Herne. Herne braucht eine neue Gesamtschule. Diese Forderung ist nicht neu, wird nun aber sehr konkret. Die Gründe, die Pläne und die möglichen Hürden.
„Herne braucht eine neue weiterführende Schule – am besten eine neue Gesamtschule.“ Mit dieser Forderung lässt Schuldezernent Andreas Merkendorf mitten in den Sommerferien aufhorchen. Denn der Wunsch nach einer weiteren Schule, die das zum Teil völlig überlastete System entzerrt, wird zwar von Schulleitern und der Opposition schon lange lautstark geäußert, wurde bisher von den Verantwortlichen aber nicht öffentlich ernsthaft diskutiert. Doch nun macht sich auch die Politik ganz offiziell auf den Weg, diesen Wunsch wahr werden zu lassen. Erste Gespräche mit der Bezirksregierung liefen bereits, und auch das Schulamt sowie Oberbürgermeister Frank Dudda unterstützen das Vorhaben.
„Wenn die Schülerzahlen weiter so steigen, brauchen wir auf jeden Fall eine neue weiterführende Schule“, sagt Merkendorf. Schon jetzt sei diese Entwicklung an den Grundschulen zu sehen und absehbar, dass diese Kinder demnächst an die weiterführenden Schulen wechselten. Hinzu komme der Zuzug unter anderem von Flüchtlingskindern. Und all diese Jugendlichen träfen auf Schulen, die schon jetzt an und über dem Limit belegt sind.
Neue Schule in Herne: Fehlendes Geld und Baugrundstück als Hürde
„Wir können nicht die Augen davor verschließen und sagen: Mit den bestehenden Kapazitäten bekommen wir die Schüler gut beschult“, betont Merkendorf. Man müsse sich kreativ auf den Weg machen und sich fragen: Gibt es räumlich Möglichkeiten? Wie gestaltet man das finanziell? Zwei Punkte, die sich als große Hürden herausstellen könnten, wies die Stadt doch erst kürzlich auf die „dramatische“ Haushaltslage hin. Und auch passende Grundstücke oder Bestandsgebäude seien bisher nicht vorhanden, räumt Merkendorf ein. Es sei deshalb auch schwierig, eine zeitliche Perspektive aufzuzeigen. Sechs oder sieben Jahre seien aber wohl mindestens anzusetzen, bis eine neue Gesamtschule eröffnen könnte.
So lange wird erstmal weiter improvisiert: Beispielsweise mit zusätzlichen Containern an der Gesamtschule Wanne-Eickel, die im Laufe dieses Schuljahres (lang ersehnt) endlich die räumlich sehr angespannte Situation an der Stöckstraße verbessern sollen, wie Schulamtsdirektor Dieter Leiendecker ankündigt. „Das ist ein Zeichen dafür, dass wir dort aus allen Nähten platzen.“ Und auch an den anderen drei Gesamtschulen sei die Lage nicht besser.
Er bekräftigt deshalb die Notwendigkeit einer zusätzlichen weiterführenden Schule für Herne. Optionen seien hierbei entweder eine neue Real-, Sekundar- oder eben Gesamtschule. „Ich würde das längere gemeinsame Lernen empfehlen – also eine Gesamtschule“, so der Schulamtsdirektor, der für die Schulplanung in Herne zuständig ist. Denn so erhoffe er sich einen weiteren Effekt: die hohe Zahl an Abschulungen in Herne zu reduzieren.
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Allein in diesem Sommer seien es wieder rund 150 Schülerinnen und Schüler, die „abgeschult“ werden müssten, so Leiendecker. Die genaue Zahl stehe erst nach den Nachprüfungen in der kommenden Woche fest, aber jedes Jahr gebe es wieder Probleme, all diesen Kindern einen angemessenen Platz an einer anderen Schule anzubieten, da diese zur Klasse 7 bereits voll seien – vor allem die Gesamtschulen, die nur Kinder aufnehmen, aber nicht abgeben.
