Herne. Rondoprinz ist der Name a) einer dänischen Waschmaschinenmarke und b) eines Herner Pop-Poeten. Warum vor seinem neuen Album eine Leidenszeit lag.
Alles andere als eine ganz gewöhnliche Band-Geschichte: Rondoprinz heißt das nach einer dänischen Waschmaschine benannte Projekt des Herners Chris Bigos, das 2009 seine Album-Premiere feierte. Nach Verkehrsunfällen und mehreren misslungenen Operationen folgte eine fast zehnjährige Zwangspause. Und heute? Die dänische Waschmaschinenmarke gibt es nicht mehr, den Herner Rondoprinz nach der langen Auszeit sehr wohl: Bigos legt sein mittlerweile drittes Album vor, das in Kürze in Herne auch live zu hören sein wird.
Gemeinsame Single mit Tom Liwa über Kate Bush
„Die Dramatik der Vergeblichkeit“, so der Titel der am 28. Januar beim Label NRW Records erscheinenden CD, enthält neun Stücke mit deutschen Texten, die der 52-Jährige selbst irgendwo zwischen Pop und Rock ansiedelt. Ähnlich dramatisch wie der Titel kommt die Presseinfo daher: Ums schiere Überleben sei es für Bigos in seiner langen Leidenszeit gegangen, heißt es im Waschzettel zum neuen Album. Der Sänger und Multiinstrumentalist formuliert es im Gespräch so: „Ich habe mich am eigenen Schopf aus dem Sumpf wieder herausgezogen, weil ich gelernt habe zu akzeptieren, dass es im Leben manchmal dramatisch zugeht.“
Eine Dramatik, die man seinen harmonisch-eingängigen Songs trotz einiger melancholischer Zwischentöne kaum anhört. „Die Musik ist Aufbruch, ist: ,Hey, es geht weiter!’“, sagt der Rondoprinz. Die unvermeidliche Klingt-wie...-Kategorisierung lässt sich vielleicht so auflösen: Als grober musikalischer Referenzrahmen könnten zum Beispiel die Kölner Gruppe Erdmöbel (ostdeutsch für Sarg; noch so ein toller Band-Name) sowie der Duisburger Tom Liwa und dessen ehemalige Formation Flowerpornoes (auch nicht schlecht) herhalten. Liwa – die Redaktion des deutschen „Rolling Stone“ kürte sein Album „Eine andere Zeit“ jüngst zum weltweit besten des Jahres 2022 – ist für Chris Bigos nicht nur ein Name.
1996 ging der damals 26-Jährige als Aushilfs-Gitarrist mit den in Indie-Kreisen gerade sehr angesagten Flowerpornoes auf Deutschland-Tour. In dieser Zeit konnte Bigos mit seiner Jangle-Pop-Gruppe Your Finest Drops zumindest regional einige Erfolge wie den Sieg beim „Ruhr-Rock-Wettbewerb“ einfahren.
Nach der gemeinsamen Tour verloren sich der Herner und der Duisburger aus den Augen. Doch bei der jüngsten Produktion von „Die Dramatik der Vergeblichkeit“ im Bochumer Zeitgeist Studio schlug der Zufall gnadenlos zu, weil auch Liwa dort seine vorletzte Platte veredeln ließ. „Er hat mich angerufen und gesagt: Ich dachte, dass Du nicht mehr unter uns bist“, beichtet Bigos.
Im Sommer 2022 mündete die (Wieder-)Begegnung sogar in ein gemeinsames Projekt: Für die Single „Metahill (Song für Kate Bush)“ legte Lyriker Liwa auf Bigos’ Komposition eine Hommage an die britische Sängerin, deren 80er-Jahre-Hit „Running Up That Hill“ durch die Netflix-Serie „Stranger Things“ den Weg zurück in die Charts gefunden hat.
Auf seiner eigenen, mittlerweile dritten CD zeichnete der Mann aus Herne-Baukau nicht nur für die Kompositionen, sondern auch für (fast) alle Texte sowie für Gesang, Gitarre, Bouzouki und Keyboards verantwortlich. Unterstützung erhielt er von Oliver Siegel (Bass, Keyboards) und Tobi Lessnow (Schlagzeug).
Eine reine Studioformation, denn bei der Live-Präsentation des Albums (und älterer Songs) am Samstag, 4. Februar, im Ludwig-Steil-Forum an der Kreuzkirche stehen Rondoprinz drei andere Musiker zur Seite: Benedikt Weber an den Keyboards, Axel Bossmann am Bass sowie der evangelische Kreiskantor Wolfgang Flunkert am Schlagzeug. Witziges Detail am Rande: Alle drei Musiker wurden einst an der TU Dortmund als Lehramtsstudenten vom Dozenten Chris Bigos – er ist gelernter Musik- und Sonderpädagoge – in die Fein- und Besonderheiten des Rock und Pop eingeführt.
