Herne. Bewohner im Hochhaus-Komplex Emscherstraße in Herne wollen Mieterhöhungen nicht zahlen. Wie viel Geld der Vermieter Belvona nun mehr haben will.

Im Hochhaus-Komplex Emscherstraße in Wanne-Nord hat die Stadt Herne zuletzt Wohnungen wegen lebensgefährlicher Zustände für unbewohnbar erklärt. Anschließend wurden weitere Räume von der Stromversorgung getrennt. Aktuell läuft sogar ein Anhörungsverfahren zur Feststellung der Unbewohnbarkeit des gesamten Wohnblocks. Trotz defekter Heizungen, kaputter Aufzüge und feuchter Wände in den Hochhäusern war den Bewohnerinnen und Bewohnern 2022 aber eine Mieterhöhung ins Haus geflattert. „Eine Frechheit“, sagt der Anwalt Heinrich Hendricks, der Mieterinnen und Mieter aus dem Block vertritt.

Grund für die geforderte Mieterhöhung, über die die Wohnungsbaugesellschaft Belvona im vergangenen Jahr die Bewohnerinnen und Bewohnern schriftlich informierte, waren nicht etwa Modernisierungsmaßnahmen. Sondern: der simple Umstand, dass die Miete nach 15 Monaten laut Gesetz wieder erhöht werden dürfe. So steht es in einem Schreiben von Belvona, das der WAZ vorliegt. Laut Mietspiegel der Stadt Herne, so heißt es da, dürfe das Unternehmen für seine Wohnungen an der Emscherstraße 5,35 Euro pro Quadratmeter verlangen. Bislang habe Belvona 4,14 Euro kassiert, nun seien 4,97 Euro fällig. „Weiterhin liegt die von Ihnen gezahlte Miete unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete“, warb der Düsseldorfer Vermieter um die Zustimmung für die Mieterhöhung. Mehrere Bewohnende weigerten sich aber, sie wollten oder konnten nicht mehr Geld zahlen – und schlugen den Rechtsweg ein.

Herne: „Es darf nicht sein, dass Heizungen nicht funktionieren“

Heinrich Hendricks, Anwalt vom Wanner Markt, geht gleich für mehrere Mietparteien gegen die Mieterhöhung vor. Die Häuser seien heruntergekommen und in einem desolaten Zustand, kritisiert er. Er kennt den Komplex gut, vertritt seit mehreren Jahren Interessen von Bewohnenden. Ein Beispiel: die Aufzüge. „Die Mieter wissen nie, ob sie funktionieren.“ Mal liefen die Fahrstühle, mal nicht. Auch die Heizungen seien regelmäßig defekt. Ein Unding, gerade jetzt im Winter: „Es darf nicht sein, dass Heizungen nicht funktionieren.“

„Auch die Hausnummern 84 und 86 müssten dichtgemacht werden“: Rechtsanwalt Heinrich Hendricks.
„Auch die Hausnummern 84 und 86 müssten dichtgemacht werden“: Rechtsanwalt Heinrich Hendricks. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Seine Mandanten hätten sich Elektroheizungen anschaffen müssen, um es halbwegs warm zu haben. Für Hartz-IV-, jetzt Bürgergeld-Empfängerinnen und -empfänger habe das aber weitere drastische Auswirkungen: Sie müssten ohnehin schon mehr Geld zahlen. Gemeint ist: Im Gegensatz zu den Ausgaben für Miete und Heizung trägt das Jobcenter für Leistungsempfänger nicht die Stromkosten. Strom müssen sie aus dem Regelsatz zahlen.

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Angesichts der desolaten Zustände seien Mieterhöhungen nicht zu rechtfertigen, stellt der Anwalt klar. Seit Jahren unternehme der Vermieter Belvona nichts, um die Lage zu verbessern. Im Gegenteil: Die Hausnummern 82 und 88 mussten für unbewohnbar erklärt werden, zuletzt wurde auch das Haus Nummer 90 vom Strom getrennt. „Auch die Hausnummern 84 und 86 müssten dichtgemacht werden“, meint Heinrich Hendricks. Er zeigt sich optimistisch, dass seine Mandantinnen und Mandanten die Mieterhöhung nicht zahlen müssen. Er habe der Erhöhung widersprochen, Belvona habe daraufhin nicht reagiert – wie auch früher nicht auf Mietminderungen, so der Anwalt. Verstreiche nun eine Frist des Gerichts, dann bleibe es bei der bisherigen Miete.

Müll – nur eines der vielen Probleme auf dem Hochhausgelände an der Emscherstraße in Herne.
Müll – nur eines der vielen Probleme auf dem Hochhausgelände an der Emscherstraße in Herne. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Ein Erfolg? Ja, sagt der Jurist. Geholfen sei den Menschen in dem Block damit aber nicht wirklich, denn die Zustände blieben dieselben. Sein Tipp an die Mieterinnen und Mieter: „Sie sollten ausziehen und sich neue Wohnungen suchen.“ Er weiß aber auch: Das ist leichter gesagt als getan. Denn viele Bewohnende hätten nur wenig Chancen auf andere Wohnungen.

>>> WEITERE INFORMATIONEN: Steckt Kalkül dahinter?

Auch in der Politik werden die Mieterhöhungen diskutiert. „Da fehlen mir die Worte“, sagt der Wanner SPD-Bezirksverordnete Yücel Yilmaz zur WAZ. Der Vermieter Belvona lasse den Hochhaus-Komplex herunterkommen und wolle dann von den Menschen mehr Geld – „eine absolute Frechheit.“

Möglicherweise, so der Bezirksverordnete, stecke von dem Wohnungsunternehmen auch Kalkül hinter dem Schritt. Vielleicht wolle er so die Bewohnenden loswerden, um die Immobilie anschließend abstoßen zu können.

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