Bereits 2021 befasste sich die Politik in Herne mit einer Neuaufstellung der Gesamtschulen. Die Gesamtschule Mont-Cenis wurde in der Folge bereits im vergangenen Jahr von sechs auf fünf Züge reduziert. Die Gesamtschule Erich-Fried soll von vier auf fünf Züge ausgebaut werden. Schon im Rahmen dieser politischen Diskussion äußerten alle drei Schulleiterinnen und Schulleiter der bestehenden Gesamtschulen den Wunsch nach einer vierten Schule im integrativen System, also ohne die Option des Sitzenbleibens. „Natürlich ist das kostenintensiv“, so Stephan Helfen, Leiter der Erich-Fried-Gesamtschule, damals, „aber es ist auch ein gutes Zeichen, um zu zeigen, dass wir in Herne nachhaltig etwas verändern wollen.“
OB Dudda fordert finanzielle Hilfe vom Land
Nun, zwei Jahre später, stehen auch die verantwortlichen Planer der Schulpolitik in Herne an dem Punkt zu sagen: „Wir brauchen mehr Schulraum. Wir gehen da jetzt offensiv ran“, so Merkendorf. Die Erhöhung der Zügigkeiten an den bestehenden Gesamtschulen könnten zwar kurzfristig helfen, aber führten längerfristig nicht zu einer Stabilisierung des Systems. „Wir müssen die Diskussion jetzt starten, damit wir von der Realität nicht überrollt werden.“ Alleine die Diskussion sei schon eine Mammutaufgabe, so Merkendorf. Aber dieser müsse man sich stellen, so lange die Situation noch händelbar sei.
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Unterstützung bekommt er von OB Dudda. „Schon jetzt zeichnen sich weitere Bedarfe im Bereich der weiterführenden Schulen ab“, sagt dieser auf WAZ-Anfrage. „Ich unterstütze den Schuldezernenten bei der Debatte mit der Politik und der Schulaufsicht, kreativ die künftigen Bildungsherausforderungen zu bewältigen.“ Finanziell sieht er aber das Land in der Pflicht: „Die finanziellen Möglichkeiten der Städte sind ausgereizt“, so Dudda. „Hier erwarte ich endlich eine angemessene Finanzierung durch das Land.“
Merkendorf möchte den Prozess durch eine externe Schulentwicklungsplanung begleiten lassen. Die Verwaltung sei gerade dabei, eine entsprechende Ausschreibung vorzubereiten. Die Unterstützung der Schulaufsicht rund um Dieter Leiendecker ist schon mal sicher. Und auch erste Gespräche seit Januar dieses Jahres mit der Bezirksregierung Arnsberg seien positiv verlaufen, so Leiendecker. „Alle sind guter Dinge und wollen, dass sich die Situation in Herne verbessert.“
>>>WEITERE INFORMATIONEN: Offiziell hält sich Bezirksregierung bedeckt
- Auf Anfrage der WAZ-Redaktion teilt die Bezirksregierung Arnsberg mit, dass es der Bezirksregierung bekannt sei, „dass Herne aufgrund steigender Zahlen von Schülerinnen und Schülern weitere Schulplätze benötigt“. „Für die Planung entsprechender Maßnahmen ist die Stadt Herne zuständig.“
- Die Bezirksregierung Arnsberg biete für die Planung einer konkreten Maßnahme ihre Beratung an, so dass bereits während der Planung eine gute Abstimmung erfolgen könne, heißt es in der Antwort der Pressestelle weiter. „Wenn die Stadt eine neue Schule einrichten möchte, braucht es dazu einen Ratsbeschluss.“ Liege dieser sowie alle nötigen Unterlagen für eine Genehmigung vor, werde die geplante Maßnahme „sachgerecht geprüft“.
- Für eine geplante Eröffnung zu einem Schuljahresbeginn sollte der Ratsbeschluss mit den Unterlagen bis Ende Oktober des vorhergehenden Jahres in der Bezirksregierung vorliegen.