Herne/Bochum. Eiskaltes Wasser ist ihr Element: Eisschwimmerin Birgit Pottkämper (54) aus Bochum schwimmt regelmäßig im Herner Meer – mit Wollmütze und Bikini.
Schwimmen im Rhein-Herne-Kanal: Im Sommer ist das für viele eine gelungene Abkühlung. Birgit Pottkämper zieht es hingegen vor allem im tiefsten Winter in den Kanal. Dann schwimmt sie im eiskalten Wasser, nur mit Wollmütze und Bikini bekleidet, ihre Runden. Die 54-jährige Frau aus Bochum-Weitmar ist Eisschwimmerin und liebt das ruhige Gewässer des Herner Meers in Herne-Börnig. Dabei gilt für sie: je kälter umso besser.
Ausgangspunkt für ihre Schwimmabenteuer ist ihr VW-Bus, der ordentlich geheizt ist. Dort bereitet sich die zweifache Mutter mental vor, zieht ihren Bikini an und für den Weg zum Wasser warme Mäntel drüber. Die Lufttemperatur liegt an diesem Tag draußen bei zwei Grad. „Das Wasser ist heute schön kalt“, sagt sie. Noch bis vor kurzem habe das Wasser acht Grad gehabt. Nach den Schneefällen und bei Temperaturen nahe an Frostgrenze liegt das Wasser im Kanal nun bei 4,4 Grad, wie das Thermometer anzeigt, das sie immer dabei hat.
Den Weg zum Eisschwimmen fand die Sonderpädagogin, die an einer Grundschule in Herne arbeitet, durch Corona. „Die Schwimmbäder waren geschlossen, deshalb sind wir darauf gekommen, im Herner Meer zu schwimmen“, erinnert sich Birgit Pottkämper. Dort sei die perfekte Badestelle, da es keine Strömung gebe.
Sonderpädagogin verzichtet bewusst auf Neoprenanzug
Gemeinsam mit zunächst zwei weiteren Schwimmern startet sie bei einer Wassertemperatur von 18 Grad. „Die beiden anderen haben Neoprenanzüge angezogen“ sagt Pottkämper. „Aber ich schwimme lieber ohne.“ Sie sei eine Naturliebhaberin und fühle sich dieser beim Schwimmen sehr verbunden. Das Schwimmen in kaltem Wasser habe sie bereits bei Urlauben in Norwegen kennengelernt, wenn sie in Fjorden baden gegangen ist. „Für mich steht das positive Gefühl im Vordergrund und das Wissen, was der Körper leisten kann“, so die 54-Jährige.
Denn das sei bei ihr nicht immer so gewesen. Durch einen schweren Fahrrad-Unfall wird die Bochumerin vor siebeneinhalb Jahren quasi aus dem Leben gerissen. Vorher sei sie sehr sportlich gewesen, plötzlich sitzt sie im Rollstuhl. Zwei Jahre kann sie nicht laufen, muss unzählige Operationen am Knie und Fuß über sich ergehen lassen. Aber sie habe die Hoffnung nie aufgegeben, wieder laufen und schwimmen zu können.
Kardiologie hat „grünes Licht“ gegeben
Und die 54-Jährige bringt eine weitere Belastung mit: Sie hat Bluthochdruck, muss deshalb regelmäßig zum Kardiologen. Deshalb hat sie sich für das besondere Hobby auch grünes Licht vom Arzt geholt: „Mein Kardiologe sage, es gäbe kein besseres Training der Blutgefäße. Er befürwortet das.“
Von Woche zu Woche sei das Wasser Richtung Winter kälter geworden. Bei Wassertemperaturen unter acht Grad könne man nur noch rund zehn Minuten ins Wasser. Alles andere würde den Körper überfordern. „Wir sind auch schon bei knapp unter null Grad schwimmen gegangen“, sagt die Sonderpädagogin. Doch in diesem Jahr sei es noch nicht kälter als drei Grad gewesen.
Bis heute koste es sie Überwindung ins Wasser zu gehen. „Die ersten zwei Minuten ist es einfach unfassbar kalt.“ Der Kopf sei eine große Herausforderung. „Am Anfang hatte ich bei Temperaturen unter sechs Grad richtig Angst“, erinnert sie sich an den ersten Winter. „Angst vor meiner eigenen Courage. Ich bin nur am Rand geschwommen, habe sehr schnell geatmet.“ Generell müsse man sich beim Schwimmen in so kaltem Wasser enorm auf seine Atmung konzentrieren. Genau das sei aber ideal, um vom Alltagsstress abzuschalten: „Beim Eisschwimmen bin ich ganz bei mir und kann mich 20 Minuten nur auf das Schwimmen konzentrieren.“ Außerdem schütte das Schwimmen im kalten Wasser Endorphine aus, und sie fühle sich anschließend unglaublich gut.
Eisschwimmen nur mit Ohrstöpseln und Mütze
Auch an diesem Tag geht die Schwimmerin über eine Steintreppe langsam ins Wasser, kühlt zunächst die Hände ab, um sich an die Temperatur zu gewöhnen. Ohrstöpsel und eine Mütze oder Badekappe schützen den Kopf. Eine Sicherheitsboje schwimmt mit – so wird sie von Schiffen besser gesehen und könnte sich zur Not auch daran festhalten.
Nach fünf Minuten ruft sie: „Jetzt fühlt es sich nicht mehr kalt an. Es ist richtig angenehm.“ Denn das Kälteempfinden setze nach einigen Minuten aus, erklärt sie später. Aber genau das sei auch das Gefährliche. „Deshalb gehen wir immer nur zu zweit schwimmen, und der eine passt auf den anderen auf.“ An diesem Tag stoppt Schwimmkollege Ingo Schultz die Zeit. Nach zwölf Minuten winkt er Pottkämper aus dem Wasser. Schnell schlüpft die 54-Jährige wieder in ihre warmen Mäntel und eilt zurück zu ihrem Bus. Dort muss sie sich bei einem Zitronentee und mit einer Wärmflasche wieder dringend aufwärmen.