Herne. Die Herner SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering will ins EU-Parlament. Das hat sie in einem Brief angekündigt. Wie sie das begründet.

Die Herner SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering will ins Europaparlament. Das teilte die 42-Jährige in einem Schreiben an den Unterbezirk Herne mit. Sollte ihre Kandidatur erfolgreich sein, dann würde sie aus dem Bundestag ausscheiden, kündigt sie an.

Das EU-Parlament wird im kommenden Jahr neu gewählt, ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl. „Ich will mich hier in der Mitte des Ruhrgebiets um eine aussichtsreiche Kandidatur bewerben“, heißt es in dem Bewerbungsbrief, der der WAZ vorliegt. Sie hoffe dabei auf die Unterstützung der Genossinnen und Genossen: „Jetzt geht es darum, einen starken Wahlkampf zu machen und ein gutes Ergebnis für unsere SPD zu holen. Denn das wird auch für die kommenden Jahre eine entscheidende Grundlage für unsere Politik sein.“

Herne: Nun arbeitet sie als „normale“ Bundestagsabgeordnete

An der Wahlparty der Herner SPD nach der letzten Bundestagswahl im September 2021 nahm Michelle Müntefering mit ihrem Mann Franz, dem ehemaligen Vizekanzler, in der Eventarena Gysenberg teil.
An der Wahlparty der Herner SPD nach der letzten Bundestagswahl im September 2021 nahm Michelle Müntefering mit ihrem Mann Franz, dem ehemaligen Vizekanzler, in der Eventarena Gysenberg teil. © Foto Funke Services | Klaus Pollkläsener

Michelle Müntefering hatte den Wahlkreis Herne/Bochum II im September 2021 zum dritten Mal hintereinander direkt gewonnen. Mit 43,4 Prozent der Erststimmen erhielt sie eines der besten SPD-Ergebnisse im Land überhaupt. Für einen Platz am Kabinettstisch reichte es nicht. In der Großen Koalition von CDU und SPD war sie in der Regierung Merkel noch Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Außenministerium. In der neuen Bundesregierung stieg sie aber nicht weiter auf. Im Gegenteil: Im Kabinett Scholz, in der SPD-geführten Ampel, erhielt sie keinen Posten mehr – weder als Staatsministerin noch als Staatssekretärin, geschweige denn als Ministerin.

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So arbeitet die Ehefrau des früheren Parteivorsitzenden und Vizekanzlers Franz Müntefering (83) jetzt als „normale“ Bundestagsabgeordnete. Immer lauter wurden zuletzt Stimmen, dass ihr das nicht ausreicht. Nach dem Rückzug von Nadja Lüders wurde sie als neue Generalsekretärin der Landes-SPD ins Spiel gebracht, ebenso als neue SPD-Landesvorsitzende nach dem Scheitern von Thomas Kutschaty. Der Zuspruch hielt sich jedoch in Grenzen. Auch vor Ort hatte Müntefering Rückschläge hinnehmen müssen. Bei den Wahlen zum Herner SPD-Vorstand erhielt sie Anfang März gerade mal 62,1 Prozent.

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Nun also soll es das EU-Parlament werden. „Diese Aufgabe passt zu meiner bisherigen Tätigkeit“, schreibt die Bundestagsabgeordnete in ihrem Brief. Dabei verweist sie unter anderem auf ihre bisherige Arbeit als Ratsfrau in Herne von 2004 bis 2013, auf ihre zehnjährige Arbeit im Bundestag, auf ihre Funktion als Sprecherin der Bundestagsabgeordneten im Ruhrgebiet und ihre vierjährige Arbeit als Staatsministerin. Sie wolle sich nun in neuer Funktion einbringen. „Denn: Sämtliche Gesetze aus Europa bestimmen schon jetzt unseren Alltag. Und es ist nicht egal, ob die Sozialdemokratie hier erkennbar und stark bleibt.“

Sie hofft nun auf Unterstützung für ihre Kandidatur: „Denn der NRW-Vorschlag wird auf dem entscheidenden Bundesparteitag natürlich von erheblichem Gewicht sein.“ Damit spielt sie auf den Umstand an, dass es bei der Europawahl keine Wahlkreise gibt, in denen Kandidaten direkt gewählt werden. Müntefering ist im Kampf um einen aussichtsreichen Platz beim SPD-Listenvorschlag für das neue EU-Parlament auf Unterstützung von Landes- und Bundespartei angewiesen.

Ihre Berliner Aufgabe als Abgeordnete gehe auf jeden Fall bis dahin unverändert weiter, schreibt sie. Und kündigt an: „Sollte meine Kandidatur für das Europäische Parlament erfolgreich sein, würde ich dann für den Bundestag nicht mehr zur Verfügung stehen und wir müssten nach der Europawahl eine/n Kandidat/in finden.“

Unterstützung von Oberbürgermeister und Unterbezirkschef

Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) und Hernes SPD-Chef Hendrik Bollmann begrüßen den Schritt. Für den „Green Deal“ könne Herne „in Brüssel nicht genug Stimmen haben, die uns helfen“, sagt OB Dudda zur WAZ. Gemeint ist: Der OB, auch Chef des Ruhrparlaments und Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft, will das Ruhrgebiet zur grünsten Industrieregion der Welt machen und setzt dabei auch auf Hilfen der EU. Ähnlich äußert sich der Herner SPD-Unterbezirksvorsitzende. Herne und das Ruhrgebiet seien auf Fördermittel aus Brüssel angewiesen, so Hendrik Bollmann. Michelle Müntefering als EU-Abgeordnete könne dieser Stadt und dem Ruhrgebiet einen Schub geben.

Ihm werden Ambitionen auf den Bundestag nachgesagt: Hernes SPD-Chef Hendrik Bollmann.
Ihm werden Ambitionen auf den Bundestag nachgesagt: Hernes SPD-Chef Hendrik Bollmann. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Und wer könnte Michelle Müntefering im Falle ihres Einzugs ins EU-Parlament 2025 als Bundestagskandidat oder -kandidatin im Wahlkreis Herne/Bochum II folgen? Ambitionen nachgesagt werden Hendrik Bollmann. Mehr noch: Hinter den Kulissen heißt es, Bollmann wolle ihr den sicheren Herner Bundestagswahlkreis in einer Kampfkandidatur streitig machen. Der 40-jährige SPD-Ratsherr weist das gegenüber der WAZ entschieden zurück. Diese Gerüchte seien an den Haaren herbeigezogen. Vielmehr gehe es darum, die Kandidatur von Müntefering fürs Europaparlament mit voller Kraft zu unterstützen. Wie es dann weitergehe, könne man schauen, wenn sie in das EU-Parlament einzieht.