Herne. Zu große Klassen haben an Schulen in Herne nun gravierende Auswirkungen: An einigen Grundschulen können Kinder nicht „sitzenbleiben“.

Lehrermangel, Raumnot und überfüllte Klassen haben inzwischen gravierende Auswirkungen – die Situation an den Schulen in Herne spitzt sich immer weiter zu. So können einige Schülerinnen und Schüler an Grundschulen trotz enormer Probleme das zweite Schuljahr nicht an ihrer Schule wiederholen, da diese Klassen bereits zu voll sind. Sie werden nun „mitgezogen“ – und müssen versuchen, sich in der dritten Klasse zu behaupten.

„In Herne gibt es keine Klasse mit 31 Kindern“, das betont Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini schon seit Jahren und bleibt diesem Leitspruch auch in schwierigen Zeiten treu. 30 Kinder pro Klasse sei bei ihr das absolute Maximum. Diese Regel – in Zusammenhang mit zu wenig Schulraum und Lehrkräften – hat nun eine Folge, wie sie sagt: „Es hätten eigentlich mehr Kinder einen Rücktritt machen müssen. Das ging aber nicht.“ Diese seien nun „mitgenommen worden“ in die nächste Klasse in der Annahme, dass die Kinder es entweder schafften, dennoch dem Unterricht der dritten Klasse zu folgen, oder – falls ein Platz in der Jahrgangsstufe 2 frei wird – zu einem späteren Zeitpunkt eine Klasse zurückgehen zu können.

Herne: Weiterhin enorme Lerndefizite durch Corona

Üblicherweise gelten die Klassen 1 und 2 als Schuleingangsphase, diese Zeit kann auch auf drei Jahre ausgedehnt werden, ohne dass das Kind „sitzenbleibt“. Es muss dabei jedoch die eigene Klasse verlassen und das Schuljahr wiederholen. „So viele Kinder, die in der Schuleingangsphase verbleiben müssen, wie in diesem Jahr, haben wir noch nie gehabt“, so Christoph-Martini. „Das sind noch immer die Corona-Nachwirkungen.“

„Der Sprachstand der Kinder ist unterirdisch“, sagt Hernes Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini.
„Der Sprachstand der Kinder ist unterirdisch“, sagt Hernes Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Die Schuleingangsuntersuchungen für die künftigen Erstklässler hätten gezeigt: „Der Sprachstand ist unterirdisch“, sagt die Schulamtsdirektorin. „Wir bekommen eine immer größere Spracharmut.“ Daran sei ihrer Vermutung nach auch die Digitalisierung schuld. Der Wortschatz der Kinder sei klein. Auch was die Kinder könnten, etwas ausschneiden, was ausmalen, was benennen, sei unheimlich schlecht ausgebildet.

Neben der Pandemie gebe es dafür einen weiteren Grund: „Es fehlen viele Kita-Plätze“, so Christoph-Martini. „Wir haben viel zu viele Kinder, die keinen Kita-Platz und keine Sprachförderung haben.“ Es täte den Kindern gut, wenigsten ein oder zwei Jahre vor der Schule in der Kita zu sein. Aber auch in diesem Bereich komme die Stadt mit dem Ausbau nicht hinterher.

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Zudem fehlt Schulraum. Zwar wurden ehemalige Schulgebäude reaktiviert und Container aufgestellt. Dennoch reiche der Platz für zusätzliche Klassen nicht. Und selbst, wenn dieser da wäre, fehlten Lehrkräfte, die unterrichten könnten. „Wir mussten in diesem Jahr fünf zusätzliche Klassen bilden“, sagt Christoph-Martini. Denn durch den demografischen Wandel, Flüchtlingswelle und Zuzug werden in diesem Jahr rund 150 Kinder mehr eingeschult als noch im Vorjahr. Und diese steigenden Schülerzahlen seien auch in den kommenden Jahren zu erwarten.

„Im Moment ist es wirklich ganz schwierig“, sagt Christoph-Martini zum Beginn des neuen Schuljahres. „Die Personalausstattungsquote ist in Ordnung, aber nicht blendend.“ Jede Grundschulklasse habe einen Lehrer oder eine Lehrerin. Aber es sei überall eng. „Wenn jetzt morgen jemand krank wird, wird es schon kribbelig“, beschreibt sie die knappe Besetzung.

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„Die Situation ist angespannt.“ Und das bekommen nun eben auch einzelne Schüler und Eltern zu spüren. Die Klassen an zwei bis drei Schulen seien so voll, dass Kinder die Klasse nicht wiederholen können. „Wir haben den Eltern das Angebot gemacht, die Schule zu wechseln, damit ihr Kind in der Schuleingangsphase verbleiben kann“, erläutert Andrea Christoph-Martini. Doch hätten viele Eltern das Angebot nicht angenommen, was sie auch verstehen könne. Nun werde versucht, diesen Kindern durch zum Teil individuelle Aufgaben und Förderung dennoch gerecht zu werden – so weit dies in den übervollen Klassen möglich ist.