Konkret will das Rathaus trotz steigender Autoanmeldungen die Zahl der Autofahrten in der Stadt in den kommenden fünf bis zehn Jahren um 30 Prozent senken.
Um das zu schaffen, sollen unter anderem mobile Parkhäuser an Stadträndern, an Autobahn-Anschlussstellen und in Wohnquartieren gebaut werden. Von dort aus sollen die Menschen dann zu Fuß gehen oder auf andere Verkehrmittel wie Rad, E-Scooter sowie Bus und Bahn umsteigen. Dafür will die Verwaltung nun Mobilitätskonzepte, die etwa einen Aufbau von Fahrgemeinschaften, ein Parkraummanagement und einen Ausbau des Nahverkehrs beinhalten, erstellen.
Mit der Leitung der Hochschule, so Thorsten Rupp zur WAZ, habe es bereits erste Gespräche gegeben. Wie können Fahrgemeinschaften aufgebaut werden? Sind am Morgen gestaffelte Startzeiten möglich? Wie kann Lernen und Arbeiten im Homeoffice ermöglicht werden? Ideen wir diese, um den Ansturm auf die Hochschule zu kanalisieren, gebe es bereits mehrere. Sie sollen nun weiter diskutiert und in Konzepte eingebunden werden.
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Die Stadt, sagt Rupp, will „in Maßnahmen denken“, die zum 30-Prozent-Ziel führen. So soll Herne ein modernes Parkleitsystem bekommen, das Pendlerinnen und Pendler, die mit dem Pkw kommen, von den Autobahnabfahrten ans Ziel führt. Etwa in ein neues Parkhaus in einem Quartier wie an der Roonstraße, von dort sollen die Studierenden dann schnell und unkompliziert zur Hochschule kommen – mit Shuttles etwa, aber auch besagten Leihrädern oder E-Scootern. Denkbar sei auch, dass die Studierenden ihre Fahrzeugschlüssel am Parkhaus einem Service-Mitarbeiter in die Hand drücken, der die Pkw anschließend ab- und später am Tag zur Abfahrt wieder bereitstellt. Das alles sei keine Zukunftsmusik, sondern in Metropolen längst an der Tagesordnung.
Nötig sei aber auch ein Umbau der Kreuzung Cranger Straße am Westring. So soll es am Bahnhof aus Herne-Mitte kommend spätestens mit dem Start der Hochschule eine eigene Rechtsabbiegespur in Richtung Busbahnhof beziehungsweise Funkenbergquartier geben. Geradeaus reiche eine Spur in Richtung A 42. „Dadurch wird der Verkehr flüssiger“, so Rupp. Hinzu kommen sollen zudem im Kreuzungsbereich Fahrradspuren, aber etwa auch entlang des Westrings in Richtung Autobahn. Mit diesen Maßnahmen reiche die Kapazität der Straße aus – wenn der Verkehr um 30 Prozent gesenkt wird.
Kritik an Parkhaus auf Hochschulgelände
Und was sagt die Politik? Mit dem Aus für den Tunnel kann sie gut leben. Das sei eine „Idee aus dem letzten Jahrhundert“, sagte etwa Alfred Apel (Grüne) im Ausschuss für Digitales, Infrastruktur und Mobilität. Das Thema Verkehrswende und mithin das 30-Prozent-Ziel der Stadt ist dagegen noch längst nicht beschlossen, SPD und CDU streiten noch darüber. Verwunderung löst auch ein geplantes XXL-Parkhaus der Hochschule auf dem Funkenbergquartier aus. Das lade Studierende doch geradezu dazu ein, mit dem Auto bis auf das Hochschulgelände zu fahren, kritisierte Andreas Barzik (CDU). Dieses Parkhaus sei Teil der Ausschreibung gewesen, das könne man jetzt nicht einfach streichen, heißt es bei der Stadt. Dafür aber soll nach Lösungen gesucht werden, um das Parkhaus vielleicht auch anders zu nutzen – etwa auch für Fahrräder oder die Autos von Anwohnerinnen und Anwohnern.