Herne/Gelsenkirchen. Die Stadt Herne hatte den Bau eines Wohnhauses im Landschaftsschutzgebiet genehmigt. Zu Unrecht, urteilte nun ein Gericht. Wie es weitergeht.

Das Verwaltungsgericht hat die Baugenehmigung für ein umstrittenes Wohnhaus in einem Landschaftsschutzgebiet aufgehoben. Geklagt hatte der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) gegen die Stadt Herne. „Wir sind absolut glücklich“, sagte Ingrid Reckmeier vom BUND in Herne. Sie und Rolf Reinholz (ebenfalls BUND Herne) fielen sich nach der Urteilsbegründung in die Arme.

Zum Hintergrund: Auf einem Privatgrundstück an der Bergstraße in Herne-Süd baut ein Investor ein Mehrfamilienhaus. Das private Areal liegt direkt neben der Robert-Brauner-Schule und gehörte seit Jahrzehnten zum Landschaftsschutzgebiet. Die Stadt Herne hatte aber 2022 eine Baugenehmigung erteilt und dafür das Grundstück aus dem Landschaftsschutzgebiet herausgenommen. Eine Begründung der Verwaltung war, dass es sich bei der Fläche um eine klassische Baulücke handele. Zuvor durfte dort jahrzehntelang aber nicht gebaut werden; die Stadt hatte entsprechende Bitten des ehemaligen Grundstücksbesitzers mit Verweis auf den Landschaftsschutz abgelehnt.

Erfolg vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: v.l. Ingrid Reckmeier, Rolf Reinholz und Rechtsanwalt Dirk Teßmer.
Erfolg vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: v.l. Ingrid Reckmeier, Rolf Reinholz und Rechtsanwalt Dirk Teßmer. © WAZ | Michael Muscheid

Herne: Baustopp im Eilverfahren wurde kassiert

Als die Baugenehmigung vor einem Jahr aufflog und die Fläche mit Bäumen plötzlich gerodet wurde, reagierten Anwohnerinnen und Anwohner, aber auch Teile der Politik irritiert bis entsetzt. Ebenso der Bund, der im Juni 2022 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Eilverfahren zunächst einen Baustopp erwirkte. Dagegen legte der Investor Einspruch ein. Mit Erfolg: Das Oberverwaltungsgericht Münster kassierte das Urteil später.

Im Hauptverfahren stellte das Verwaltungsgericht unter Vorsitz von Richter Peter Henke nun klar, dass das Areal keine Baulücke sei. Im Vorfeld hatte sich das Gericht die Umgebung in Herne-Süd bei einem Ortstermin angeschaut. Bei der Betrachtung des Areals dürften keine Grundstücksgrenzen, Zäune oder Flurkarten eine Rolle spielen, sondern nur die Situation vor Ort, sagte der Richter in der Verhandlung. Und diese zeige viel Grün auf den Nachbargrundstücken. Die Lücke zwischen dem angrenzenden Wohnhaus und der angrenzenden Schule betrage locker 80 Meter – das sei sehr groß. Auch sei die Fläche nur durch einen kleinen Weg angeschlossen.

Olaf Bischopink, Anwalt der Stadt Herne, sah das anders. Auf den Nebengrundstücken gebe es viele kleinere Bauten, darunter auch Carport und Schuppen. Der Abstand zwischen den Grundstücken betrage deshalb nur 45 Meter, führte er aus und sprach von einer Baulücke - vergeblich. Ähnlich hatten die Anwälte des Investors argumentiert, die ebenfalls geladen waren. Der Investor baut seit dem Ende des Baustopps auf eigenes Risiko weiter.

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Ingrid Reckmeier vom BUND sprach nach dem Urteil von einer „Klatsche für die Stadt“. „Die Bürger haben verdient, dass um jeden Quadratmeter Freifläche gekämpft wird“, sagte sie. Das Urteil sei ein wichtiges Signal, dass Landschaftsschutzgebiete nicht einfach angetastet werden dürften.

Ähnlich äußerte sich CDU-Ratsfrau Barbara Merten, die den Fall öffentlich gemacht hatte und die die Sitzung ebenfalls verfolgte. Immer wieder habe die Stadt Herne in der Vergangenheit in den Landschaftsschutz eingegriffen, jetzt reiche es: „Man darf nicht überall ran, dann haben wir bald keine Freiflächen mehr.“

Und wie geht es nun weiter? Das Gericht ließ Berufung zu. Es ist also möglich, dass sich in Kürze eine höhere Instanz mit dem Fall beschäftigt. „Wir ziehen in Erwägung, diesen geöffneten Weg zu beschreiten“, sagte Stadtsprecher Christoph Hüsken zur WAZ. BUND-Anwalt Dirk Teßmer sieht einer Berufung gelassen entgegen. Die Kammer habe den Fall in aller Deutlichkeit geprüft: „Ich bin überzeugt, dass das Urteil Stand hält.“

Die BUND-Vertreter Ingrid Reckmeier und Rolf Reinholz kündigen unterdessen an, dass sie im Eilverfahren nun einen neuen Baustopp für das Wohnhaus erwirken wollen. Bleibt es bei dem Urteil, dann ist es durchaus möglich, dass der Bau wieder abgerissen werden muss - egal, wie weit er schon ist.