Warmgespielt für dieses erste Pop-Konzert im 2020 eröffneten Ludwig-Steil-Forum hat sich Bigos bereits mit Auftritten solo im Schollbrockhaus sowie mit Flunkert im - kein Scherz - (geöffneten) Bioladen Kornmühle an der Viktor-Reuter-Straße. Ein weiteres ungewöhnliches Kapitel in der Band-Geschichte des Rondoprinzen aus Herne.
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Der Eintritt zum Konzert an der Kreuzkirche ist frei
Das Konzert von Rondoprinz beginnt am 4. Februar im Ludwig-Steil-Forum, Europaplatz 2, in Herne-Mitte um 20 Uhr. Der Eintritt ist frei, um eine Hutspende wird gebeten. Maximal 100 Menschen passen in den Saal. Weitere Konzerte sind geplant, unter anderem für den 2. Februar in Unna, für den Herbst in Hamburg sowie (noch nicht terminiert) im Dortmunder Subrosa.
Die CD „Die Dramatik der Vergeblichkeit“ erscheint am 28. Januar. In Herne ist sie bereits jetzt bei der Druckerei A. Budde, Berliner Platz 6a, und im Secondhand Musicland an der Pastoratstraße 4 erhältlich sowie natürlich beim Konzert im Ludwig-Steil-Forum.
Einen hörens- und sehenswerten Einstieg ins Rondoprinz-Universum ermöglich auf YouTube der drei Jahre alte Song „Der bessere Cowboy“. Das Video stammt vom Herner Künstler Patrick Praschma.
Blind Date: Von Liwa über Distelmeyer bis DJ Koze
Erkennen Sie die Melodie? WAZ-Redakteur Lars-Oliver Christoph (LOC) spielt Chris Bigos (CB) einige Songs vor.
„Es gibt keine Dichter mehr“ von Tom Liwa und den Flowerpornoes
Chris Bigos: Die Flowerpornoes. Den Song haben wir damals – glaub’ ich – gar nicht live gespielt.
Lars-Oliver Christoph: Sind die Flowerpornoes ein Einfluss für Sie?
CB: Auf jeden Fall. Tom Liwa ist ein Vorbild für mich. Ich habe mal im Dortmunder ,Subrosa’ im Vorprogramm für die Flowerpornoes gespielt. Danach ist er auf die Bühne gegangen und hat über mich gesagt: Er macht Songs, die ich gerne geschrieben hätte. Das ging runter wie Öl. Das kann ich nur zurückgeben. Vor allem seine Texte finde ich richtig gut, die sind unschlagbar. Ich habe ihm auch meine neue Platte geschickt. Er hat mir gesagt: „Chris, das ist die ganz hohe Schule des Gitarrenspiels! Das ist 90er-Jahre vom Feinsten!“ Und er hat noch gesagt: „Die Texte sind okay, sie haben mich nicht gestört.“ Das ist eine Rückmeldung, die 90 Prozent der Deutschen von ihm nicht bekommen würden (lacht). Damit war ich sehr zufrieden.
„Hey Hey, My My“ (live) von Neil Young & Crazy Horse
LOC: Neil Young war der Held meiner Jugend. Sein Album „Live Rust“ habe damals ich rauf und runter gespielt. Wer waren die musikalischen Helden des Teenagers Chris B.?
CB: (überlegt lange) Pixies. Und New-Wave-Sachen wie XTC und Wire.
LOC: Hand aufs Herze: Was war Ihre erste Platte?
CB: Smokie. (singt) „If You Think You Know How to Love Me …“.
„A Day In The Life“ von den Beatles
LOC: Die Beatles. Klassische Frage: Beatles oder Stones?
CB: Die Beatles - schon immer gewesen. Aber das gilt nicht für alle Beatles. Paul McCartney mag ich weniger. Aber George Harrison und „While My Guitar Gently Weeps“, das ist ganz groß.
„Verstärker“ von Blumfeld
CB: Das ist Blumfeld mit Jochen Distelmeyer. Die ersten beiden Alben fand ich richtig gut. Später war mir das zu sehr ,Münchener Freiheit’. Auch seine Solo-Sachen sind nicht mehr so mein Ding.
„Illumination“ von DJ Koze feat. Roisin Murphy
LOC: Aus der Electro-Sparte. Mögen Sie das oder muss es handgemachte Musik sein?
CB: Eher nicht. Aber in Kombination mit anderen Elementen ist das okay und kann sehr spannend sein. Ich bin altersmilde geworden und nicht mehr so snobistisch wie früher. Da hätte ich das wohl grundsätzlich abgelehnt.