Bochum/Herne. Ein Prozess um eine nächtliche Messerattacke in Herne ist überraschend geplatzt. Der Grund: Ein Rechtsanwalt stand plötzlich ohne Zulassung da.
Ein Jahr nach einer nächtlichen Bluttat in einer Innenstadt-Kneipe in Wanne-Eickel sollte am Dienstag, 15. August, am Bochumer Landgericht der Prozess gegen einen mutmaßlichen Messerstecher (22) starten. Doch es kam anders. Sämtliche Verhandlungstermine mussten aufgehoben werden. Der Grund lässt aufhorchen: Erneut hatte ein Anwalt keine gültige Zulassung mehr.
„Der bisherige Verteidiger des Angeklagten hat der Kammer kurzfristig mitgeteilt, dass er nicht mehr über eine Anwaltszulassung verfügt“, erklärte Gerichtssprecher Volker Talarowski auf Anfrage. Weil deshalb ein ordnungsgemäßer Prozessbeginn unmöglich geworden sei, habe die zuständige 12. Strafkammer gar nicht anders gekonnt, als alle sechs geplanten Verhandlungstage bis zum 13. September aufzuheben. Dem Angeklagten soll nun schnellstmöglich ein anderer Pflichtverteidiger an die Seite gestellt werden. Im Anschluss daran soll ein neuer Starttermin für den Prozess vereinbart werden.
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Zum Hintergrund: Der 22-jährige Angeklagte aus Wanne-Eickel sitzt seit Mitte April in U-Haft. Bei Wahrung der gesetzlichen Sechs-Monats-Frist sollte die Hauptverhandlung üblicherweise spätestens Mitte Oktober beginnen. Die zu verhandelnde Bluttat geht zurück auf die Nacht auf den 7. August 2022. Gegen 3.40 Uhr soll der Angeklagte im Beisein mehrerer Freunde beim Betreten einer Kneipe an der Hauptstraße mit dem späteren Opfer – ebenfalls von knapp zehn Männern begleitet – aneinandergeraten sein. Nachdem es zunächst zu Beleidigungen („H...söhne“) gekommen sein soll, soll der Angeklagte im weiteren Verlauf bei einem Gerangel ein Messer gegriffen und es dem späteren Opfer mehrfach in den Rücken gestoßen haben. Anschließend sollen der 22-Jährige und seine Begleiter vom Tatort geflüchtet sein.
Das Opfer erlitt laut Anklage eine sechs Zentimeter lange und zwei Zentimeter tiefe, stark blutende Fleischwunde im Nierenbereich und wurde im St.-Anna-Hospital in Wanne notfallmäßig versorgt. Die Anklage lautet auf gefährliche Körperverletzung. Bei Tatnachweis drohen mindestens sechs Monate Haft.
Bereits im Dezember 2021 hatte ein „Anwalt ohne Zulassung“ in einem Strafprozess am Bochumer Landgericht für Aufsehen gesorgt. Damals auf der Anklagebank: ein Serieneinbrecher, der unter anderem an der Herner Bahnhofstraße einen Blitzeinbruch in ein Juweliergeschäft verübt hatte. Weil nach 22 Prozesstagen und mehr als 40 Zeugenvernehmungen bei der Urteilsverkündung ein Dortmunder Jurist als Verteidiger anwesend war, der – anders als jetzt – nicht mitgeteilt hatte, dass ihm kurz zuvor die Zulassung entzogen worden war, hatte der Bundesgerichtshof das Urteil später in der Revision aufgehoben. In einer Neuverhandlung war der Juweliereinbrecher zuletzt Mitte Juni 2023 in Bochum zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden.